Agri-Themen am Donnerstag
Landwirtschaft
GAP, Dürre, Life und Kohäsion
Für die Agrarpolitiker in Brüssel ist die Sommerpause bereits vorbei. Ende August starteten die Ausschüsse des Europaparlamentes in die zweite Jahreshälfte. Beim Agrarausschuss (AGRI) stand ein großes Programm auf der Agenda. Einige Themen sind im Folgenden zusammengefasst.

GAP
Die EU-Agrarkommission hat Mihail Dumitru in den Agrarausschuss gesandt, weil sich die kritischen Stimmen gegen den Vorschlag der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) häufen. Sowohl das Delivery Model zur Übertragung technischer und politischer Kompetenz von Brüssel auf die einzelnen Mitgliedsländer als auch die Entbürokratisierung hat in den Vorschlägen bisher nicht überzeugt. Dabei ist, so Dumitru die Zeit der Ausmessung von Hecken vorbei. Künftig kann die Hecke als Ganzes bewertet werden. Der stellvertretende Generaldirektor aus Rumänien hat einen Vortrag mitgebracht, weil Bilder oftmals mehr als tausend Worte sagen. Sie zeichnen aber die Wünsche besser ab als die Ergebnisse. Demnach verspricht der Vorschlag von Agrarkommissar Phil Hogan eine wahre Vereinfachung. „Allein es fehlt der Glaube“, ergänzte der CSU-Abgeordnete Albert Dess. Bei jedem Bürokratieabbau der Vergangenheit gab es bei den letzten Reformen immer ein Mehr an Bürokratie. Der Europäische Rechnungshof prognostiziere einen Anstieg um 15 Prozent. Schließlich entscheide, was an Entbürokratisierung beim Landwirt ankommen, sagte die Liberale Ulrike Müller.
Dumitru führt an, dass aktuell 26 Notifizierungen für die Erste Säule pro Mitgliedsland bestehen, 118 Programme für den ländlichen Raum und 65 sektorale Strategien. Das werde über das Delivery Model zu 27 Länderplänen zusammengefasst, die ein kohärentes Papier sein sollen. Die Verantwortung für die Vereinfachung wird auf die einzelnen Länder gelegt. So misstrauen die Abgeordneten den Erfahrungen in ihren Ländern. Der italienische Christdemokrat Herbert Dorfmann kann sich nicht vorstellen, das Rom ein einheitliches Agrarpapier für den Norden des Landes und Sizilien auflegen kann. Die wahre Entbürokratisierung ist nach Albert Dess die Halbierung der Kommissionsmitarbeiter in Brüssel, während Beata Gosiewska aus Polen (Christdemokratin) Indikatoren wie den Anteil der Verwaltungskosten pro ausgegebenen Euro zur Überprüfung vorschlägt. Dumitru sieht die vielen Zweifel der Parlamentarier, sagt aber auch, dass die Kommission bei ihren Plänen bleiben werde.

Bei ansteigender Bürokratie und zunehmender Konditionalisierung der Direktzahlungen entsteht eine Schwelle, die manche schon bei 150 Euro pro Hektar beziffern. Wird diese unterschritten, steigen Landwirte aus der GAP aus. Der 151. Euro kann über die GAP oder den Markt erzielt werden. Dann ist es eine Frage des Aufwandes, auf welche Weise dieser Euro günstiger erwirtschaftet wird.
Dürre
Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Finnland und Schweden sind die Länder, die zuerst in Brüssel nach einer Dürrehilfe anfragten. Am 14. August hat die Kommission schnell reagiert und die Flächennutzung der Ökologischen Vorrangfläche für die allgemeine Futternutzung freigegeben. Da sich die Länder auf höhere Gewalt berufen können, entfallen die Sanktionen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte am 22. August den Antrag für die EU im Bundeskabinett genehmigt und Belgien und die Niederlande haben mittlerweile ebenfalls nachgezogen.
In der Debatte machte Thomas Waitz von den österreichischen Grünen deutlich, dass mit der Dürrehilfe nur Symptome und nicht eine Vorsorge getroffen wird. Künftig müsse die GAP die Steigerung des Humusgehaltes im Boden für eine bessere Wasserspeicherung berücksichtigen. Das Problem der Bodenverdichtung durch immer schwererer Maschinen müsste durch Anreize für Doppelbereifung entschärft, Agro-Forst-Systeme gefördert und der Windschutz gegen Erosion ausgebaut werden. Maria Noichl (SPD) unterstützt diesen Weg, weil die landwirtschaftlichen Betriebe nicht immer so weiter machen könnten, um im Falle einer Katastrophe auf Brüsseler Hilfe zu hoffen. Von Dess und Müller handelte sich die Kommission die Rüge ein, warum sie das deutsche Risikovorsorgeinstrument der Gewinnglättung bislang abgelehnt.
Life-Programm
Das europäische Life-Programm ist das einzige eigenständige Programm für die Umwelt und soll künftig um den Aspekt des Klimaschutzes ausgebaut werden. Berichterstatter für das Europaparlament ist John Stuart Agnew – Brexitier und Klimawandelgegner. Ausgerechnet an seinem Geburtstag durfte er sein Papier vorstellen und beschwerte sich über die vielen „Hass-E-Mails“, die er bei der Vorbereitung schon erhalten hatte. Sein Papier zeichnet sich durch Studien aus, die gegenüber dem Zeitraum von vor 100 Millionen Jahren einen Rückgang der Kohlendioxidkonzentration ausweisen und schlägt gegenüber dem Kommissionsentwurf einen Ausstieg aus den Pariser Klimaverträgen vor sowie eine Zusammenfassung bestehender Energiewende- und Klimaschutzprogramme zu einem einzigen Programm „Anpassung an den Klimawandel“ vor. Die Schwankungen der Gehalte an Treibhausgasen würden mehr durch fluktuierende kosmische Strahlung und Sonnenfleckenaktivitäten als durch den Menschen verursacht. Das hatte in dieser Woche bereits im Vorfeld zu deutlichen Medienberichten geführt. So sagte der Klimaforscher Dave Reave von der Universität Edinburgh zur Tageszeitung The Guardian: „Es passt, dass dieses lächerliche Dokument paläoklimatische Informationen gegen den von Menschen verursachten Anstieg der Erderwärmung missbraucht – die abgedroschenen, pseudowissenschaftlichen Argumente würde selbst Dinosaurier erröten lassen.“
Die Berichterstattung wird nicht zwischen den Abgeordneten reihum verteilt. Agnew wurde mit der Mehrheit von Konservativen und Liberalen dazu gewählt. „Der Agrarausschuss verschenkt die Chance auf eine seriöse Berichterstattung“, mahnte die SPD-Abgeordnete Susanne Melior an. Thomas Waitz fürchtet, dass der Ausschuss sich lächerlich macht und forderte Müller und Dess zur Distanzierung auf. Der „gefährliche“ Bericht ist nicht hinnehmbar, ergänzte Eric Andrieu von den französischen Sozialdemokraten.
Den Vorwurf, sich nicht an wissenschaftliche Grundlagen zu halten, konterte Ulrike Müller mit dem Verweis auf die ebenfalls sehr diskursiv geführten Debatten um Glyphosat. „Wir Liberale stehen zum Pariser Abkommen“, unterstreicht sie, will Agnew aber als Teil einer gewählten Faktion nicht das Recht auf eine Stellungnahme nehmen. Die Abgeordneten haben alle Möglichkeiten Änderungsanträge zu stellen und damit den Bericht des Briten zu ändern.
Auch das Europaparlament muss in seiner demokratischen Ausrichtung vieles ertragen, ergänzte Albert Dess. „Man muss mit Ressourcen sparen, aber keine Panikmache verursachen. Erik der Rote ist durch das geschmolzene Nordmeer gefahren und hat auf Grönland Getreide angebaut.“ Warm- und Eiszeiten haben sich immer abgewechselt. Dess. „An das PIK [Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung; roRo], an die selbst ernannten Klimaforscher, glaube ich nicht.“
Auf einmal wird der Kommissionsvorschlag Vorbild für die Abgeordneten des Parlaments. Die Änderungen werden einen neuen Bericht scheiben. Die Kommission steht zu den Klimaverträgen und sieht die Notwendigkeit, die Erderwärmung zu begrenzen. Am 08. Oktober stellt der IPCC den neuesten Bericht vor.
Und Agnew? Wiederholte, was er dem Guardian bereits sagte: Irgendjemand müsse in den Dokumenten der EU ein Papier hinterlegen, dass aufzeige, der König trage keine unsichtbare Kleidung, sondern die Wahrheit über seine nackte Erscheinung offenbart. An seinem Geburtstag habe er den Ausschuss aufgeweckt.
Strukturpolitik
Über den Kommissionsvorschlag zur Strukturpolitik blieb Daniel Buda von den rumänischen Christdemokraten kurz und knapp und schlug eine Ablehnung vor, wie auch der federführende Ausschuss für regionale Entwicklung es getan hat. Die Kommission will die leistungsgebundene Reserve aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), dem Meeres- und Fischereifonds in den Kohäsionsfonds stecken. Sechs Prozent der Reserve sollen dann der Kohäsions- und nicht mehr der Strukturpolitik zur Verfügung stehen. Miguel Viegas von den portugiesischen Linken unterstützt die Ablehnung, die auch in anderen Ausschüssen sichtbar wurde. Die Kommission sieht darin ein Missverständnis, weil die Gelder weiterhin für den ländlichen Raum zur Verfügung stehen und für die Länder die Mittelumverteilung optional sei. Portugal hätte bereits Interesse daran gezeigt. Der Vorschlag sei eine Initiative im Rahmen des REFIT, der Gewährleistung der Effizienz und Leitungsfähigkeit der Rechtssetzung Weil die Länder das bis 2020 in einer Pilotphase testen könnten, greife die EU in laufende Ausgaben ein, kritisierte Buda.
Roland Krieg; Grafiken: Vortrag Mihail Dumitru