Aktionsplan Futtermittelkette

Landwirtschaft

Aigner ergreift die Initiative

„Wenn Dioxin in den Futtermitteln drin ist, hat der Verbraucherschutz höchste Priorität“, sagte Bundeslandwirtschaftministerin Ilse Aigner heute in Berlin bei der Vorstellung ihres Aktionsplanes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes in der Futtermittelkette. Vor allem dieser Fall solle Konsequenzen haben, weil die Ursache für den Gifteintrag ein krimineller Akt gewesen ist. Anlass genug, die gesamte Futtermittelkette zu überprüfen.

Erweiterter Aktionsplan

Gegenüber den ersten Maßnahmen, die Aigner am vergangenen Montag vorstellte, kamen neue Punkte hinzu.
Private Laboratorien, die Lebens- und Futtermittel untersuchen müssen künftig Ergebnisse, die Höchstwertüberschreitungen messen, diese an die zuständigen Länderbehörden melden.
Futtermittelunternehmer müssen künftig nachweisen, dass sie eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung oder vergleichbares abgeschlossen haben.
Die Betriebe müssen ihre Eigenkontrollen ausweiten und verpflichtet sein, sämtliche Ergebnisse an die Behörden zu melden.
Durch einen „Wettbewerb der Kontrollen“ soll sich insgesamt die Qualität der Überwachung verbessern. Es wird bei dem Prinzip bleiben, dass die amtlichen Kontrollen die Eigenkontrollen ergänzen und bewerten.
Im Verbraucherausschuss wurde in dieser Woche zusätzlich bereits festgelegt, dass das Verbraucherinformationsgesetz dahingehend geändert werden muss, dass bei Überschreitung eine Höchstmenge, die Verbraucher informiert werden müssen, wer, was mit welchen Belastungen geliefert hat.

Ministerverordnungen und Gesetze

Das Bundeslandwirtschaftsministerium sitzt zwischen Rinde und Borke. Die einzelnen Bundesländer bestehen auf ihre Hoheiten und lassen sich nicht von Berlin aus regieren. Eine Positivliste für Futtermittel muss letztlich durch die EU gesetzlich geregelt werden, sonst bleibt es bei einer freiwilligen Selbstverpflichtung. Der eigene Spielraum ist klein.
Ministerin Aigner hat konkret angekündigt, was sie demnächst umsetzen will.
Die Zulassungsplicht und die Trennung der Produktionsströme werden per Ministererlass realisiert. Wenn möglich auch die Ausweitung der Futtermittelkontrollen – sonst per Gesetzgebungsverfahren. Letzteres wird auch angestoßen bei den Punkten Haftungsrisiko, Dioxin-Monitoring und Verbraucherinformationsgesetz.
Am kommenden Dienstag sind die Agrar- und Verbraucherschutzminister zu einem eigenen Gipfel in Berlin eingeladen, am Mittwoch wird der Aktionsplan im Bundeskabinett besprochen, wobei Aigner sich am Donnerstagabend schon die Unterstützung von Bundeskanzlerin Merkel geholt hat und am Montag, dem 24. Januar, werden beim Brüsseler Agrarrat die Europathemen angesprochen. Aigner hofft, dass ein Teil der Maßnahmen noch in diesem Jahr umgesetzt werden können.

Kritikerkritik

Heute gab sich Ilse Aigner kämpferischer und präziser als bei der Vorstellung der ersten Maßnahmen nach Absprache mit den Futtermittelverbänden. Die konkreten Worte zum Aktionsplan sind sicherlich ein Ergebnis der Kritik aus den vergangenen Tagen. Aigner bleibt dabei, dass sie und das Bundeslandwirtschaftsministerium bislang alles richtig gemacht haben. Das BMELV sei seit dem 29. Dezember auf Arbeitsebene bei der Analyse beteiligt.
Die Grünen und die SPD haben in den vergangenen Tagen ihren Rücktritt gefordert. Diese Kritiker wurden bereits von den Linken kritisiert, weil es zu sehr nach Wahlkampf roch. Vor allem die Kritik von Renate Künast bezeichnete Aigner als „Wahlkampf für Berlin“. Aigner reist heute noch nach Niedersachsen, besucht dort einen gesperrten Betrieb und das Landeslabor in Oldenburg. Hätte sie diesen PR-Termin schon vor zwei Wochen gemacht, hätten dann die Kritiker ihr nicht PR vorgeworfen?
Aigner zitierte aus einem Brief der Vorsitzenden der Verbraucherschutzministerkonferenz, die sich darin gegen Vorankündigungen in der heutigen Pressekonferenz wandte, bevor nicht die Länder am Dienstag gemeinsam beraten haben. Aigner bezeichnete den Druck der Länder auf die Bundesregierung, mehr tun zu müssen, aber gleichzeitig selbst entscheiden zu wollen, was umgesetzt werde, als „scheinheilig“.

Aktuelle Situation

Derzeit steht die holländische Transportfirma Olivet im Visier der Fahnder. In ihrem Namen hatte die Transportfirma Lübbe die Fette von Petrotec transportiert. Das Schweinefleisch aus Weißenfels, das mit Dioxin belastet ist, wurde auch nach Polen und Tschechien geliefert. Außer Südkorea und China liegen aber keine Importstopps vor. Deutschland ist zusammen mit der EU dabei, diese Einfuhrstopps auch wieder aufzuheben.
Bernhard Kühnle aus dem Landwirtschaftsministerium
gab eine Übersicht über die Anzahl der belasteten Proben. Bei Milch und Rindfleisch wurden keine Höchstwertüberschreitungen festgestellt. Von 33 Schweinefleischproben war ein Dioxinbefund überhöht, einer an der Höchstgrenze. Bei Eiern sind bislang 23 von 83 Proben unzulässig belastet. Kühnle wies erneut darauf hin, dass trotzdem keine akute Gesundheitsgefahr besteht.

Zehn-Punkte-Programme

Ilse Aigner hat ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt. In etwa stimmt es überein mit dem Programm von Johannes Remmel, Landwirtschaftsminister aus Nordrhein-Westfalen: Trennung von Produktionsströmen, Positivliste, Haftpflicht, verschärfte Zulassung, Eigenkontrollen verdichten, amtliche Kontrollen erhöhen, Ökoanbau stärker fördern, VIG transparenter machen, Sondersitzung. Aigner wollte kein Copyright-Recht auf ihr 10-Punkte-Programm einräumen. Remmel könnte das aber auch nicht. Beim Gammelfleischskandal hatte Horst Seehofer als Landwirtschaftsminister bereits ähnliches aufgestellt.
Remmel hat aber derzeit einen Punkt aus seiner Liste gestrichen. Im Vorfeld zur Agrar- und Verbraucherschutzministerkonferenz haben die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bremen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eine neue 10-Punkte-Liste veröffentlicht. In den meisten Punkten stimmt sie mit dem Aigner-Programm überein. Die Verstärkung der amtlichen Kontrollen ist aber vom Tisch – dafür sollen die Bundesländer jetzt Schwerpunktstaatsanwaltschaften einführen dürfen. Es fehlt das Dioxin-Monitoring.

Resonanz

Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßt den Aktionsplan des BMELV, vermisst aber eine Haftungsregelung im aktuellen Fall. Da die Firma Harles und Jentzsch in dieser Woche Insolvenz angemeldet hat, drohen die Bauern auf den immensen Schäden sitzen zu bleiben. Der DBV appelliert an die Futtermittelwirtschaft, unbürokratisch zu helfen. Er unterstützt vom Aigner-Plan explizit die folgenden Punkte: Zulassung, Produktionstrennung, Futterpositivliste, verpflichtete Eigenkontrolle und das Dioxin-Monitoring.
Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes
, kündete an, dass die Raiffeisen-Genossenschaften nur noch Rohstoffe ausliefern werden, „wenn Freigabeuntersuchungen vorliegen.“ Andernfalls lehnten die Genossenschaften die Lieferungen ab.
Am Donnerstag haben sich in Mecklenburg-Vorpommern Vertreter der 12 Mischfutterhersteller im Bundesland mit dem Landesbauernverband und dem Landwirtschaftsministerium getroffen. Für die Zeit nach der Grünen Woche haben sie einen Runden Tisch vereinbart, um eine Qualitätsoffensive zu starten. Im ersten Gespräch haben die Hersteller verstärkte Eigenkontrollen angekündet. Sonst kritisiert Agrarminister Dr. Till Backhaus die Ministerin: „Erst wartet die Bundesministerin ab, anstatt zu handeln und dann verfällt sie in Aktionismus.“ Der Ländertermin für den 18. Januar komme zu spät. Backhaus: „Ohne Unterstützung durch die Länder, die zuständig für die Überwachung sind, steht die Bundesministerin mit ihrem Alleingang ziemlich allein da.“
Hessens Verbraucherschutzministerin Lucia Puttrich
begrüßte den Aktionsplan, weil er wichtige Forderungen der Länder aufnehme.
Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linken
, vermisst einen Vorstoß zur Herkunftskennzeichnung. Ein „Verbraucherschutz-Code“ soll den Konsumenten verdeutlichen, woher das Fleisch stamme.

Lesestoff:

Die Langfassung des Aktionsplans finden Sie unter der Internetseite www.bmelv.de
Auch ohne den aktuellen Skandal nehmen Verbraucher mehr Dioxin als erlaubt auf.

Roland Krieg, Fotos: Ralf Flucke

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