Aktionsprogramm „Energie für morgen“

Landwirtschaft

Bioenergie für den ländlichen Raum

Es konnte kein besseres Symbol für den ländlichen Raum und seine künftige Nutzung geben als die Gleichzeitigkeit des Runden Tisches des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) für die gesamte Lebensmittelkette gegen die sinkenden Preise und der Auftaktveranstaltung zum Aktionsprogramm „Energie für morgen“. Genauso wie ein Hektar Land nur einmal im Jahr genutzt werden kann, musste sich auch die Ministerin für eine Veranstaltung entscheiden. Ihre Priorität galt den Lebensmitteln, die auch weiterhin in der Landnutzung an erster Stelle stehen – doch Verbraucher werden lernen müssen, dass der ländliche Raum neben Erholung, der Produktion von Biotreibstoffen und Rohstoffen für die chemische Industrie gleichzeitigen Ansprüchen genügen muss.
Tagungsthema





Daher müssen politische Rahmenbedingungen für die Herausforderungen Nutzungsvielfalt im ländlichen Raum geschaffen werden. Das soll das am Dienstag in Berlin vorgestellte Aktionsprogramm leisten: Die Landwirtschaft soll geringem Energieaufwand Lebensmittel mit geringsten Emissionen nachhaltig erzeugen und gleichzeitig die Energieversorgung sichern. Ursula Heinen-Esser, Parlamentarische Staatssekretärin aus dem BMELV erinnerte an das Ziel der Bundesregierung: Den Anteil erneuerbarer Energien am Primärverbrauch bis 2020 von derzeit neun auf 18 Prozent zu verdoppeln. 70 Prozent der erneuerbaren Energien stammen aus Biomasse, wobei noch längst nicht alle Ressourcen erschlossen sind.
Das Aktionsprogramm soll den heute zu fassenden Kabinettsbeschluss „Biomasseaktionsplan“ um fünf Themenfelder der Umsetzung begleiten. Ein schwieriges Thema sei die Zertifizierung der aus Übersee stammenden Ackerrohstoffe. Es gehe künftig jedoch um die Zertifizierung von allem „was wächst“, so Heinen-Esser, denn es könne nicht sein, dass die Biomasseproduktion nachhaltig gestaltet werde, der Regenwald aber der Lebensmittelproduktion weichen müsse
Gegenüber Sonne und Wind bietet die Biomasse die erste speicherbare und jederzeit verfügbare Energiequelle, die als bedarfsgerechte Grundlast der Energieversorgung diene. Zudem zeigen sich junge Menschen für das Thema aufgeschlossen und bietet damit dem ländlichen Raum eine Beschäftigung und Wertschöpfung. „Der ländliche Raum ist das Fundament des Landes.“

Das Land im Fokus
In der Tat verknüpfe das Thema zwei Bereiche, stellte Dr. Jörg Wendisch aus dem BMELV fest: Die Entwicklung der Biomasseproduktion verbindet sich mit der Entwicklung des ländlichen Raums.
Den sieht Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, nicht richtig anerkannt. Dabei leben 70 Prozent der Menschen in Deutschland in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern und 60 Prozent der Arbeitskräfte sind im ländlichen Raum angesiedelt. „Deutschland ist nicht nur Autoindustrie und Opel“, mahnt Dr. Landsberg. Die Kommunen werden bei der Eigenversorgung mit Energie „zum unverzichtbaren Partner“. Das Thema werde nur Akzeptanz finden, wenn es gelänge, die Bürger mitzunehmen und er könne sich vorstellen, dass die Bewohner wie in Österreich sich über eine Genossenschaft an der regionalen Energieversorgung beteiligen.
Die erneuerbare Energie gibt den Bauern eine neue Blickrichtung, sagte Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband. Bislang stand die EU im Fokus der Wirtschaftsentscheidung, doch mit der regionalen Energieversorgung richtet sich das Augenmerk auf die eigenen Landkreise.

Wege zum Bioenergiedorf
Bioenergiedörfer machen Schule – immer mehr Kommunen setzen auf die Selbstversorgung mit Energie aus Biomasse. Damit die nächste Generation aus den Erfahrungen der Pioniere lernen kann, hat das BMELV jetzt das Portal www.wege-zum-bioenergiedorf.de eingerichtet. Hier finden Sie bereits existierende und geplante Dörfer und ein Forum zum Informationsaustausch. Initiativen, die sich auf der Übersichtskarte verzeichnen lassen wollen können die FNR kontaktieren: www.fnr.de. Je mehr Akteure sich an dem Portal beteiligen, desto wertvoller sind die Informationen
Nicole Paul, FNR

Konjunktur durch Bioenergie
Udo Hemmerling verglich die Ergebnisse der Bauernbefragungen von 2008 und 2009. Im letzten Jahr hatten 4,8 Prozent Interesse signalisiert, Biomasse auf ihrem Betrieb anzubauen. Im April 2009 sind es 6,9 Prozent, obwohl die Jahre 2007 und 2008 schwere waren. Die Bauern haben gemerkt, dass bei Wegfall der Steuervergünstigungen die Biomasseproduktion stockt und in Abhängigkeit zur Politik steht. Zudem wurde mit dem Anstieg der Rohstoffpreise der Mais für die Biogasanlage zu teuer. Dennoch steigen aktuell die Investitionen in neue Anlagen, während die für Stallanlagen und Maschinen zurückgehen. Hemmerling führt das auf das erneuerte EEG zurück.
Allerdings sind die Auflagen und Aufwände für Umweltgutachten und Nachhaltigkeitszertifizierungen eine Belastung. Sie seien ein „Ausfluss der seltsamen Teller und Tank – Debatte, die in ihrer Radikalität teilweise neben der Spur“ geführt wurde. Ab 2010 werde es wohl eine europaweite Zertifizierung für die Biomasseproduktion geben, doch reiche das nicht aus, denn für einen fairen Wettbewerb müssen die gleichen Regeln gelten weltweit, so Hemmerling.
Konjunktur gibt es auch im Wald. Mit rund 3,4 Milliarden Kubikmeter ist Deutschland Europameister beim Holzvorrat. Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR) freut sich, dass „der Wald als historisch nachwachsender Rohstoff seit Jahrhunderten“ wieder in den Blickpunkt rückt. Die zukünftigen Wälder sind die CO2-Senken schlechthin. Allerdings liege man vor allem bei der Züchtung hinter dem möglichen Potenzial zurück. Der Hektarertrag ist schon rund 20 Prozent höher als in der Vergangenheit, doch besagen Schätzungen, dass noch mal 50 Prozent höhere Erträge durch bessere konventionelle Züchtung drin sind. Auch Schirmbeck kann sich neue Beteiligungsformen vorstellen. In Finnland sind die Förster beispielsweise an den Papierfabriken beteiligt.

Bauer Hubert Hefte für den Nachwuchs






Das Aktionsprogramm
Das Aktionsprogramm bündelt Maßnahmen für den Ausbau der Bioenergienutzung auf fünf Themenfelder verteilt.
Zunächst geht es um die Steigerung des Biomasseangebotes durch Produktionssteigerungen. Dazu gehört auch die Nutzung von Naturschutz-Ausgleichsflächen. Wendisch kann sich vorstellen, dass Nutzung und Schutz im Einklang zu bringen ist. Das wird derzeit mit dem Demonstrationsvorhaben ELKE in extensiver Nutzungsform getestet.
Der zweite Bereich umfasst die Verstärkung und den Ausbau der Wissensvermittlung, wobei es nicht nur um die Landwirte geht, sondern auch für die Verbraucher. Das geht über die Bioenergiebratung bis zu Fördermöglichkeiten bei der Nutzung und Informationsbroschüren. Kommunen können sich kostenfrei bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe informieren, wie sie sich zu einem Bioenergiedorf weiter entwickeln können.
Der dritte Themenkreis betrifft den Abbau technischer Hemmnisse bei der es vor allem um den Emissionsschutz und die Optimierung von Kleinfeuerungsanlagen geht.
Viertens müssen rechtliche Rahmenbedingungen geändert werden. Dazu gehört beispielsweise die Sicherheit des Landwirts, dass er seine Ackerfläche nach zehn Jahren Nutzung mit einer Kurzumtriebsplantage auch wieder als Acker nutzen darf, und die dann nicht gleich als Wald – der nicht mehr rücküberführt werden darf.
Letztlich geht es im fünften Themenkreis um verschiedene Investitionsanreize, wobei Dr. Wendisch selbst im eigenen Haus feststellen musste, dass nicht alle Mitarbeiter alle Fördermaßnahmen kennen.

Wer entscheidet was?
Im Bereich der Bioenergie gab es in den letzten Jahren ausreichend Reibungsflächen. Von „Maiswüsten“ war die Rede, im Landkreis Borken schnellten die Pachtkreise in die Höhe. Dabei gibt es mit ausgeklügelten Fruchtfolgen praktische Beispiele für nachhaltige Produktionsweisen, die auch auf die Humusbilanz achten. Soll der Anbau für Lebensmittel und Bioenergie überbetrieblich in einem interregionalen Flächennutzungsplan gemanagt werden, oder soll der Markt die Anbauprioritäten setzen? Herd-und-Hof.de hat sich bei Udo Hemmerling nach der Ansicht des Bauernverbandes erkundigt.
Die Antwort ist eindeutig: „Die Anbauentscheidung wird beim Landwirt liegen!“. Der Staat könne den Bauern nicht vorschreiben, was und wann sie anbauen können. Der Bauernverband hat einen „flächendeckenden Anspruch auf Nachhaltigkeit“, wie Nährstoffkreisläufe geschlossen werden und was mit den Gärresten, die Nährstoffe auf die Felder bringen, geschehen soll. Orientierungsziel soll die „Gute Fachliche Praxis“ sein, die Fruchtfolgen oder Düngerangaben regeln kann.

Lesestoff:
Das Aktionsprogramm mit allen Details finden Sie unter www.bmelv.de
Vor kurzem endete das fast vierjährige interdisziplinäre Forschungsprojekt „Klimaplastische Wälder“, das den Waldumbau beschreibt, wie er unter den Bedingungen des Klimawandels Nutzung und Schutz vereinen kann.
Vor einem Jahr tagte Eurosolar in Leipzig zum Thema dezentrale Energieversorgung.
EVA hat Ende 2007 bereits die ersten Ergebnisse über den Fruchtwechsel von Energiepflanzen vorgestellt.
Bauer Hubert ist der Medienstar für Schüler, der in diesem Jahr auch das Internet erobert hat, um über nachwachsende Rohstoffe zu berichten.

Roland Krieg

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