Algorithmus für die Flurbereinigung

Landwirtschaft

Erfolgreiche Feldversuche der TU München

Die Flurbereinigung ist kompliziert und birgt reichlich Konfliktpotential, wenn zum Beispiel Landwirte mit der Bodenqualität der zu tauschenden Felder nicht zufrieden sind. An der Technischen Universität München (TUM) haben die Mathematiker Prof. Peter Gritzmann und Dr. Steffen Borgwardt sowie Prof. Andreas Brieden von der Universität der Bundeswehr ein mathematisches Verfahren zur Erleichterung der Flurbereinigung im Landwirtschaftlichen Raum entwickelt. Hierfür wurden sie im Juli in Rom mit dem „Euro Excellence in Practice Award” der Association of European Operational Research Societies (EURO) ausgezeichnet.

Computer ordnet Flächen neu

Mit einer speziellen Software ermöglicht das Team um Prof. Gritzmann den freiwilligen Pacht- und Nutzungstausch von landwirtschaftlichen Flächen in bislang unerreichter Qualität und Effizienz. Zunächst werden die verschiedenen Ackerflächen eingefärbt und so den jeweiligen Besitzern zugeordnet. „Die Software kann mit Hilfe unserer Algorithmen nun die Ackerflächen den Landwirten neu zuordnen und somit die Flur perfekt aufräumen“, erklärt Gritzmann. Ein Mausklick und die Software errechnet innerhalb weniger Sekunden eine optimale Feldaufteilung, und aus dem bunten Flickenteppich entsteht ein nach Farben sortiertes Bild. In der Berechnung bereits berücksichtigt sind unter anderem die verschiedenen Bodenqualitätsstufen, EU-Subventionen oder Wünsche der Landwirte. „Der Vorteil der neuen Flurverteilung liegt in der Wirtschaftlichkeit. Die Landwirte können ihre Felder effizienter bewirtschaften, Fahrtkosten und auch den CO2-Ausstoß reduzieren.“

Höhere Wirtschaftlichkeit durch Flurbereinigung. Flächenverteilung von Bauer Meyer (grün) vorher (links) und nach der Bereinigung (rechts). Der Flächenbesitz bleibt unverändert, aber das Bewirtschaftungsrecht verändert sich. Der Computer hat eine Qualitätsäquivalenz vorher-nachher berücksichtigt. Grafik: Prof. Dr. Peter Gritzmann (TU München)

Altes Thema

Das Prinzip der Flurbereinigung ist nicht neu. Bereits König Ludwig II schuf das „Gesetz die Flurbereinigung betreffend“. Anders als in klassischen Verfahren wird in der neueren Initiative des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aber auf Eigentumsveränderungen verzichtet. Lediglich das Recht zur Bewirtschaftung wird getauscht. Was sich so einfach anhört, ist allerdings mathematisch extrem aufwändig. „Wenn nur zehn Landwirte mit insgesamt 300 Feldern mitmachen, gibt es 10 hoch 300 verschiedene mögliche Zuordnungen.“ Die Zahl der Atome im bekannten Universum liegt im Vergleich bei nur bescheidenen 10 hoch 78. Um diese enorme Zahl an Möglichkeiten in den Griff zu bekommen und so die Rechenzeit gering zu halten, beruht das Verfahren auf ausgeklügelten mathematischen Ideen der algorithmischen Geometrie und Optimierung. Die Schwerpunkte aller Felder der Landwirte werden dabei – anschaulich gesprochen – so weit wie möglich auseinander geschoben, so dass die Felder eines Landwirts möglichst nah aneinander liegen und weit von den fremden Feldern entfernt sind.

Geht auch beim Wald

In der praktischen Umsetzung erhält der Tausch auch noch eine starke „gruppendynamisch-soziologische“ Komponente. Zu Beginn bringt jeder Landwirt – menschlich völlig verständlich – nur seine schlechteren Flächen ein. Hierdurch ist natürlich der Rahmen für Verbesserungen begrenzt. Daher wurde ein „Tauschtool“ entwickelt, mit dem die beteiligten Landwirte in Echtzeit am Computer die ökonomischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen „spielerisch erfahren“ können. Hierdurch fassten die beteiligten Landwirte Vertrauen und brachten mehr und mehr Felder ein. Im Ergebnis konnte so eine Reduktion der Bewirtschaftungskosten von bis zu 30 Prozent erzielt werden.

Aber nicht nur Zuordnungen von Feldern können so berechnet werden. In jüngeren Projekten hat Dr. Borgwardt das Verfahren erfolgreich auch auf die Neuordnung von Waldflächen angewandt.

TUM / roRo

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