Alok Sharma: „Wir haben ein Klimaabkommen erzielt“

Landwirtschaft

COP 26: Zielvereinbarungen zwischen „Alles oder Nichts“

Der Vorsitzende der Weltklimaverhandlungen COP 26 in Glasgow, Alok Sharma, blieb in seiner Abschlusserklärung knapp und präzise: Wir haben in Glasgow einen mit allen Staaten übereinstimmende, Klimapakt erzielt.“ Das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel ist gut, aber selbst nach Sharmas Ansicht „fragil“. Die Klimarettung ist in Glasgow nicht gelungen, die Politik hat aber den Willen zum Überleben nicht aufgegeben [1].

Das wichtigste Ergebnis ist der Abschluss des Regelbuches, was die Vorsichtigen zu Beginn auch als Minimalziel festgesetzt haben. Darin ist jetzt auch die Zusammenarbeit zwischen den Staaten beim Klimaschutzgeregelt. So kann Investment dahin fließen, wo die positiven Klimaeffekte am größten sind. Bei den Finanzen wurde die Quote der Klimagelder für Anpassungsmaßnahmen von 20 auf 50 Prozent angehoben. Das gilt zwar nur bis 2025, aber die Länder, allen voran China und Indien, müssen ihre Reduktionsverpflichtungen bis dahin nachschärfen. Mit den USA und China sind zwei Emissionsschwergewichte wieder auf Kurs gekommen. Auch wenn der Kohleausstieg zum Ende hin abgeschwächt wurde, dürfte das Beispiel Südafrika als weitere Blaupause für andere Länder werden.

Glasgow hat geliefert

Bundesumweltministerium Svenja Schulze: „Glasgow bringt eine deutliche Beschleunigung für den Klimaschutz, und mehr Tempo ist auch erforderlich. Die 20er Jahre sind das Jahrzehnt, in dem die Weltgemeinschaft die entscheidenden Fortschritte machen kann und muss. Diese Konferenz hat gezeigt, dass die Welt ein gemeinsames Ziel verfolgt, eine klimaneutrale Weltwirtschaft. Das fossile Zeitalter geht zu Ende, die Energiewende wird weltweit zum Leitbild.

Als Meilenstein in den Verhandlungen gilt für Schulze der Abschluss des sogenannten Regelbuchs zur Umsetzung des Pariser Abkommens. Geregelt wurde etwa, dass künftige Klimaziele für fünf Jahre vorgelegt und nach einheitlichen Standards und Formaten berichtet werden. Bei der Frage, wie künftig Emissionsminderungen zwischen Staaten gehandelt werden können, gab es ebenfalls eine Einigung. Dabei ist es gelungen, Schlupflöcher bei der Anrechnung von Emissionsminderungen auszuschließen. Für den Gesamterfolg der Konferenz nötig war zugleich ein Zugeständnis an die Entwicklungsländer, alte Emissionsminderungszertifikate in einem begrenzten Umfang verwenden zu können.

1,5 Grad noch nicht in Reichweite

Christoph Bals von germanwatch sieht Licht und Schatten. Trotz der Dynamik, die dieser Klimagipfel für den weltweiten Ausstieg aus der Kohle und mehr Klimaschutz aufgebaut hat, ist das 1,5 Grad-Limit ohne schnelle Nachbesserungen der Ziele der größten Emittenten nicht in Reichweite. Die überraschende Ankündigung der USA und China, ihre NDCs nachschärfen bzw. umsetzen zu wollen, sieht Germanwatch als Übereinkommen, über konkrete nächste Maßnahmen hierzu erst im nächsten Jahr verhandeln zu wollen. Die USA blockierte eine klare Finanzzusage der Industrieländer, dass diese zwischen 2020 und 2025 insgesamt 600 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung in den ärmeren Ländern mobilisieren wollen. Da die ursprüngliche Zusage von 100 Milliarden US-Dollar bis 2022 nicht eingehalten wird, würde die neue Zusage für die Jahre danach automatisch eine höhere Klimafinanzierung bedeuten. „Die fehlende klare Finanzzusage ist eine schwere Hypothek für künftige Klimaverhandlungen mit Ländern des Globalen Südens, denn die nicht eingehaltenen Zusagen haben das Vertrauen beschädigt“, so Bals.

Global Methan Pledge

Die Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Anja Weisgerber (CSU), hat in Glasgow neuen Schwung vermerkt. „Die Glasgower Verhandlungen brachten eine Reihe von freiwilligen Initiativen und Allianzen, allen voran der sogenannte Global Methan Pledge. In ihm verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten, darunter auch Deutschland, das für die Erdatmosphäre schädliche Gas Methan bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren.“

Nur zusammen

Michael Ebling, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), zieht folgendes Fazit: „Die Klimakonferenz hat noch einmal verdeutlicht: Solidarität ist ein elementarer Grundwert – gerade bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Bewältigung seiner Folgen. Das gilt global wie lokal. Wir sitzen alle in einem Boot, der Kampf kann nur gemeinsam geführt werden. Und: Wir müssen viel schneller werden, vor allem bei der Energie- und Wärmewende, die vor Ort in den Kommunen funktionieren muss.“ Beim Ausbau der erneuerbaren Energien, der Wärmewende im Gebäudebereich, Aus- und Umbau der Energieinfrastrukturen und der Verkehrswende stehen die Kommunen zumeist an erster Stelle. „Sie machen Klimaschutz vor Ort möglich und unterstützen die Bundesregierung dabei, die Klimaschutzziele zu erreichen. Damit es in Deutschland schneller geht, muss auch der europäische Rechtsrahmen stimmen. Wir ermutigen die EU-Kommission daher, das Wettbewerbs- und Beihilferecht noch stärker auf die übergeordneten Klimaschutzziele der Europäischen Union auszurichten.“

Was sagt die Wissenschaft?

Dr. Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik beim Öko-Institut und Mitverhandler für die EU zum Klima-Regelwerk sieht in dem Abschluss der Arbeit „gute Grundlagen“, allerdings mit zahlreichen Schlupflöchern. „Die Regeln können ganz klar missbraucht werden und die Bemühungen zum Klimaschutz untergraben.“ Allerdings setzen sie einen Mindeststandard – ein echter Kompromiss zwischen 190 Ländern. Nach Schneider geht es im Wesentlichen um die Übertragung alter Klimaschutzprojekte und Zertifikate aus dem Kyoto-Protokoll.

Wolfgang Obergassel vom Wuppertal-Institut betont die politische Zielsetzung, den Druck auf die Staaten zu erhöhen: „Dies ist zum Teil gelungen. Die globalen Emissionen müssen bis 2030 ungefähr halbiert werden, um eine reale Chance zu wahren, das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die bis zu Beginn der Konferenz vorgelegten Zusagen ließen jedoch nur eine Emissionsminderung von rund sieben Prozent erwarten. Die britische Regierung hat es geschafft, eine Reihe von Vorreiter-Allianzen zu wichtigen Klimaschutzthemen zu organisieren, beispielsweise zum Kohleausstieg, zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und zur Verringerung der besonders klimaschädlichen Methan-Emissionen.“

Sein Kollege Dr. Lukas Hermwille will nicht nur auf die beiden zurückliegenden Wochen blicken: „In den zurückliegenden zwei Jahren hat sich sehr viel bewegt. Besonders positiv war dies beim Thema Kohle. Immer mehr Länder haben den Ausstieg aus der Kohle angekündigt. Es war sehr mutig von der britischen COP-Präsidentschaft, dies schon sehr früh in die Entwürfe des sogenannten Glasgow-Klimapakts aufzunehmen. Mit aller Macht haben einige Staaten – allen voran Indien – versucht, das heraufbeschworene Ende der Kohle aus dem Entwurf heraus zu verhandeln oder zu schwächen. Aber es bleibt bei einem Meilenstein: Zum ersten Mal überhaupt wird explizit auf das Ende der Kohle in einem UNFCCC-Dokument Bezug genommen.“ Die Abschwächung „phase down“ statt „phase out“ sei nur eine Rettungsleine aus Spinnenseide für die Kohle.

Dr. Niklas Höhne Geschäftsführer des New Climate Institute, ist über das Regelwerk enttäuscht, weil jede einzelne Tonne Kohlendioxid zählt. Die tatsächlichen Ziele bis 2030 werden so nicht erreicht.

Sonja Peterson vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) wertet die Kohleambitionen als positives Signal, weil kleinteilige Details schwieriger als ein großen Rahmenabkommen zu vereinbaren sind: „Dieses Signal wird durch mehrere kleinere internationale Allianzen – etwa die Beyene Poil and Gas Alliance und die Powern Passt Cola Alliance – verstärkt und gibt Marktakteuren entscheidende Signale. Wichtig ist auch, dass der Fokus nicht nur auf CO2 lag – die Vereinbarungen zu Methan sind ein wichtiges Zeichen.“

Jouri Mogelei vom International Institute for Applied Science (IIASA) weiß, warum Glasgow als Erfolg bewertet werden darf: „Ich bin stolz, weil die Wissenschaft noch nie so stark in die COP-Entscheidungen eingeflossen ist. Sie bilden den Rahmen für die Dringlichkeit und die Erfordernisse der vor uns liegenden Herausforderung und informieren darüber. Ich bin hoffnungsvoll, weil viele Beschlüsse einen entscheidenden Schritt nach vorne bedeuten. Die Regeln für die Umsetzung des Pariser Abkommens sind nun beschlossen.“

Lesestoff:

[1] Alle Dokumenten finden Sie hier: https://unfccc.int/documents

Roland Krieg

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