Alternative zum Wachsen oder Weichen
Landwirtschaft
Mit Feldtagen Bauern zum Umstieg bewegen
Erstmals nach drei Jahren ist der Biosektor wieder deutlich gewachsen. Die vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zur BioFach herausgegebenen Zahlen weisen ein Flächenplus von 30.157 Hektar oder 2,9 Prozent auf 1.077.950 Hektar in Deutschland auf. Die Zahl der Biobetriebe wuchs sogar um vier Prozent auf 24.343 Höfe. Bio zieht noch immer. Obst und Wein liegen im Anbautrend, der leichte Rückgang der Ackerfläche wurde durch die Erhöhung der Tierzahlen ausgeglichen. Dennoch bleibt Fleisch das Stiefkind im Biohandel. Möglicherweise auch, weil Biokunden weniger Fleisch essen, als der konventionelle Durchschnittskunde. Bei etwas mehr als einem Prozent Marktanteil ist aber noch viel Luft nach oben.
Die Deutschen haben 2015 Bio-Lebensmittel im Wert von 8,62 Milliarden Euro gekauft. Den größten Anteil stellt der Lebensmitteleinzelhandel mit 55 Prozent und einem Wachstum von 13,2 Prozent auf 4,76 Milliarden Euro. Der Naturkostfachhandel besitzt einen Marktanteil von 31 Prozent, ist um zehn Prozent gewachsen und 2,71 Milliarden Euro umsetzen. Bäcker, Metzger und vergleichbare Fachgeschäfte kommen mit 1,15 Milliarden Euro Umsatz auf 13 Prozent und wachsen um 5,6 Prozent.
Auf der Erzeugerseite konnte die Branche mit stabilen Preisen im letzten und kann wohl auch im laufenden Jahr punkten. Die Milchpreise liegen um 100 Prozent über dem konventionellen Niveau.
Woher sollen die neuen Biobauern kommen?
Daher darf die EU-Ökoverordnung die Branche nicht ausbremsen, warnt Clemens Neumann aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Es dürfe keine eigenen Grenzwerte für Ökoprodukte geben, die Prozesskontrolle vor Ort müsse erhalten bleiben und eine Ökoagentur könnte die Harmonisierung in der EU und Standards durchsetzen, forderte Neumann. Eine frühe Ausarbeitung sollte für Klarheit sorgen – möglichst schon in diesem Sommer.
Felix Prinz zu Löwenstein vom BÖLW fordert die Bundesregierung auf, mehr für die Umsteller zu tun. Die Mittel in der zweiten Säule wurden deutlich gekürzt und einigen Ländern gehen die Unterstützungsetats aus. Löwenstein fordert den Bund auf, den möglichen vollen Satz von 15 Prozent aus der ersten in die zweite Säule umzuschichten.
Clemens Neumann will das nicht. Die Kürzung der Direktzahlungen hätte für die konventionellen Betriebe negative Folgen. Der Bund werde sich darauf nicht einlassen. Besser seien zweijährige Feldtage, auf denen Landwirte sehen, wie Ökolandwirtschaft wirklich geht und alles andere als Technikavers ist.
Auch die Branche selbst steht in der Pflicht. Bei den derzeitigen niedrigen Agrarpreisen fällt ein Umsteller zunächst einmal auf ein wirtschaftliches tieferes Niveau. Er muss seine Betriebsmittel auf „Bio“ umstellen, darf aber nur zu konventionellen Preisen verkaufen. Dennoch lehnt Prinz von Löwenstein eine Verkürzung der Umstellungszeit gegenüber Herd-und-Hof.de ab. In der Tierhaltung sind es nicht volle zwei Jahre und im Ackerbau können die Betriebe Futtermittel oder Saatgut anbauen und vermehren. Auch Braugerste biete sich als „Übergangsprodukt an“. Diese Lösungen müssten aus der Beratung kommen.
Fast jedes Land hat Bioanbau
Aktuell haben 172 Länder der Welt mindestens einen kleinen Anteil Bioprodukte. In der Fläche ist seit dem letzten Jahr allerdings kaum etwas hinzugekommen, sagte Markus Arbenz, Geschäftsführer von der International Federation of Organic Movement (IFOAM). Die Landwirtschaftliche Fläche beträgt derzeit 43,7 Millionen Hektar. Grünland dominiert mit 27,5 Millionen Hektar, gefolgt von 8,5 Millionen Hektar Ackerland und 3,4 Millionen Hektar Dauerkulturen.
Die Biobranche hat Gesellschaft bekommen. Mit beispielsweise der Better Cotton Initiative oder dem Round Table for Sustainable Soja haben sich vor allem bei Bulk-Produkten weltweit neue Standards etabliert. Arbens sieht darin keinen Wettbewerber, sondern eine Ergänzung zum Bio.
Mit Bio 3.0 entsteht eine neue Private Public Partnership, die im Rahmen der „Agenda 2030 ein Entwicklungsinstrument für die nachhaltige Ausgestaltung des Gemeinwohls wird.
Roland Krieg; Fotos: roRo
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