AMK: Die 20 Prozent sind vom Tisch

Landwirtschaft

Streitbare Agrarministerkonferenz in Landau in der Pfalz

Demo vor der AMK Landau 2019
Niemand war gut genug...

Mit 47 Tagesordnungspunkten hatte die Agrarministerkonferenz am Freitag in Landau in der Pfalz ein volles Programm vor sich und zeigte auf der Pressekonferenz, dass es auch ein streitbares Programm gewesen ist. Der dickste Brocken war die Reform der Dünge-Verordnung, die von Brüssel eingefordert war. Die Umsetzung erfolgt zwar über das Berliner Agrarministerium, die Federführung liegt beim Umweltministerium und die Verordnung wird vom Wirtschaftsministerium nach Brüssel eingereicht, wie Julia Klöckner es beschrieb. Im Gespräch war die pauschale Reduzierung von 20 Prozent der Düngung in den so genannten roten Gebieten, in denen die Nitratwerte im Grundwasser zu hoch sind. Mit 10 zu Null Stimmen lehnten alle Agrarminister diese Pauschalierung ab, weil sie auch den Gemüsebau und den Ökolandbau treffen würden. Die Agrarminister lehnten „eine nicht fachliche begründete Maßnahme und die Abschaffung der Herbstdüngung“ ab, erläuterte Volker Wissing, Landwirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz. „Die Flexibilisierung der Düngung in den roten Gebieten ist notwendig“, sagte Julia Klöckner. Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern betonte, dass er schon bei der Reform 2017 wusste, dass die Bundesvorschläge nicht ausreichend sind.

AMK Demo Landau 2019
... oder kann es jemals sein. Bauern-Demo in Landau

Damit die 20 Prozent auch wirklich fallen, hat Klöckner im Telefonat mit Umweltkommissar Karmenu Vella bereits signalisiert und ist auf Verständnis gestoßen. Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens ist mit einem Vertreter aus dem Umweltministerium heute bereits in Brüssel. Aus Brüssel kommen am Dienstag Referenten für weitere Gespräche.  Für die pauschale Minimierung von 20 Prozenten müssen hingegen „wirkgleiche Lösungen gefunden werden.“ Was sich genau hinter diesem Begriff verbirgt, wollte niemand verraten. Doch die Sichtweisen variieren je nach Bundesland, ob das Agraressort noch die Umwelt mit betreut oder nicht. Die gemeinsame Grundlage bezieht sich auf den Schutz des Grundwassers und auf eine ordentliche Ernährung der Pflanzen. Was das im Wesentlichen heißt, wird wohl ab Dienstag der kommenden Woche veröffentlicht. Betriebe, die besonders gewässerschonend wirtschaften, sollen von Maßnahmen in den betroffenen Nitratkulissen ausgenommen werden.

Volker Wissing
Volker Wissing (FDP / Rheinland-Pfalz)

Trotz Einstimmigkeit gab es drei Protokollerklärungen. Baden-Württemberg, Bayern, das Saarland und Sachsen wollen bei Betrieben mit weniger als 1,5 GV/ha auch auf eine Stoffstrombilanz verzichten. Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen beklagten, dass die neuesten Vorschriften Ende 2018 aus Berlin nicht mit den Ländern abgesprochen waren. Klöckner betonte allerdings, dass das Umweltministerium mit seiner Federführung dazu verantwortlich gewesen wäre. Die dritte Erklärung fasst die Dünge-Verordnung weiter als das Ausbringen von Nährstoffen. Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein wollen den Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtline, die Flächenbindung der Tierhaltung und die Biodiversitätsstrategie mit einbinden. Außerdem sollen alle Nährstoffe und in einer Internetdatenbank erfasst werden.

Pflanzenschutz

Das zweite große Thema war der Pflanzenschutz, bei dem es allerdings kein Beschluss gefasst werden konnte. Das Thema ist nach Volker Wissing außerordentlich komplex. Die Linie bewgt sich zwischen einem Pauschalverbot eines Wirkstoffes oder seiner differenzierten Anwendung, erläuterte Wissing. Das Thema werde künftig wichtiger, weil „wir in den nächsten Jahren mit neuen Schädlingen konfrontiert werden“, so Wissing. Die pauschale Ablehnung fördert Ernterisiken, ergänzte Klöckner. Die im Freiland verbotenen Neonicotinoide dürfen differenziert unter Glas eingesetzt werden. Priska Hinz aus Hessen betont, dass niemand Pflanzenschutzmittel generell ablehne. Es müsse jedoch gefragt werden, welche erlaubt seien, wie eine Zulassung zu widerrufen ist, wenn im Nachhinein neue Risiken festgestellt werden. Hinz beklagt, dass es beim Bund weder ein Insektenschutz- noch ein Glyphosatausstiegsprogramm gibt.

Julia Klöckner
Julia Klöckner (CDU / Berlin)

Das Umweltbundesamt hat einen neuen Ansatz für die Zulassung formuliert, nach dem das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit derzeit neue Zulassungen erst einmal nur bis Jahresende begrenzt: Die Zulassung soll an Biodiversitätskomponenten geknüpft werden. Deutliche Worte fand Peter Hauk aus Baden-Württemberg: „sachfremde Einwände dürfen nicht zugelassen werden. Hauk forderte das UBA auf, selbst zu prüfen, ob es mit dieser Forderung noch auf rechtssicheren Rahmen stünde.

Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

Skeptisch sind die Agrarminister mit der GAP-Planung, die durch den noch nicht feststehenden Mehrjährigen Finanzrahmen der EU behindert wird. Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern glaubt nicht an einer neuen Förderperiode vor 2023. Für den Übergangszeitraum müsse der gleiche Finanzetat zur Verfügung stehen. Von einem Strategieplan, den die Mitgliedsländer nach Brüssel entsenden müssen ist noch gar nichts zu sehen. Individuelle Ansprechpartner aus Brüssel stehen zur Verfügung. Sonst allerdings bleibt alles beim Alten, obwohl Klöckner zur GAP-Diskussion sagte „Da ist Musik drin.“ Deutschland stehe zur Konditionalität, will aber auch die im Rahmen der ersten Säule die Basis absichern. Der Kompromiss für die Umschichtung von Geldern aus der ersten in die zweite Säule bleibt für 2020 bei 4,5 Prozent. Priska Hinz bedauert, dass es für sechs Prozent keine Einstimmigkeit gab. Im Protokoll aber auch von Baden-Württemberg und Berlin unterstützt. Für Till Backhaus ist der Zustand der GAP-Diskussion „eine Katastrophe“, zumal er als einziger ein umfängliches Paket vorlegte. Die Frage, ob die wiesenpatenschaften nach dem bayerischen Volksbegehren nicht eine informelle dritte Säule darstellen, verneinte Julia Klöckner gegenüber Herd-und-Hof.de. Das sei sogar wünschenswert, wenn sich Landwirte und Verbraucher in einem neuen Gesellschaftsvertrag zusammenfinden. Eine höhere Umschichtung für Agrar- und Umweltmaßnahmen lehnte Volker Wissing ab, weil die Landwirte sich damit selbst finanzieren würden. Sie reduzierten damit ihre Grundsicherung. Alle gehen allerdings davon aus, dass Umweltmaßnahmen nur eine Ausgleichsleistung sind und daher nicht einkommensrelevant wären. Würden die Mittel beispielsweise für den Ökolandbau genutzt, wären sie nach Hinz auch gut angelegt. Immerhin, so wie es ist, könne es nicht bleiben, räumte Wissing ein. Backhaus fordert einen „Paradigmenwechsel“, für den er mit seinem Modell schon viel Kritik hat einstecken müssen. Die gesellschaftlichen Leistungen müssen eben lohngerecht finanziert werden. Der Landwirt produziert nicht mehr nur Lebensmittel allein, sondern zunehmend auch sauberes Wasser und Kulturlandschaft. Pauschale Ausgleichszahlungen werde es künftig nicht mehr geben, prognostiziert er.

Till Backhaus
Till Backhaus (SPD / Mecklenburg-Vorpommern)

Tierhaltung

Bei den Tiertransporten sind nach gerichtlichen Auseinandersetzungen die Länder zuständig. Mehr als das Einfordern von Kontrollen sind derzeit nicht möglich. Zumindest sollen Veterinäre über das Internet die Plausibilität eines Transportes in Drittländer überprüfen können. Im Drittland selbst können die Länder allerdings nicht aktiv werden. Backhaus fordert dazu den Bund zur Überprüfung der Haltungsbedingungen auf. Priska Hinz fordert für den Verkauf von Zuchtfortschritten auf den Transport der Tiere zu verzichten. Mit der künstlichen Besamung sei eine größere Reichweite zu erzielen.

Die Afrikanische Schweinepest bedroht die Schweinehaltung in Deutschland. Den Sachstand und die Vorbereitungen für einen Ausbruch schätzen die Länder als gut ein. Der Bund müsse mit der Wirtschaft allerdings noch Gespräche führen, wie gesunde Tiere aus Restriktionsgebeiten ohne Diskriminierung ausgeführt werden können. Die Untersuchung dieser Tiere sind kostenintensiv. Der Bund solle eine finanzielle Unterstützung in Betracht ziehen. Womöglich sei eine Kofinanzierung durch die EU realisierbar. Restriktionen betreffen auch in den Regionen wirtschaftende Ackerbaugebiete. Zum Herbst soll der Bund auch über deren Folgen eine Abschätzung vorlegen.

Peter Hauk
Peter Hauk (CDU / Baden-Württemberg)

Zuckerrüben

Der Preisverfall bei Zucker und das Schließen von Fabriken in der übernächsten Kampagne sorgt auch die Agrarminister. Viel können sie nicht tun. Sie fordern die Bundesregierung auf, gekoppelte Zahlungen in elf Mitgliedsländern und verschiedene Notfallzulassungen für Neonicotinoid-Beizungen zu verhindern, weil das den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerrt. Lösung könnte auch die Öffnung der privaten Lagerhaltung für Zucker sein.

Erweiterung der GAK

Für die Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) auf andere Bereiche außerhalb der Landwirtschaft und Bildung einer Gemeinschaftsaufgabe Ländliche Entwicklung sieht es schlecht aus. Dazu muss mit einer Zweidrittelmehrheit das Grundgesetz geändert werden. Doch selbst innerhalb der Union gibt es dazu keine Mehrheit. Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen lehnen das in einer Protokollerklärung ab. Die anderen Bundesländer wollen dazu ein gesamtdeutsches Fördersystem inklusive Mittelaufstockung schaffen.

Priska Hinz
Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen / Hessen)

Wald und Wolf

Die Waldschäden durch die Trockenheit im Jahr 2018 und die anstehende Borkenkäferplage sorgt die Agrarminister. Backhaus will im Schadenausgleichsgesetz auch die Wiederaufforstung finanziert sehen. Peter Hauk ergänzt: „Es entsteht eine Umweltkatastrophe von ungeahntem Ausmaß.“ Mit dem Verlust der Bäume gehe auch eine Kohlenstoffsenke verloren.

Das Thema Wolf wurde gestrichen, weil es zeitgleich im Bundesrat anhängig ist.

Agrardiesel

Die Agrarminister haben beschlossen, dass Schäfer in den Genuss des begünstigten Agrardiesels kommen sollen, Imker haben den bereits erhalten. Eine Steuervergünstigung soll künftig auch für alternative Antriebe gelten.

Roland Krieg; Fotos: roRo

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