AMK wehrt sich gegen Health Check

Landwirtschaft

Milch: Politik hält sich raus – Milchgipfel später

Gleich als die EU ihren Legislativvorschlag zum Health Check der Agrarreform von 2003 vorgelegt hat, kündeten die Agrarminister eine Sondersitzung an. Die fand gestern unter dem Vorsitz des sächsischen Agrarministers Dr. Roland Wöller statt und führte aus aktuellem Anlass das Thema Milch oben in der Tagesordnung.

Health Check geht zu weit
Ziel der Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) ist die Abstimmung aller 16 Bundesländer über ihre strukturellen Unterschiede hinweg, damit Bundesagrarminister Horst Seehofer im Herbst Deutschland bei der Diskussion über den Health Check mit einer Stimme vertreten kann. Das brachte die Sitzung gestern in Berlin zustande. Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, sagte, dass die 19 ausgeführten Punkte ohne weitere Protokollnotiz zustande gekommen sind. Für die Planungssicherheit der Bauern im Finanzrahmen bis 2013 sollen keine weiteren „ungerechtfertigten Kürzungen“, so Wöller durchgeführt werden. Seehofer sagte, dass Vertrauen in den Finanzrahmen die Voraussetzung für Investitionen sei, weswegen die Modulation, „ob progressiv oder degressiv“, abgelehnt werde. Den vorliegenden Health Check der Kommission bezeichnete Backhaus als Reform, bei der die großen Betriebe in Ostdeutschland am meisten betroffen seien. Würde sie umgesetzt, wäre es die „einzige Verordnung der EU, die eine einseitige Benachteiligung einer ganzen Region“ nach sich ziehe. Den Verlust für die mecklenburgischen Betriebe in Höhe von 46 Millionen Euro, müsste die Landeskasse mit 16 Millionen Euro versuchen auszugleichen: „Das können wir uns nicht leisten.“
Die Einstimmigkeit der Beschlüsse unterstrich auch Nordrhein-Westfalens Agrarminister Eckhard Uhlenberg für die von der CDU regierten Länder: Trotz der strukturellen Unterschiede stärke das Papier die gemeinsame Verhandlungsposition im Herbst. Er begrüßte ausdrücklich den EU-Vorschlag, die Flächenstilllegung abzuschaffen, um der Nutzungskonkurrenz entgegenzuwirken.
Soweit hat die Sonder-AMK nichts neues gebracht.

En detail
Die seit der Agrarreform laufende Entkoppelung der Direktzahlungen habe sich für Deutschland bewährt, „weil sie den Landwirten eine stärkere Ausrichtung ihrer Produktion an den Erfordernissen der Märkte ermöglicht.“ Bei den Cross-Compliance-Regelungen werden Vereinfachungen verlangt. Neue Standards und Rechtsbereiche sollen nicht mehr aufgeführt werden. Die Bundesländer sind sich darüber einig, dass nicht für jeden Standard der Guten Fachlichen Praxis ein Prüfkriterium vorhanden sein muss. Wegen zu erwartender Preisschwankungen auf den Agrarmärkten „müssen fakultative Marktstabilisierungsmaßnahmen als Sicherheitsnetz weiterhin erhalten“ bleiben. Positive ökologische Effekte der Flächenstilllegung seien weiterhin möglich, durch weiterhin mögliche Stilllegung und durch anderweitige Agrarumweltmaßnahmen im Rahmen der zweiten Säule.

Milch im Health Check
Seehofer war es wichtig, die derzeit aktuelle Situation auf dem Milchmarkt von den Regelungen im Health Check zu unterscheiden. Er verglich den Lieferstreik der Milchbauern mit der Tarifautonomie der Industrie und Gewerkschaften. Die aktuelle „Preisfindung“ zwischen Molkereien, Lebensmittelhandel und Bauern ist Aufgabe der Wirtschaft. „Da gehört sie hin. Es ist hoch zu begrüßen, dass seit gestern wieder Gespräche stattfinden“, sagte Seehofer. Er appellierte an die Gelassenheit und Verantwortung der Marktbeteiligten und ermahnte die Streikenden, ihren Protest auf rechtliche Füße zu stellen.
So bemängelten die Bundesländer erneut das Fehlen eines Konzepts im Health Check zum Quotenausstieg 2015. Speziell die Milchbauern „in topographisch schwierigen Lagen“, so Seehofer, brauchen einen Milchfonds als Begleitprogramm. Die von der EU schrittweise vorgeschlagene Quotenerhöhung für die sanfte Landung nach 2015 lehnen die Länder ab. Für ein aktuelles Gesamtkonzept könnte eine europaweite Saldierung der Milchanlieferungsmenge zum Tragen kommen, das Absenken der Superabgabe bei Überlieferung und regelmäßige Marktanalysen zur besseren Steuerung der Milchproduktion.
Eckhard Uhlenberg sieht in der Nachfragesteigerung eine Hilfestellung, wie es das Milchschulprogramm in Nordrhein-Westfalen generiert.

Lieferboykott eskaliert
Seit dem Wochenende haben Milchbauern nicht nur ihren Lieferstreik fortgesetzt, sondern auch durch Straßenblockaden andere Bauern daran gehindert, ihre Milch abzuliefern. Mehrere Straßensperren wurden von der Polizei geräumt, auf der Agrarministerkonferenz überlegte Agrarminister Dr. Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern laut, dass Blockierer Schadensersatzpflichtig gemacht werden könnten. Nordmilch hat bekannt gegeben, dass lieferwillige Bauern bis zu 12.500 Tonnen Milch wegschütten müssten.
Derweil haben die Gespräche am Sonntag Abend zunächst folgende Ergebnisse gebracht:
Beginnend am Montag wollen die Bauernvertreter die Preise für Milch und Milchprodukte zusammen mit dem Handel auf den Stand vor dem 21.04.08 anheben. Die Molkereien wollen die Gespräche mit dem Handel führen.
Über die am Montag geführten Gespräche wurde von allen Seiten Stillschweigen vereinbart. Rewe und Aldi signalisieren nach Angaben der AP Gesprächsbereitschaft.
Zur Mäßigung rief gestern der Bundesverband der Verbraucherzentralen auf. Die Forderungen der Milchbauern seien gerechtfertigt. Aber, so Vorstand Gerd Billen: „Milch muss für alle Konsumenten bezahlbar bleiben. Die geschröpfte Kaufkraft der Verbraucher darf in den aktuellen Auseinandersetzungen nicht aus dem Blick geraten.“ Strom, Gas und Sprit hätten den Privathaushalt zuletzt stark belastet. Gerade beim Lebensmittel Milch dürfe es keine Lieferengpässe geben, sagte Billen weiter.
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Milchgipfel angekündigt
Bis auf die guten Wünsche für ein baldiges Ende des Milchlieferstreiks äußerten sich die Minister nicht zum aktuellem Streik. Nur, dass es drängt, wurde spürbar, als Backhaus formulierte, in seinem Land werden alle Molkereien bestreikt.
Sobald jedoch die Beteiligten eine Einigung erzielt haben, lädt Seehofer zu einem Milchgipfel. Hintergrund ist die Ländererkenntnis, dass der niedrige Milchpreis strukturell verursacht ist. Deshalb sollen auf dem Milchgipfel politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Preise gerecht und fair sind. Helfen sollen dabei ausdrücklich der Deutsche Bauernverband und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, die unterschiedliche Haltungen zur Milchquote haben. Die Politik will Lösungen präsentieren und keinen Aktionismus betreiben, erklärt Seehofer die politische Enthaltsamkeit im Milchstreik. Auch in der Bauernschaft gibt es unterschiedliche Meinungen und Backhaus ermahnte, dass die Bauern, die ihre Lieferverträge einhalten wollen, das auch ungehindert tun dürfen sollten. Für die Zukunft soll für Deutschland, der EU und im Health Check ein Rahmen geschaffen werden, der den Molkereien eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Handel bringt. „Wir haben aber keine Planwirtschaft“, sagte Seehofer. Die Politik kann nicht die Anzahl der Molkereien festlegen. Seehofer „liegt an der Einheit der Bauern“ sehr viel. Auf dem Milchgipfel soll „über alles geredet werden.“ Gegen den Quotenausstieg hat in der EU neben Deutschland nur noch Österreich votiert. Seehofer ließ sich nicht in die Karten gucken, ob neue Verbündete in Aussicht stehen.

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