"An der Humusschicht orientieren"

Landwirtschaft

Grüne Bilanz der Agrarpolitik

Zum Auftakt der Grünen Woche zogen Verbände eine kritische Bilanz zu einem Jahr schwarz-roter Agrarpolitik. Die vormalige Landwirtschaftsministerin Renate Künast sieht eine spannende Verbrauchermesse voraus.

Reformaufgaben
Die Landwirtschaft habe es nötig, an den Herausforderungen der Zukunft ausgerichtet zu werden. Dazu zählt Künast eine flächendeckende Landbewirtschaftung, Vielfalt in der Produktion und Vielfalt an Lebensmitteln. Nur durch die Akzeptanz der Bevölkerung lässt sich eine weitere finanzielle Unterstützung erklären. Für die Bereiche der nachwachsenden Rohstoffe sieht die Fraktionsvorsitzende des Bündnis90/Die Grünen eine weltweite „Zertifizierung als nächsten Schritt“. Wenn für die Gewinnung von Palmöl Regenwald gefällt werde, dann ist das eine negative CO2-Bilanz, die nicht hingenommen werden kann. Die Landwirtschaft solle zum Klimaschützer gemacht werden: „Wir müssen uns an der Humusschicht orientieren“.“
Heute bereits müssen die Weichen für die Zeit nach 2013 gestellt werden, wenn die aktuelle Förderperiode auslaufen wird. Ein Grundsatz ist dabei die Einbeziehung des Faktors Arbeit in die Finanzierungsrichtlinie.
Zu der auch gestern stattgefundenen Vorstellung des kritischen Agrarberichtes 2007 führte Milchbauer Bernd Voß aus Schleswig-Holstein dazu folgendes aus: „Im Durchschnitt gehen jährlich rund 8.000 Euro pro Arbeitskraft an die Bauern. Flächenstarke Höfe mit wenig Arbeitskräften können jedoch bis zu 120.000 Euro pro Arbeitskraft erhalten.“ Diese Ungleichverteilung sei keinem Steuerzahler zu erklären, so Voß.

Industrialisierung ist kein Strukturwandel
Lutz Ribbe von Euronatur definierte zwei Agrarpolitiken. Die der EU wolle die Betriebe fit für den Wettbewerb machen, damit sie die Kostenführerschaft übernehmen können. Dafür stehe die so genannte 1. Säule der Agrarzahlungen, die den Bauern Geld für die Produktion gibt. Die andere Politik spiegele sich, so Ribbe weiter, in der so genannten zweiten Säule der Finanzierung wieder, bei der Umweltmaßnahmen und die Förderung des ländlichen Raumes unterstützt wird. Das sei die Zukunft und er forderte die Bundesländer auf, Mittel aus der ersten in die zweite zu überführen (Modulation).
Jochen Dettmer von Neuland e.V. sieht die Industrialisierung der ostdeutschen Landwirtschaft als „Spielwiese der Agrarpolitik“. Im Bereich der Schweinehaltung gibt es Betriebe in Hassleben mit 85.000, in Allstedt und Mahlwinkel mit jeweils 80.000 und in Gerbisbach mit 28.000 Plätzen. Der in Planung befindliche Schlachthof in Weissenffels wird täglich 23.000 Schweine verarbeiten können. Diese Form der Industrialisierung habe mit dem üblichen Strukturwandel nichts mehr zu tun.

Rückschritt ins Stolpern gekommen
Die „kritische Bilanz“ der Verbände hatte die vorige Amtszeit Renate Künasts als Referenzsystem. Herd-und-Hof.de wollte wissen, wie die Bilanz hätte ausfallen müssen, würde die Zeitspanne zwischen den Amtsinhaber Kiechle und Funke herangezogen? Bärbel Höhn, zuständig für Umwelt, Verbraucher und Verkehr, wollte mit keinem positiven Resultat herausrücken, was seit dem beim ökologischen Landbau erreicht wurde. Vielmehr sieht sie, dass Seehofer seine Politik in diese Zeitfenster zurückführen möchte. Allerdings merke er, dass das nicht so einfach ist, denn die Verbraucher machen mit ihrem Einkaufsverhalten nicht mit. Lutz Ribbe blickte in diesem Zusammenhang auch auf die Grüne Woche: „Die Messe verkommt immer mehr zu einer Agro-Peep-Show.“ Der Erlebnisbauernhof spiegele die Wirklichkeit auch nicht wieder. Das QS-Siegel des Handels und viele Markenfleischprogramme beinhalteten keine wirkliche Qualität. Renate Künast assistierte: Der Handel werde sich in Qualität und „billig-billig“-Produkte aufspalten.

Der kritische Agrarbericht
Mit dem Slogan „Neue Regierung auf alten Wegen“ wird auch „Der kritische Agrarbericht 2007“ eingeleitet, den das Agrarbündnis seit 1993 veröffentlicht und zum Messeauftakt vorgestellt wird. Den Autoren geht es dabei nicht nur um Kritik, sondern um positive Beispiele im Trend zu regionalen Produkten und erneuerbaren Energien. Vor allem müsse man aufpassen, dass der Biomasse-Boom ökologisch und fair bleibe, sagte Mitautor Frieder Thomas.

Der Schwerpunkt ist in diesem Jahr die Agro-Gentechnik, die jedoch nicht nur eigenständig das Kapitel 8 ausmacht, sondern durch Beiträge in anderen Kapiteln über die soziale Lage, Welthandel, Regionalentwicklung oder Verbraucher begleitet wird. Wer generell in die Thematik einsteigen will, wird hier nicht von Zahlen und Tabellen erschlagen, sondern erfährt in dem Bericht Zusammenhänge entlang der Wertschöpfungskette, die einzelne Nachrichten kaum vermitteln können.
Der kritische Agrarbericht erscheint im AbL-Verlag, hat 288 Seiten und kostet 19,80 Euro. Er kann online unter www.bauernstimme.de bestellt werden.

roRo

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