Anpassung BSE-Schutzmaßnahmen

Landwirtschaft

Tagung auf Riems über BSE und Vogelgrippe

Während die Vogelgrippe die Schlagzeilen beherrscht, ist es um eine andere Krankheit sehr ruhig geworden. Auch die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) sorgte vor einigen Jahren für dramatische Bilder und Schreckensszenarien unter der Bevölkerung, weil das veränderte Protein bei Menschen die vCJD auslösen kann. Zuletzt hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eine Einschränkung zurückgenommen, für die Herstellung von Gelatine nicht mehr Rinderknochen zu verwenden, die von Tieren stammen, die älter als 12 Monate sind.

Bund-Länder Klausur im FLI
In dieser Woche trafen sich die Staatssekretäre der für die Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit zuständigen Landesministerien mit dem BMELV und Wissenschaftlern zu einer zweitätigen Klausur auf der Insel Riems, nördlich von Greifswald. Das ist der Sitz des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), des nationalen Referenzlabors für BSE und aviäre Influenza, das die wissenschaftliche Expertisen zur Risikobewertung aus Sicht der Tiermedizin an die Bundesregierung erstellt.
Ursprünglich war geplant gewesen, so Staatssekretär Gerd Lindemann aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), die Haltung zu BSE "neu zu positionieren und über die weiterführende Vorgehensweise" zu beraten. Aus aktuellem Anlass wurde zusätzlich über die Vogelgrippe konferiert.

BSE-Testalter rauf
Generell sind die Zahlen für BSE-Erkrankungen rückläufig. 2001 waren es in Deutschland 125 Fälle, im letzten Jahr nur noch 32 Tiere. Vor diesem Hintergrund bewerteten die Wissenschaftler das Verfütterungsverbot von tierischem Eiweiß als wirkungsvoll. Zwei Maßnahmen werden jetzt angepasst:
Testalter rauf: In der EU gilt ein Mindestalter für BSE-Tests von 30 Monaten. Nur in Deutschland wurde aus wissenschaftlichen Empfehlungen heraus auch im Alter zwischen 24 und 30 Monaten getestet. In den vergangenen Jahren wurden nur zwei Tiere unter 30 Monate positiv mit BSE getestet und die Tiere sind mittlerweile alle nach dem Fütterungsverbot geboren worden. Die Risikobewertung des FLI zusammen mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat ergeben, dass "die Erhöhung des Testalters ohne eine messbare Risikoerhöhung für Verbraucher möglich ist", begründete Lindemann die Entscheidung. Die Bundesländer haben sich dem angeschlossen.
Keine Kohortentötung mehr: Bislang ist die Kohortenlösung im Zeitverlauf mehr und mehr umstritten geworden. Alle Tiere in einer Herde, die im gleichen Zeitraum geboren wurden, mussten getötet werden - auch wenn sie kein BSE nachweisbar in sich getragen haben. Dem haben die Experten jetzt ein Ende bereitet. Gesunde Tiere der gleichen Kohorte des infizierten Tieres, sollen leben bleiben. Dr. Karl Otto Kreer aus dem Ministerium Mecklenburg-Vorpommerns fügte hinzu, dass diese Tiere weiterhin für die Zucht und für die Milchproduktion genutzt werden können. Prof. Dr. Thomas Mettenleiter, Präsident des FLI, bestätigte daraufhin, dass "von der Milch keine Gefahren ausgehen". Wenn die auf diese Weise weiterhin genutzten Tiere geschlachtet werden oder eines natürlichen Todes sterben, dann allerdings wird das Fleisch nicht zur Nahrungsmittelproduktion verwendet.
Die Tagung hat auch das Verbot der Fettfütterung bestätigt, obwohl die EU dieses nicht aufrecht erhalten sehen will. Da muss die Bundesregierung sich gegenüber der Gemeinschaft positionieren, sagte Lindemann. Allem voran steht die Lebensmittelsicherheit und das Vertrauen der Verbraucher, so Dr. Friedrich-Otto Ripke aus dem niedersächsischem Ministerium.

Entscheidung am POS
Die Verwendung von Rinderknochen allen Alters für die Gelatine-Produktion und die beiden beschlossenen Anpassungen zeigen einen überraschenden Weg der BSE-Maßnahmen. Den Verbrauchern sind die dramatischen Fälle der BSE-Krise sicher noch im Gedächtnis, obschon der Fleischverbrauch fast wieder auf dem Niveau der Vor-Krisen-Zeit ist. Den Änderungswünsche im Rahmen dieser Krankheit zu einer wiederkäuergerechteren Haltung und Fütterung, sowie einer über eine Agrarwende zu erreichenden Konsumwende mögen die neuen Regeln den Eindruck vermitteln, dass man wieder auf dem Weg ist, so weiter zu machen, wie vor dem BSE.
Das dem nicht so sein muss fasste Staatssekretär Arnold aus Baden-Württemberg zusammen. Das Verbot der Fütterung tierischen Eiweiß´ bleibt bestehen, Risikomaterial wird im Schlachthaus weiterhin entfernt und der Schnelltest hilft, erkrankte Tiere sicher zu identifizieren. Letztlich entscheidet der Verbraucher über die aktuellen Maßnahmen und Produktionsrichtungen an der Kasse (Point of Sale - POS).

Vogelgrippe in Afrika
Prof. Mettenleiter sieht durch die aktuellen Vogelgrippefälle in Afrika die allgemeinen Befürchtungen bestätigt. Da die Zugvögel den Virus weltweit verbreiten, muss er auch an ihrem Sommerziel in Afrika einmal auftreten. Für die Experten keine Überraschung. Er sieht allerdings seine Vorsichtsmaßnahmen bestätigt, das Geflügel in Deutschland zum 01. März aufzustallen. Wenn erkrankte Tiere bis in den Süden gelangen können, dann können sie auch den Rückflug überstehen. Das BMELV teilt nicht die Einschätzung, dass erkrankte Tiere zu schwach für so einen langen Flug sind. Lindemann beschrieb auch die Gefahr, dass die Vögel sich beim Vogelzug innerhalb des Schwarmes anstecken können.
Die aktuelle Situation fasste Mettenleiter knapp zusammen: Das Virus ist nicht in Deutschland; alle Erkrankungen und Todesfälle bei Menschen gehen auf den direkten Kontakt mit erkranktem Geflügel zurück; es gibt keine Anzeichen für eine Pandemie, "da ist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf der Hut."
Dr. Ripke sieht in dem kommenden Aufstallungsgebot nicht nur die Interessen der Freilandhalter geschützt: Müssten die beiden größten Geflügelhalter aus Niedersachsen ihre Betriebe schließen, dann stehen bundesweit die großen Discounter ohne Ware da. Der Aufwand und das Risiko muss von allen getragen werden.
UN-Generalsekretär Kofi Annan sieht die Gefahr in Afrika in der freien Haltung des Geflügels, dass zwischen und in den Häusern der Menschen herumläuft. Neu sind daher nicht Hinweise, die Hinterhofhaltung in andere Formen zu überführen, die dem Geflügel mehr Schutz bietet. Danach befragt, bestätigt Mettenleiter gegenüber Herd-und-Hof.de, dass es mehrfach solche Überlegungen gibt. Man müsse sich allerdings fragen, ob es auch Sinn macht. Hongkong hat Kleinhaltungen jetzt verboten. Eine Übertragung auf ganz China wird sich aber auf der Großfläche gar nicht realisieren lassen. Das müsse immer vor dem gesellschaftspolitischen Hintergrund gesehen werden. Die Tiere haben für die Kleinhalter allermeist eine große wirtschaftliche Bedeutung. Lindemann fügte in dem Zusammenhang noch hinzu: "Die Türkei hat die Situation nicht im Griff." Bedeutsamer ist für Mettenleiter der Aufbau und die Stärkung von Veterinärstrukturen vor Ort.

roRo

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