Antibiotika-Einsatz wird neu geregelt

Landwirtschaft

Aigners Maßnahmeplan zum Antibiotikaeinsatz

Anlassbezogen hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner am Mittwoch einen Aktionsplan zu Antibiotika in der Tierhaltung vorgelegt. Hintergrund ist eine Studie des Landes Nordrhein-Westfalen über den Antibiotikaeinsatz in der Hähnchenmast. Landwirtschaftsminister Johannes Remmel hatte bereits im Frühjahr die Studie angekündigt. „Wir haben in der Tiermast ein Antibiotika-Problem“, sagte er am Mittwoch. Vor allem geht es um die „metaphylaktische“ Anwendung, bei der dem ganzen Tierbestand Antibiotika verabreicht werde, obwohl nur ein Einzeltier erkrankt ist. Bei diesen Tieren übernimmt das Antibiotika die Rolle eines Wachstumsförderers mit dem Nebeneffekt, dass in der Tierhaltung die Bakterien gegen die Wirkstoffe immer resistenter werden.

Die Maßnahmen

Aigners Paket will die eingesetzte Antibiotikamenge besser erfassen und die Datennutzung neu regeln. Die zuständigen Länderbehörden sollen dann den Einsatz auf den Betrieben besser überwachen können.
Zuvor stellte Aigner aber klar, dass Antibiotika zur Bekämpfung in der Tierhaltung bei kranken Tieren eingesetzt werden dürfen. Dafür gebe es klare Vorschriften im Arzneimittelgesetz.
Sowohl im Arzneimittelgesetz (AMG) als auch in der DIMDI-Arzneimittelverordnung (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) sollen die Informationen über die Verbrauchsmengen so aufbereitet werden, dass die Länder sie zu Monitoringzwecken verwenden können. Vollständig aufgenommen werden sollen die Daten über den Einsatz in Geflügelbeständen. Für Rinder und Schweine sind sie bereits verpflichtend.
Veterinäre sollen sich künftig stärker an der Antibiotika-Richtlinie der Bundestierärztekammer halten. Ab 2012 soll es eine Datenbank geben, die nach Postleitzahlen anzeigt, wo besonders intensiv Antibiotika eingesetzt werden. Zur Gewährleistung hat das Ministerium eine Arbeitsgruppe „Antibiotika-Resistenz“ gegründet.

Aigner – Remmel

Johannes Remmel begrüßt den Maßnahmeplan, weist aber darauf hin, dass die Ministerin sich in diesem Jahr gegen die vorzeitige Aufnahme der Daten aus den Geflügelbeständen ausgesprochen hatte. Diese seien aus Datenschutzgründen nicht freigegeben worden, so Remmel und sieht in dem Maßnahmekatalog eine Kehrtwende Aigners. Das Thema Antibiotika gewinne vor allem wegen der steigenden Anzahl an Resistenzen an Bedeutung. Das hatte auch der Resistenzbericht der Europäischen Lebensmittelbehörde1) in diesem Jahr untermauert.
Umgekehrt forderte Aigner Remmel über den NDR auf, nicht ständig nach neuen Regeln zu rufen: „Er muss erst einmal die bestehenden Instrumente in aller Konsequenz anwenden und seinen eigenen Stall ausmisten. Wenn er will, kann er sofort handeln.“

DBV verwundert

Der Deutsche Bauernverband (DBV) ist angesichts des Schlagabtausches und des Maßnahmenkataloges „verwundert“. Hier entstehe der Eindruck, dass Rückverfolgbarkeit und Transparenz bei einer Behandlung von Tieren nicht gewährleistet sei. Seit zehn Jahren allerdings besteht die Verpflichtung, den Einsatz von Arzneimitteln zu dokumentieren. Qualitätssicherungssysteme stellten sicher, dass Antibiotika nur regelkonform eingesetzt würden.
Ähnlich hatte sich Richard Ashworth von den europäischen Konservativen am 11. Mai 2011 im Europäischen Parlament geäußert. Gewöhnlich ist der prophylaktische Einsatz von Antibiotika in Qualitätssystemen verboten oder eingeschränkt. Er sagte aber auch: „Der wahllose Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft ist allen Landwirtschaftsformen, ob groß oder klein, gemein bzw. stets gemein gewesen.“
Paolo De Castro, Vorsitzender des EU-Agrarausschusses, stellte fest, dass in Europa rund die Hälfte der verschriebenen Antibiotika Tieren verabreicht werden. Es gehe nicht darum, den Einsatz von Antibiotika zu verteufeln, aber den Einsatz effektiv und korrekt zu gestalten. Damit könne die Resistenzbildung gebrochen werden. Der EU-Aktionsplan zum Tierschutz stellt den Zusammenhang zwischen Tierschutz, Gesundheit der Tiere und öffentlicher Gesundheit her. Daher soll die gesamte Medikamentation erfasst und analysiert werden, so De Castro.
EU-Gesundheitskommissar John Dalli versprach am 15. Juli 2011 die Revision der gegenwärtigen Gesetzgebung hinsichtlich auf den Einsatz von Tierarzneien. „Die Begutachtung wird sich auf das Thema Antibiotika-Resistenz in Verbindung mit dem Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung beziehen.“

Antibiotikatag und Tiermehl

Die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) schätzt, dass weltweit rund 20 Prozent der Nutztiere jedes Jahr durch Krankheiten verloren gehen. Das sei besorgniserregend, weil der Bedarf an Nutztieren bis zum Jahr 2050 weiter deutlich steigen wird. Antibiotika können helfen, die Tierverluste zu verringern. Auch der Klimawandel sorgt in Europa für eine Verbreitung neuer Krankheitserreger, die medikamentös behandelt werden müssten.
Am 18. November will die EU zum Europäischen Antibiotikatag ihre Vorschläge vorstellen, den Einsatz von Antibiotika wirksam auf ein effizientes Maß zu minimieren. Der europäische Bauernverband Copa-Cogeca begrüßt die europäische Aufmerksamkeit für dieses Thema. Doch damit ist die Tiergesundheit alleine nicht zu retten. Copa-Cogeca-Generalsekretär Pekka Pesonen erläutert: „Gute Hygiene, ordentliches Futter, ein gutes Haltungssystem und gutes Management sind viel bessere Strategien für die Tiergesundheit.“ Erst danach sollen Antibiotika eingesetzt werden, wenn ein Tier dennoch krank wird.
Paolo De Castro wünscht die Überprüfung des Verbotes von Tiermehl auch aus dieser Sicht. Einige Studien hätten gezeigt, dass das Auftreten von Krankheiten mit dem Einsatz von Futtermitteln mit niedrigen Energiegehalten in Verbindung stehen könnte. Mehr Krankheiten bedeuten auch mehr Antibiotika.

Lesestoff:

1) EFSA-Resistenzbericht

Zeitgemäß, aber unabhängig vom Geschehen, veranstaltet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am 23. und 24. November 2011 das 10. BfR-Forum Verbraucherschutz zum Thema Antibiotika-Resistenzen (www.bfr.bund.de)

Remmel wehrt sich gegen die metaphylaktische Antibiotika-Medikamentation

Antibiotikaresistenz auf dem Weltgesundheitstag 2011 und die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART

Roland Krieg

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