Antibiotika-Gutachten der europäischen Grünen

Landwirtschaft

Umsetzung der Antibiotika-Reduzierung

„Tiere bekommen Antibiotika – Bakterien werden resistent – Bakterien gelangen über das Fleisch zum Verbraucher – Resistente Bakterien machen Krankheiten nicht behandelbar“. Hinter dieser einprägsamen Argumentationskette verbirgt sich ein komplexes Thema. Es geht nicht nur um die Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes, sondern ganz konkret um die Mittel der Umsetzung. Morgen tagt dazu erneut der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag zur Novelle des Arzneimittelgesetzes. Nach zweimaliger Verschiebung, was auf einen schwierigen Prozess hindeutet [1].

Kosten und Nutzen

Die Niederlande haben mit ihrem Reduktionsprogramm schnell auf die Klagen der Humanmedizin reagiert. Antibiotikaresistenzen verursachen jährlich rund 25.000 Tote in Europa und zusätzliche Gesundheitsausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden Euro.
Die hohe Verabreichung von Antibiotika in der Tierhaltung ist nach einer niederländischen Studie aber auch ein einträgliches Geschäft und machen bei Geflügel, Kalb und Schwein zwischen 20 und 25 Prozent des Gewinns bei Veterinären aus. Zwischen diesen beiden Polen will das Arzneimittelgesetz vermitteln.
Die Studie von Dr. Kathrin Birkel im Auftrag des Grünen-Abgeordneten im Europaparlaments, Martin Häusling, hat der BUND am Montag in Berlin vorgestellt. Den Grünen ist die Koordination zwischen den Ländern unzureichend und das Verbot der Antibiotika-Abgabe zu Wachstumszwecken seit 2006 werde zu wenig kontrolliert und bei Verfehlungen noch weniger sanktioniert.

Ländervergleich

Das Gutachten hat die drei Länder Niederlande, Dänemark und Deutschland verglichen. Die Dänen kommen als Vorbild zunächst einmal gut weg. Ein Reduzierungsprogramm gibt es seit 1995, ein ausführliches Dokumentensystem seit 2001 und konkrete Verbote für Antibiotika, die auch in der Humanmedizin wichtig sind. Bis 2009 stieg der Antibiotikaverbrauch allerdings um ein Drittel wieder an. Dänemark reagierte mit einem Ampelkartensystem für Betriebe. Seit 2011 sind jedoch wieder vermehrt resistente Keime zu finden, die möglicherweise auf den Einsatz von Breitbandantibiotika zurückzuführen sind.
Die Niederlande haben 2009 klare Senkungsziele vorgegeben und eingehalten. Dennoch sind resistente Keime in den Herden zu finden. Studien weisen darauf hin, dass die allgemeine Belastung im Ökosystem hoch ist und Reduzierungsstrategien aushebeln können.
Deutschland hat zwar schnell auf die veröffentlichen Zahlen des Antibiotikaverbrauches in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen reagiert – doch seit dem hängt die entsprechende Gesetzesnovelle im Gesetzgebungsverfahren fest.

Es wird nicht reichen

Für den BUND ist die absehbare Novelle bereits zu „lasch“. Es müsse wenigstens ein Reduzierungsziel wie in den Niederlanden festgelegt werden. Für die Agrarreferentin Reinhild Benning ist das „der wichtigste Schritt“. Die von Martin Häusling verfasste Stellungnahme für den EU-Agrarausschuss musste allerdings ohne ein Reduzierungsziel auskommen. Das fand keine Mehrheit.
Das Gutachten belegt einen umfassenderen Ansatz. Dazu gehört eine für das Tier gesundheitsfördernde Haltung und Überdenkung der Zuchtziele auf robustere Rassen. Damit würde auch der Ökolandbau aus der Falle herauskommen, dass eine Senkung der Antibiotikabehandlung die Zahl de unbehandelten Tiere und Mortalitäten ansteigen lasse – wie Veterinäre argwöhnen.

Gegner argumentieren jetzt mit Datenschutz

Die Gegner der Novelle des Arzneimittelgesetzes haben mit dem Datenschutz neue Argumente gefunden. Ein Grund der Verschiebung im Vermittlungsausschuss ist offenbar ein neu eingefügter Paragraph, der die Nutzung von Daten einschränke. So solle nicht mehr erkennbar sein, wie oft ein Landwirt Antibiotika einsetzt. Diese Kritik war auch Gegenstand einer Anfrage in der 245. Sitzung des Bundestages. Dort hat das Bundeslandwirtschaftsministerium präzisiert: „Artikel 1 Nr. 7 des genannten Gesetzentwurfs beinhaltet das Verbot, die im Rahmen des Antibiotikaminimierungkonzeptes gewonnen Betriebsdaten über die Therapiehäufigkeit für Anfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz, VIG, oder den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder , IFG, zu verwenden.“ Auf die Kritik des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, das das Verbot die Transparenz eher verhindere, ging das Ministerium nicht ein und verwies auf die Verfahrenshoheit des Vermittlungsausschusses.

Solange auch hier keine Klarheit gegeben ist, wird der Datenschutz zum neuen Spielball. NRW setzt eine neue Antibiotika-Studie in der Putenhaltung auf. Ende Mai bekamen die Kommunen Post von einer Anwaltskanzlei, eine Erklärung zu unterschreiben, Daten nicht an das Landesuntersuchungsamt weiter zu leiten. Ohne diese Erklärung würden rechtliche Schritte gegen die Kommunen eingeleitet. „Die Drohung ist ein einmaliger Affront gegen die Kommunen und das Land NRW, der seines gleichen sucht“, kritisierte Landwirtschaftsminister Johannes Remmel die Kanzlei am Montag. Die Rechtsanwälte handeln im Auftrag der Putenerzeugergemeinschaften Münsterland, Rheinland und Nordwest sowie in Abstimmung mit dem Verband Deutscher Putenerzeuger, teilte das Ministerium mit. „Hier soll offenbar weiter vertuscht werden“, kommentierte Remmel.

Das Bekanntwerden dieser Vorgehensweise schon zur Verhinderung einer Datenerhebung kurz vor dem Deutschen Bauerntag in Berlin wirft ein schlechtes Licht auf die Branche.

Lesestoff:

Die Studie finden Sie zum Herunterladen bei www.martin-haeusling.de

[1] AMG-Novelle muss weiter warten

Hohe Tiergesundheit bei weniger Antibiotikaeinsatz

Roland Krieg

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