Antibiotika sorgsam anwenden
Landwirtschaft
Weltorganisation für Tiergesundheit tagt in Marokko
Seit 1997 führt die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Bei Mensch und Tier sollen die wichtigen Wirkstoffe so eingesetzt werden, dass sie ihren Nutzen entfalten, aber nicht zu Resistenzen führen. Dafür müssen Human- und Tiermediziner zusammenarbeiten und im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge Perspektiven für den achtsamen Einsatz von Antibiotika entwickeln. Auf der Basis des zweiten OIE-Berichtes zur Lage der Antibiotikanutzung 2017 tagen seit Montag Minister, Verwaltungsangestellte, Veterinäre und Wissenschaftler in Marrakesch auf der zweiten internationalen OIE-Konferenz zum Thema Antibiotika.
Afrika und Europa
Der Bericht zeigt, dass in Afrika 16 Länder Antibiotika als Wachstumshormon einsetzen. Afrika ist der Kontinent, aus dem die meisten Länder über fehlende Statistiken zum Einsatz von Antibiotika berichten. In Europa sind es mit Ausnahme der EU sechs Länder, die Antibiotika als Wachstumsstimulanz einsetzen.
Deutschland
Der letzte Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) weist für 2017 einen weiteren Rückgang der Antibiotikanutzung in der Tierhaltung auf. Ist aber auch mit einem gegenläufigen Trend bei den Medikamenten versehen, die für den Menschen besonders wichtig sind. So ist die Menge an Flourchinolonen, die als Reserveantibiotika gelten, um 20 Prozent angewachsen.
Im Hintergrund läuft seit 2015 mit DART die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie. Mit dem in diesem Jahr vorliegenden 3. Zwischenbericht wurde DART bis in das Jahr 2020 verlängert. Zur Konferenz ist auch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner angereist: „Durch Antibiotika haben viele Krankheiten ihren Schrecken verloren, doch viele Mittel wirken mittlerweile nicht mehr, Bakterien entwickeln zunehmend Resistenzen. Im schlimmsten Fall macht das eine Behandlung der Krankheit bei Mensch wie Tier unmöglich, viele resistente Erreger können zum Tod führen. Antiobiotikaresistenzen sind ein sektorübergreifendes globales Problem, dem wir aktiv begegnen müssen - für die Bundesregierung hat das hohe Priorität. Ob Human- oder Tiermedizin, jeder Sektor muss je nach spezifischen lokalen und nationalen Gegebenheiten passende Maßnahmen ergreifen.“
Weltweit nur wenig Entspannung
Der zweite OIE-Bericht weist weltweit nur wenig Entspannung im Bereich der Antibiotikanutzung aus. Durchschnittlich wurden pro Kilo Lebendgewicht 98,97 mg Antibiotika verwendet. Im oberen Anwendungsbereich waren es 134,31 mg/kg. Es gibt also noch viel zu tun, obwohl die OIE-Mitgliedsländer strikte Reduzierungspläne versprochen haben. Darüber wollen sich die Veterinäre in Marokko austauschen. Basis ist der Ansatz „One Health“ für Mensch und Tier.
Die drei großen Weltorganisationen Weltgesundheitsorganisation WHO, die OIE und die UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung FAO gehen seit 2015 weit über die ständige Formulierung von Resolutionen hinaus und haben sich zu einer Dreiergemeinschaft zusammengeschlossen. Im letzten Jahr haben sie ein neues Konzept zur Gesundheitsvorsorge und zum Gesundheitsmanagement vorgestellt. In diesem Jahr hat sich die Umweltorganisation der Vereinten Nationen, die UNEP, als „Plus“-Mitglied dazugesellt. In diesem Sommer wurde das Thema noch einmal erweitert, erläuterte Matthew Stone, stellvertretender General-Direktor der OIE in Marrakesch. Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt sind vor Antibiotika zu schützen. Die Verbreitung von Rückständen über Exkremente in die Umwelt bringen sie über den Ackerbau in die gesamte Wertschöpfungskette der Lebensmittel.
Der Kampf gegen Resistenzen muss so aufgebaut sein, dass auch die Länder mit geringem Einkommen daran partizipieren können. Monitoring ist die zweite Herausforderung der Dreiergemeinschaft-Plus. Bislang nehmen einige Länder nur an freiwilligen Berichterstattungen im Rahmen der WHO-Berichterstattung teil. Das Gesundheits-Kleeblatt will eine integrierte Plattform für die Datensammlung schaffen. Stone sieht als drittes Fundament die Forschung und Entwicklung als Alternative für den Einsatz von Antibiotika. Dazu gehören neue Medikamente und eine Früherkennung von Krankheiten, bevor Medikamente überhaupt zum Einsatz kommen. Als vierten Punkt nennt Stone die politische Umsetzung eines Gesundheitsmanagements zur Verhinderung von Antibiotikaresistenzen.
Schneller werden
„Wir müssen schneller werden“, sagte Sally Davies aus der Koordinationsgruppe der vier Organisationen, die von den UN gegründet wurde. Der 2015 aufgestellte „Global Action Plan“ müsse mit den Nachhaltigkeitszielen verbunden werden. „Es ist unser gemeinsames Problem“, erklärte Davies; und: „Die Nutzung von Antibiotika als Wachstumshormon müsse auslaufen!“ Ohne die Vermeidung von Antibiotikaresistenzen sind die Ziele, den Hunger bis 2030 auf null zu setzen und die Armut zu verringern nicht erreichbar. Das Thema gehe mittlerweile weit über die Veterinärperspektive hinaus. Die Koordinationsgruppe will im Januar einen Entwurf für einen Reduktionsplan veröffentlichen. Ebenfalls im Januar wird Großbritannien einen Zwischenbericht über seine bereits fünfjährige Strategie gegen Antibiotikaresistenzen veröffentlichen. Die Britin wünscht sich ein größeres Bewusstsein über das Thema in der Bevölkerung und Wahlfreiheiten beim Konsum. Dadurch steige der Druck auf die Regierungen, nationale Pläne umzusetzen.
Zielgerichtete Agrarpolitik
In die gleiche Richtung geht auch Jürgen Vögeler von der Weltbank. Er ist Direktor der Abteilung „Agriculture Global Practice“ und berichtet über die Neuausrichtung der Weltbankpolitik. Mittlerweile werden alle Entscheidungen unter einem klimapolitschen Fokus gefällt. Das soll für die Landwirtschaft demnächst auch unter dem Aspekt der Antibiotikaresistenz gelten. Wie beim Klima will die Weltbank die Kosten der unnützen Antibiotikanutzung auflisten und damit einen ökonomischen Beitrag leisten. Antibiotikaresistenzen kosten weltweit etwa zwei bis drei Prozent des Bruttosozialproduktes.
Alleine öffentliche Gelder sind für die neue Ausrichtung der Agrarpolitik nicht ausreichend. Ergänzend müssen die privaten Investitionen in die Richtung gelenkt werden, die Gesellschaftlich gewünscht sind. Das gelte auch für die Agrarpolitik. Die EU gehe seit rund 20 Jahren den Weg, die Geldvergabe in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten. Weltweit werden rund 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr an die Landwirte gezahlt, doch zu wenig in die Richtung, die für Mensch, Tier und Umwelt am besten seien. Es sei also keine Frage des Investments, sondern der politischen Ausrichtung. Eine kleine Umverteilung der Subventionen könne bereits einen Unterschied machen.
Roland Krieg