Antibiotikaresistenzen vorbeugen
Landwirtschaft
Antibiotikaresistenzen bei Mensch und Tier
Im letzten Jahr hat der Boulevard mit dem
„Superbakterium“ NDM-1 das Thema bis in den letzten Winkel gebracht. Ein
Bakterium, das gegen alle Antibiotika resistent ist. Wissenschaftlern brennt
das Thema allerdings schon länger unter den Nägeln. Bereits in den 1970er
Jahren wurden gegen das Antibiotikum Methicillin resistente Stämme des
Bakteriums Staphylococcus aureus (MRSA) nachgewiesen. Zu der Zeit dachten
Mediziner aber auch noch daran, dass Infektionskrankheiten bald der
Vergangenheit angehören, weil viele neue Wirkstoffe auf den Markt kamen.
Vor Entdeckung des Penicillins waren
bakterielle Infektionen ein Schrecken der Menschheit, stellte Dr. Helge Braun,
Parlamentarischer Staatsekretär des Bundesministeriums für Forschung und
Bildung, auf der Berliner Tagung zum Weltgesundheitstag fest. Die
Weltgesundheitsorganisation WHO machte am Donnerstag das Thema
Antibiotikaresistenz zum Thema.
Antibiotika retten Leben. Sie sind nach
Prof. Dr. Reinhard Burger, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Grundlage
für chirurgische Eingriffe, Organtransplantationen oder Chemotherapie. Doch
derzeit droht die Waffe Antibiotikum stumpf zu werden, so Prof. Burger. Nicht
nur weil kaum neue Wirkstoffe erschlossen werden, sondern vor allem weil
Bakterien erfinderisch sind, sich dem Wirkstoff anzupassen. So können sie ihren
Wirkort verändern, die Aufnahme des Wirkstoffes verhindern oder diesen ohne Effekt
wieder heraus schleusen lernen.
MRSA
Das Bakterium Staphylococcus aureus ruft
schwere Weichgewebeinfektionen und Lungenentzündung hervor. MRSA ist
hauptsächlich als resistenter Krankenhauskeim bekannt. Sie verlängern nach Helga Kühn-Mengel,
Präsidentin der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung die
Behandlung und verzögern die Heilung. Der Untertitel des WHO-Motto zum
Weltgesundheitstag „No action today – no cure tomorrow“ gebe die Richtung vor.
Bis zu 600.000 Patienten erkranken an Krankenhauskeimen und bis zu 15.000
sterben an ihnen jährlich.
Und gerade bei MRSA wird die Verquickung
zwischen Human- und Tiermedizin deutlich, erklärte Dr. Thomas Schneider,
Veterinär aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV). Der Grundsatz „One Health“ gilt für Mensch und Tier.
Denn: Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA meldete, dass in den vergangenen
Jahren außerhalb von Krankenhäusern MRSA-Klone gefunden wurden, die bei
Menschen Infektionen hervorrufen, die keinen Kontakt zu Krankenhäusern hatten.
Hierbei handelt es sich um ein Bakterium, dass in Fachkreisen verschiedene
Abkürzungen erhalten hat. Es gehört zu der Gruppe den Livestock associated MRSA
(LA-MRSA), wird oft als Strain (ST398) bezeichnet und läuft bei der EFSA als
Clonal Complex (CC398).
Gefunden wurde MRSA ST398 bereits im Jahr
2004 bei Untersuchungen der Tierärztlichen Hochschule Hannover in einem
Schweinebestand aus Bakum. Und nicht nur einzeln, sondern, wie das Deutsche
Tierärzteblatt (7/2008) schrieb, „schon mit einer vergleichbar hohen
Häufigkeit“. In der Zwischenzeit hat die EFSA ermittelt, dass MRSA ST398
hauptsächlich durch den Kontakt der Tiere und das Verbringen der Tiere
verbreitet wird. Die Menschen, die mit den Tieren von der Haltung bis in den
Schlachthof hinein zu tun haben, sind „einer hohen MRSA-Prävalenz“ ausgesetzt.
Das bestätigte im Oktober 2010 auch Annette
Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im
Bundesgesundheitsministerium. Landwirtschaftliche Beschäftigte, die mit MRSA
ST398-infizierten Beständen zu tun haben sind demnach einem erhöhten
Infektionsrisiko ausgesetzt. Der Anteil der STA398-Infektionen hat nach Analyse
des Robert-Koch-Instituts am allgemeinen MRSA-Geschehen nur einen Anteil von
1,9 Prozent. Wohl aber gibt es einen Unterschied, ob das Tier in
Intensivbeständen steht oder extensiv gehalten wird.
MRSA in Lebensmitteln
Neben MRSA werden auch andere antibiotikaresistente Keime wie E.coli vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) überwacht. Das Monitoring hat nach Dr. Annemarie Käsbohrer vom BfR eine häufige Belastung von Puten und Masthähnchen vorgefunden. Verschiedene Typen weisen demnach bereits eine Mehrfachresistenz gegen Antibiotika auf. Trotz zahlreicher Übertragungswege gibt es derzeit aber keinen Hinweis auf eine Infektion über den Verzehr von Lebensmitteln. Mit Blick auf den Erfindungsreichtum von Bakterien, stellt Dr. Käsbohrer aber fest: „Jeder Antibiotikaeinsatz erzeugt einen Selektionsdruck.
Strategien
Für Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp
Rösler steht das Thema nicht nur zum Weltgesundheitstag auf der Agenda. „Es ist
eine Daueraufgabe“, sagte er in Berlin. Mit vier Hauptpunkten soll eine
langfristige Strategie gegen Antibiotikaresistenzen erarbeitet werden: Zunächst
müssen die vorhandenen Resistenzen ermittelt werden. Für die
Antibiotika-Behandlung müssten bessere Therapieansätze gefunden werden. Die
über die drei Ressorts Gesundheits-, Forschungs- und Landwirtschaftsministerium
eingebundenen Forschungsressourcen sollen sich besser vernetzen und für
Medikation sowie Gegenmaßnahmen braucht es mehr Grundlagenforschung.
Im November 2008 hat die Bundesregierung die
„Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie“ (DART) veröffentlicht. Zum
Weltgesundheitstag wurde ein Zwischenbericht aufgelegt. Für Verbraucher- und
Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner verbindet DART Human- und Tiermedizin.
2001 wurde in Deutschland, vier Jahre später europaweit, der Einsatz von
Antibiotika zur Wachstumsförderung von Masttieren verboten. Seit zwei Jahren
sind Antibiotika auch für den Einsatz in der Veterinärmedizin rezeptpflichtig.
Zoonosen in der DART
Im Bereich der Tiermedizin wurden 2009 neue
Forschungsverbünde zur Umsetzung der DART gegründet. Dazu gehört auch der
Verbund MedVetStaph, einem interdisziplinären Forschungsverbund zur
zoonotischen Bedeutung von Staphylococcus aureus/MRSA. Der Verbund untersucht
die Virulenz, Pathogenität, Antibiotikaresistenz und die Wirts-Zell-Interaktion
der Bakterien.
In den letzten vier Jahren hat eine Task
Force der WHO und FAO an Leitlinien für Lebensmitteln erarbeitet, die bezogen
auf das Thema noch in diesem Sommer in den Codex Alimentarius als
Mindeststandards übernommen werden sollen, berichtet Dr. Schneider. Zudem
arbeite die EU derzeit an einer Fünf-Jahres-Strategie zur Minderung der
Antibiotikaresistenz. Zu diesem Zwecke werden die Richtlinien für Tierarznei
und Futtermittel in der EU noch harmonisiert.
Derzeit sind Ärzte verunsichert. Nach Prof.
Dr. Petra Gastmeier, Direktorin für Hygiene und Umweltmedizin der Berliner
Charité, befördern das Thema und Berichte in den Medien deren Ängste vor
Resistenzen. Sie setzten dann lieber Breitbandantibiotika ein und beginnen den
Teufelskreislauf von vorn. Gehen den Medizinern Antibiotika aus, dann kehren
die Schrecken der Infektion wieder zurück, so Prof. Burger vom RKI.
Lesestoff:
Mehr zu DART und allen Facetten des Themas
finden Sie bei den entsprechenden Ressorts: www.bmelv.de, www.bundesgesundheitsministerium.de
und www.bmbf.de
Das genannte Verbundprojekt zu MRSA finden
Sie unter www.medvet-staph.org
(Ist noch im Aufbau)
Der Weltgesundheitstag wird von der WHO initiiert:
www.who.int
„One World – One Health“: Einen Artikel zum
Thema Zoonosen finden Sie hier.
Johannes Remmel, Landwirtschaftsminister in
NRW hat im März 2011 Broschüren an Tierhalter versendet, um auf die Problematik
der „metaphylaktischen“ Behandlung hinzuweisen.
Roland Krieg