„Arbeit ist keine Ramschware mehr“

Landwirtschaft

Mindestlohn: Landwirtschaftliche Arbeitgeber sind am Zug

Friedhelm Schneider, Präsident des Landesbauernverbandes Hessen, schrieb noch in der letzten Woche einen Brief an Arbeitsministerin Andrea Nahles. Es ging um den Mindestlohn von 8,50 Euro. Dieser sollte, so die Vorlage, für alle ab dem 01. Januar 2015 gelten. Es sei denn, die Branche ist im Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen. Dann gelten die vereinbarten Tarife noch bis zum 31. Dezember 2016.

Um die zwei Jahre Unterschied haben sich die Bauernvertreter gefürchtet, denn die Landwirtschaft steht nicht im Arbeitnehmer-Entsendegesetz. In Hessen würden die Saisonarbeitskräfte auf den Spargelfeldern schon in der nächsten Saison 1,50 Euro mehr in der Stunde erhalten. „Das ist eine völlig überzogene Lohnforderung, die vor allem unsere Sonderkulturen in ihrer Existenz gefährden“, schrieb Schneider.

„Bis Ende 2016 können es alle schaffen“, sagte hingegen Nahles am Mittwoch, als das Bundeskabinett den Mindestlohn beschlossen hatte. Die Lösung sei ausgewogen und das Tarifpaket stelle einen der größten Wendepunkte im Arbeitsrecht der letzten Jahrzehnte dar: „Arbeit ist keine Ramschware mehr!“.

Jetzt sind die Tarifpartner gefragt. Um in den Genuss der Übergangszeit zu kommen, müssen die Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Verbände (GLFA) als Arbeitgeber und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) noch schnell einen bundesweiten Tarifvertrag abschließen.

Regionalvereinbarungen gibt es. Und auch schon vor der Bundestagswahl hatte sich die Gewerkschaft auf eine schrittweise Anpassung an den Mindestlohn verständigt und seitdem weiterhin gesprächsoffen gezeigt, sagte am Mittwoch ein Sprecher der IG BAU zu Herd-und-Hof.de.

Nur mit den regionalen Tarifverträgen ausgestattet müssen die Bauern schon im nächsten Jahr den Mindestlohn zahlen. Da hat es Friedhelm Schneider selbst in der Hand. Die meisten Mitgliedsverbände des GLFA sitzen direkt bei den Landesbauernverbänden. Der IG BAU fehlt ein autorisierter Ansprechpartner für einen bundesweiten Tarif. Das Mindestlohngesetz hat es den bäuerlichen Arbeitgebern leichter gemacht. Sie müssten nicht zwingend im Arbeitnehmer-Entsendegesetz verankert sein, sondern könnten sich auch über die Allgemeinverbindlichkseiterklärung in die Gleitregelung bis Ende 2016 für eine Übergangszeit qualifizieren. Nur um eines kommen sie nicht herum: Ein bundesweiter Tarifabschluss ist weiterhin zwingend notwendig, teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Und jetzt wartet die IG BAU auf einen GLFA-Ansprechpartner.

Die Zeit drängt: Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz in den Bundestag. Die Beschlussfassung im Bundesrat ist für den September geplant.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sieht im Kabinettsbeschluss den von der Landwirtschaft gewünschten „gleitenden Übergang für Saisonarbeitnehmer“ umgesetzt. Damit sind die „besonderen Anpassungsprobleme für die landwirtschaftlichen Betriebe … jetzt berücksichtigt worden.“ Jetzt müssten die Tarifparteien aktiv werden und die Chance nutzen. Schmidt sagte ihnen seine Unterstützung zu. Diesem Appell schließt sich auch Franz Josef Jung, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, an. Mit einem bundesweiten Tarifvertrag können die Bauern die Anpassung an den Mindestlohn „Schritt für Schritt“ einführen und nicht auf einen Schlag. Bewegung ist also von der GFLA gefordert.

Weiterhin wurde auch eine andere offene Frage geklärt: Stück- und Akkordlöhne bleiben weiterhin zulässig, „wenn gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird.“

Roland Krieg

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