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Landwirtschaft
Die Philosophie der künftigen EU-Agrarpolitik
Am Freitag haben Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, EU-Agrarkommissar Dr. Dacian Ciolos und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner den gestern Abend schon diskutierten Details der Ausgestaltung der künftigen Agrarpolitik den philosophischen Hintergrund gegeben.
GAP bekannt machen
Dr. Dacian Ciolos, EU-Agrarkommissar aus Rumänien, erinnerte an die Gründe, warum sein Land in die EU wollte: Die Europäer haben sich an die Kulturlandschaft gewöhnt und zeige genau, das die Landwirtschaft mehr als nur für die Erzeugung von Lebensmitteln zuständig ist. Daher müsse man die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und deren Ausgaben nicht verteidigen, sondern für sie werben. Die letzten EU-Erweiterungen haben die vor allem die Diversität in der EU deutlich gegenüber den „alten Ländern“ erhöht. Und als Agrarkommissar sei er nicht bereit, auf diese Vielfalt zu verzichten. Man könne der Landwirtschaft nicht ständig die Ressourcen abgraben, sonst entstünden entleerte ländliche Räume.
Die Landwirtschaft habe mit dem „Lyon Papier“ ihren Part in der EU gefunden und die Agrarpolitik sei daher nicht nur eine administrative Aufgabe, sondern Gesellschaftspolitik. Seit dem Papier des Schotten Lyon hat die Agrarpolitik in der EU ein eigenes Kapitel. „Wir geben nicht zu viel Geld für die Landwirtschaft aus“, so Ciolos, „und die Gesellschaft teile diese Einstellung.“ Es gebe keine guten und schlechten Säulen in der Agrarpolitik. Während in der Vergangenheit der Etat für die Hilfen zur Hälfte beansprucht wurde, seien es heute nur noch 10 Prozent.
Die EU müsse für die verschiedenen Regionen eine „Werkzeugkiste“ bereit halten, auf die lokalen Bedürfnisse einzugehen. Grundsätzlich soll ein gleicher Betrieb in vergleichbarer Region überall gleich behandelt wird, aber nicht gleich gemacht werde.
Dazu gehört die Aufgabe, Märkte zu diversifizieren. Die Bauern, die mehr regionale Märkte bedienen wollen, müssen unterstützt werden. Hinsichtlich der unterschiedlichen Marktkonzentrationen, sei es leichter Änderungen auf der Erzeugerebene durchzusetzen, als beim Lebensmitteleinzelhandel einzugreifen. Derzeit werde in der EU beraten, einen gesetzlichen Rahmen zu finde, der vor dem Kartellamt geschützt, Kooperationen zu gründen, die über Preise, Mengen und Qualitäten mitbestimmen. Kleine Erzeuger sollen im Handel die Möglichkeit erhalten, ihre Produkte nicht unter dem Handelsnamen zu vermarkten.
Als Aufgabe nach der GAP, will Ciolos die europäischen Produkte mit höheren Produktionsstandards in der Welt besser bekannt machen. Gerade bei den Schwellenländern sieht Ciolos zusätzliches Absatzpotenzial.
Wochenmarkt oder Weltmarkt?
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner sieht es ganz ähnlich. Die Betriebe müssen sich als Unternehmer für ihre Wirtschaft einsetzen, müssen aber von der Politik die Rahmenbedingungen erhalten, sich für den Wochenmarkt oder den Weltmarkt entscheiden zu können, ohne eine Benachteiligung zu erfahren.
„Die Zeiten des Füllhorns“ seien aber vorbei, das Sparpaket sei eine bittere Pille gewesen, so Aigner. Daher sei es wichtig, dass gerade im agrarsozialen Bereich keine Kürzungen vorgenommen worden sind.
Für die anstehenden Verhandlungen sieht Ilse Aigner Deutschland gut gerüstet. Die Agrarministerkonferenz in Plön habe gezeigt, dass es eine gemeinsame Stimme gibt, die Interessen durchzusetzen. Ilse Aigner sieht auch keine Veranlassung an einem erfolgreichen Modell der Agrarpolitik etwas zu ändern. Die vergangenen Agrarreformen hätten bereits für ein „ordentliche Bausubstanz“ gesorgt. Aigner sieht zwar noch viel Veränderungsbedarf im Agrarbereich, aber mehr bei den anderen Mitgliedsländern. Ab 2013 würden in Deutschland keine „Prämien mit historischen Bezügen“ gezahlt werden und die anderen Länder müssten zunächst einmal auf diesen Stand aufschließen.
„Wir kosten wenig“
„Wir kosten wenig und leisten viel“ fasst Bauernpräsident Gerd
Sonnleitner die Wertstellung der Landwirtschaft zusammen. Die Bedeutung der GAP sei noch nicht überall in der Politik angekommen. In der Entschließung zur GAP weist der Bauernverband ausdrücklich darauf hin, dass die künftige Agrarpolitik nicht nur die Landwirtschaft im Fokus hat.
Im Einzelnen wird die Fortführung der ersten Säule der entkoppelten Flächenprämie gefordert. Die Cross Compliance sollen entbürokratisiert werden, die Modulation sei abzuschaffen und dafür klare Regeln in den Säulen zu definieren und die zweite Säule soll sich mit Wettbewerbsförderung, Investitionshilfen und Honorierung gesellschaftlicher Aufgaben stärker auf die praktische Landwirtschaft beziehen.
Roland Krieg; Fotos: Ralf Flucke