Artenvielfalt in Monokultur

Landwirtschaft

Biodiversität neu definieren

Biodiversität steht für die Vielfalt verschiedener Arten. Das Gegenteil sind Monokulturen in der Landwirtschaft. Auf großen Flächen wird nur ein einziger Genotyp einer Nutzpflanze angebaut, die meist auf eine hohe Ertragsleistung gezüchtet sind. Großflächige Kulturen können ökologische Wüsten hinterlassen, wissen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie. Mit der Tabakpflanze Nicotiana attenuata hiongegen haben sie gezeigt, dass der Begriff Biodiversität enger gefasst werden muss. In einzelnen Pflanzen verschieden aktivierte Abwehrgene reichen aus, um die Population zu schützen und die Vielfalt im gesamten Ökosystem zu sichern. Basis ist die Vermutung, dass bei durchschnittlich 30.000 Genen, die zu verschiedenen Zeitpunkten oder unter wechselnden Bedingungen in der Genaktivität eine unendliche Vielfalt an möglichen Kombinationen innerhalb einer einzelnen Art zulassen.

Verschiedene Abwehrstrategien des Tabaks

Für ihre Experimente verwendeten die Wissenschaftler um Meredith Schuman Tabakpflanzen, in denen die Ausprägung bestimmter Abwehrgene, LOX2, LOX3 und TPS10, verändert worden war. Diese drei Gene vermitteln wichtige direkte (LOX3) und indirekte Verteidigungsmechanismen (LOX2, LOX3 und TPS10). Durch das Ausschalten oder das Überaktivieren dieser Gene in unterschiedlichen Kombinationen erhielten die Wissenschaftler Pflanzen, die nur aufgrund der unterschiedlichen Genexpression höchst unterschiedlich verteidigungsbereit waren.

Versuchsanordnung mit Populationen von Pflanzen, deren Abwehrgene unterschiedlich ausgeprägt waren; Foto: MPI

Zu den indirekten Abwehrstrategien der Tabakpflanzen gehören beispielsweise Pflanzenduftstoffe, deren Funktion darin besteht, Raubinsekten Informationen über die Anwesenheit von pflanzenfressenden Insekten zu übermitteln. Aufgrund dieser Duftinformationen können die Räuber ihre Beute leichter finden, und die Pflanzen können sich ihrer Fraßfeinde entledigen. Da diese Duftstoffe über größere Entfernungen getragen werden, kann die gesamte Nachbarschaft von den angelockten Räubern profitieren, auch wenn nur einzelne Pflanzen diesen Duft abgeben. „Variationen einzelner Pflanzengene haben also Auswirkungen auf die gesamte Pflanzenpopulation, wenn diese Gene wichtige ökologische Funktionen erfüllen“, erläutert Meredith Schuman.

Feinde reagieren auf Kombinationen

In den USA in der Great Basin Desert in Utah wurden verschiedene Kombinationen der Pflanzen ausgesät. Die Wissenschaftler stellten fest, dass sich die natürlichen Feinde unterschiedlich auf die verschiedenen Kombinationen einstellten. Dabei zeigte sich auch Überraschendes: Ein Duftstoff, der Feinde von Fraßfeinden anlocken sollte, reif eher einen stengelfressenden Rüsselkäfer an. „Diese Beobachtung zeigt, dass Info-Moleküle zweischneideige Schwerter sein können“, sagte Ian Baldwin, Direktor der Abteilung Molekulare Ökologie. „Sie nutzen der Pflanze, wenn sie räuberische Insekten zu Hilfe holen, schaden ihr aber, wenn der Duft gleichzeitig Fraßschädlinge wie den Rüsselkäfer anlockt. Deshalb produzieren Pflanzen in der Regel den chemischen Hilferuf nur bei Befall durch Schädlinge, wenn sie deren Feinde anlocken wollen.“

Funktionelle Vielfalt

Die unterschiedlichen Ausprägungen der Gene soll mit der Ökosystemdienstleistung der üblichen Artenvielfalt vergleichbar sein. „Funktionelle Vielfalt bedeutet nichts anderes als die Fähigkeit verschiedener Individuen einer Art, unterschiedliche ökologische Aufgaben zu übernehmen. Wenn alle das Gleiche tun, wird das Überleben der Art gefährdet. Wir reden hier also von der Darwin’schen Fitness, der erfolgreichen Fortpflanzung innerhalb einer Art“, erklärt Ian Baldwin.

Spuren des flüchtigen Abwehrstoffs trans-alpha-Bergamoten (TAB) werden an einer Pflanze aufgefangen; Foto: MPI

Meredith Schuman spekuliert: „Wenn man die Genausprägung einzelner Gene in nur wenigen Pflanzen einer Monokultur verändert, wird das gesamte Feld geschützt“. Das könnte eine wirtschaftlich vertretbare Methode sein, den Verlust der der biologischen Vielfalt auszugleichen.

Lesestoff:

Schuman, M. C., Allmann, S., Baldwin, I. T. (2015). Plant defense phenotypes determine the consequences of volatile emission for individuals and neighbors. eLife, 4, e04490

Roland Krieg, Fotos: MPI

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