ASP-Aktuell: Brandenburg, EU und Übersee
Landwirtschaft
Virus über tote Bache definiert
Pünktlich haben die Landkreise Spree-Neiße und Oder-Spree im östlichen Brandenburg zur polnischen Grenze hin ihre Allgemeinverfügung veröffentlicht und für Bürger ein Bürgertelefon eingerichtet. Im gefährdeten Gebiet bis zu 15 Kilometer ist die Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Flächen untersagt. Es besteht ein Verbringungsverbot für Schweine. Auch innergemeinschaftlich dürfen Schweinefleischerzeugnisse nur gegen behördliche Genehmigung verkauft werden. Im drei Kilometer großen Kerngebiet ist das Betreten des Waldes und der offenen Landschaft untersagt.
Soweit greifen die Vorschriften für den Fall des Krankheitsausbruchs, der für Menschen ungefährlich, für Haus- und Wildschweine tödlich ist. Aktuell wird nach weiterem Fallwild gesucht. Wäre das Wildschwein im Unterholz verendet, wüsste heute noch niemand, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) im Land ist. Das Virus kann nur über ein totes Schwein oder untersuchte Fleischwaren festgestellt werden. Ist der Fund der einzig habhafte beginnt die Wartezeit, bis Deutschland wieder ASP-frei ist.
Solo-Bache?
Der nächste ASP-Kadaver eines Wildschweins in Polen ist rund 30 km entfernt. Für einen Virus und ein Wildschwein schon eine größere Strecke. Möglicherweise hat das Wildschwein aber auch infizierte Lebensmittel gefressen. Im anderen Fall ist das Virus schon länger in Deutschland. Das Wildschwein war eine Sau. Weibliche Tiere leben in Gruppen und mit Frischlingen zusammen. Die gegenseitige Übertragung ist dabei groß. Genauso wie die Wahrscheinlichkeit weiterer Kadaver. Allerdings kann die Einzäunung des Kerngebiets dennoch einen Einzelfall festmachen. Auch, dass die Bache allein unterwegs war und durch Aufschrecken die Oder durchquerte. Weiter gefundenes Fallwild wird im Landeslabor Frankfurt/O. insgesamt negativ beprobt. Erst bei einem positiven Verdachtsfall gehe die Probe zur Bestätigung ins Friedrich-Loeffler-Institut, teilte die Sprecherin mit.
Neue Verdachtsfälle
Das war gegen 15:30 Uhr. Bis zum Abend musste das Brandenburger Gesundheitsministerium fünf weitere Verdachtsfälle mitteilen. Die Kadaver lagen diesmal im Landkreis Oder-Spree, der sich die Hälfte der Kernzone mit Spree-Neiße teilt. Das Landeslabor hat fünf weitere Verdachtsfälle, die nun beim FLI für eine Bestätigung vorliegen. Mit dann sechs toten Wildschweinen innerhalb weniger Tage ist das alles andere als ein hoffnungsvolles Signal.
Faktischer Exportstopp
Dessen Auswirkungen sind bereits mit sinkenden Preisen für Schweinefleisch und Ferkel spürbar. Die Meldungen von Drittstaaten keine Schweinefleischexporte von Deutschland mehr anzunehmen ist seitens Deutschlands faktisch seit dem 10. September in Kraft. Eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte am Montag, dass kein Veterinär mehr die Exportbescheinigung unterschreibt, weil dort die ASP-Freiheit bescheinigt werden muss.
Die deutsche Lieferlücke wird nach Einschätzung von Marktexperten von Spanien, den USA und Brasilien gefüllt werden. Wie insgeheim befürchtet hat das Virus Deutschland erreicht. Vincent ter Beek, Herausgeber von Pig Progress hat schnell ausgerechnet, dass die Afrikanische Schweinepest im Februar 2014 erstmals Polen erreichte. Innerhalb von 6,5 Jahren hat es eine Strecke von 625 Kilometer zurückgelegt, was ohne Verbreitung durch den Menschen kaum möglich sei. Sowohl Tschechien als auch Belgien kamen ohne Infektion eines Hausschweinbestandes davon. Belgien wird diesen Herbst den Status ASP-frei zurückbekommen. Tschechien hat dazu eineinhalb Jahre gebraucht.
Otte-Kinast zur ASP
„Niedersachsen ist gut auf die Afrikanische Schweinepest vorbereitet“, sagte Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast am Dienstag im Landtag in Hannover. Für die rund 5.300 Schweinehalter ist die Nachricht aus Brandenburg eine schlechte, weil sich mittlerweile mehrere Länder gegen deutsches Schweinefleisch ausgesprochen haben. Nach China, Südkorea und Japan, haben auch Argentinien, Brasilien und Mexiko einen Importstopp verhängt. Die Ministerin will die Auswirkungen in Grenzen halten und unterstützt die Bundesministerin Julia Klöckner, in den Ländern ein Regionalisierungskonzept umzusetzen. Fleisch aus anderen Regionen soll exportiert werden können. Niedersachsen hat seit 2018 rund 1,7 Millionen in die Prävention gegen die ASP investiert. Dazu gehört die Einlagerung von 50 km Zaun, Entsorgungscontainer und Bergesets für kommunale Behörden. Niedersachsens Jäger haben 2019/20 mehr als 70.000 Wildschweine erlegt. Eine Rekordstrecke, die aber noch immer genug Wildschweine in der Landschaft hält.
Druck auf den Binnenmarkt
Täglich verschließen sich neue Märkte. Dass Deutschland andere Spielregeln bekommt als Belgien und Polen, ist fraglich. Die Fleischbranche rechnet damit, dass für den Export vorgesehenes Schweinefleisch zusätzlich auf den Binnenmarkt drängt und die Preise unter Druck setzt. Für 2020 hätte Deutschland rund 780.000 Tonnen exportiert. Die Menge von 270.000 Tonnen aus der Zeit zwischen Januar und Mai sind bereits erfolgreich untergebracht. Wie sich die Zusatzmenge im EU-Markt in der Pandemie verhält ist offen, sagt Bethan Wilkins vom britischen Agriculture and Horticulture Board. Nachfrage und Angebot sind derzeit alles andere als im Normalverlauf. Auf die Zerlegebetriebe kommt mehr Arbeit zu. Fleisch nach China wird weniger verarbeitet als für den europäischen Binnenmarkt. Und das, wo in Nordeuropa die Schlachthöfe nach einigen Pandemiefällen an der Kapazitätsgrenze arbeiten. Britische Mäster, die nicht mehr Bestandteil der EU sind, schauen sich den Markt genau an und fürchten preisgünstige Konkurrenz vom Kontinent.
Steigende Preise in Übersee
In den USA sind die Preise bereits um 13 US-Dollar pro Schwein angestiegen. Auch Kanada verzeichnet steigende Futures auf mögliche neue Exportanteile. Die Pandemie hat die Schweineindustrie in den USA schwer getroffen. Deutlich mehr Schlachthöfe mussten schließen und Betriebe haben auf Notschlachtungen auch bei Sauen zurückgegriffen. Marktexperten sehen allerdings bereits das Ende der Sauenknappheit. Die US-Farmer können sich auf steigende Exporte vorbereiten. Der Verband der amerikanischen Schweinehalter hat sich für die Gespräche mit China ausgerechnet, dass alleine der Export von US-Schweinefleisch das Handelsdefizit gegenüber China um sechs Prozent reduzieren kann.
Roland Krieg
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