ASP bestätigt – Berlin mit China im Gespräch
Landwirtschaft
Ein Wildschwein, ein Landkreis und welche Auswirkungen?
In den vergangenen Wochen hatte sich angedeutet, dass die Afrikanische Schweinepest in Westpolen außer Kontrolle ist. Während der Erntezeit steigt die Wahrscheinlichkeit für die Übertragung des Virus, das für den Menschen ungefährlich, für Haus- und Wildschweine aber tödlich ist. Es gibt weder Medikamente noch einen Impfstoff, der das Virus bekämpfen kann. In den Sommermonaten werden Feldfrüchte an Hinterhofhaltungen verfüttert, Wildschweine sind mobiler als sonst und Erntefahrzeuge verbringen das Virus über weite Strecken. Ausbrüche in Hausschweinbeständen in Rumänien (109) und Polen (42) sind in diesem Jahr permanent angestiegen. Bei Wildschweinen hat Ungarn eine hohe Zahl (153) erreicht. Jetzt ist es amtlich: Die drei Proben des Wildschweinkadavers aus der Gemarkung Sembten bei Schenkendöbern im Landkreis Spree-Neiße an der Grenze zum Landkreis Oder-Spree, nur sieben Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, wurden vom Referenzlabor im Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems in der Nacht allesamt positiv getestet.
„Der Verdacht hat sich leider bestätigt“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Morgen. „Wir sind lange verschont geblieben.“ In der Tat konnte kein Virologe und kein Schweinehalter davon ausgehen, dass das westwärts wanderende Virus Deutschland verschone. Es war nur eine Frage, wann es da ist.
Eingeübte Praxis
Die Bundesländer haben in den vergangenen Monaten grenzüberschreitend mit Polen mehrere Übungen abgehalten, was im Notfall zu tun ist. Damit das Virus nicht weiter wandern. kann, muss die Infektionskette unterbrochen werden. Das geschieht mit einem Zaun bei einem Wildschweinfund und mit Keulung eines Bestandes, ist das Virus in den Stall gedrungen. Standstill in der Kernzone und eingeschränkte Handelstätigkeiten in einer Beobachtungszone. Die Einschränkung betrifft Personen und Fahrzeuge und betrifft auch den Ackerbau. Am Nachmittag wurde noch geprüft, welche Flächen nicht mehr bearbeitet werden dürfen. Der Mais darf nicht geerntet werden, die Wintersaat darf nicht in den Boden. Die Wahrscheinlichkeit, das Virus über Fahrzeuge zu verschleppen ist zu groß. Die Schweinehaltungs-Hygieneverordnung, die in den vergangenen Monaten auf den Eventualfall verbessert wurde untersagt die allgemeine Jagd im Sperrbezirk. Förster und Jagdpersonal sollen auf die Suche nach weiterem Fallwild gehen und erhalten Jagdschneisen. Sie sollen noch einmal geschult werden, teilte Die Landesregierung mit.
Im Kontakt mit China
Für Deutschlands Fleischindustrie ist der Handel wichtig. Innerhalb der EU gibt es ein Regionalisierungskonzept, das lediglich den Handel aus dem Beobachtungsbereich untersagt. Fleisch aus anderen Teilen Brandenburgs und allen anderen Bundesländern darf gehandelt werden. Eigentlich soll das auch mit China gelten. Fleischer Tönnies hatte sich sogar der Dienste von Sigmar Gabriel versichert, der die Grenzen in das Reich der Mitte offen halten sollte. Die Bundesregierung hat noch in der Nacht den Kontakt mit China gesucht. Über die Warnmeldungen der Internationalen Tiergesundheitsbehörde OIE hätte Peking den Ausbruch auch nachlesen können. China, selbst durch die ASP schwer gebeutelt, importiert keine Schweine und kein Fleisch aus Ländern mit dem Virus. Ob China für Deutschland eine Ausnahme macht, bleibt zweifelhaft. Klöckner will über die EU-Kommission mit den Chinesen verhandeln.
Maßnahmen vor Ort
In beiden Landkreisen wird das notwendige Restriktionsgebiet festgelegt. Vorläufig ist ein Radius von 15 Kilometern eingerichtet. Mit einer Pufferzone von weiteren 30 km. Da der Kadaver bereits stark verwest war, muss das Wildschwein schon länger dort gelegen haben, bestätigte FLI-Präsident Thomas C. Mettenleiter. Also gibt es eine Zeitlücke, in der noch nicht gesagt werden kann, ob das Virus nicht bereits woanders hin verlagert wurde. Das FLI hilft zusammen mit dem Tierseuchenbekämpfungsdienst Brandenburgs bei der Festlegung des Restriktionsgebietes mit.
Die Federführung in der Landesregierung hat das Gesundheitsministerium. Ministerin Ursula Nonnemacher erklärte in Potsdam: „Oberstes Ziel ist es jetzt, die Tierseuche auf ein möglichst kleines Gebiet einzudämmen und zu verhindern, dass diese sich ausbreiten kann. Wir müssen die Hausschweinbestände vor der Afrikanischen Schweinepest schützen.“ In der Nähe liegende Schweine haltende Betriebe müssen ihre Biosicherheitsmaßnahmen verschärfen. Der 120 km lange Zaun an der Grenze zu Polen hat das Wildschwein nicht abgehalten, das Virus nach Deutschland zu bringen. Der feste Zaun soll mit Hilfe von 720.000 Euro in einen mobilen Zaun für die Einsperrung von virustragenden Wildschweinen umgewandelt werden.
2.300 Schweinehalter in Brandenburg werden mit einem Schreiben über die Lage unterrichtet. Etwa 140 Freilandhaltungen haben ihre Schweine im Auslauf und mussten bereits einen doppelten Zaun anlegen. Rund 10.000 Jäger bekommen Post, intensiver nach Fallwild zu suchen. Für das Auffinden, Melden und beproben wird die Prämie von 30 auf 50 Euro erhöht.
Innerhalb der Kernzone befinden sich 17 Schweinehalter, die jetzt ihre Tiere beproben müssen.
Vorbild Tschechien und Belgien
Während die ASP in etlichen osteuropäischen Ländern kaum wegzubekommen ist, haben Tschechien und Belgien ihre Einzelfälle sehr gut gelöst und dienen als Vorbild für die Vorgehensweise in Brandenburg. In Tschechien wurde in dem eingezäunten Kerngebiet mit einer Jagdruhe gearbeitet, um die möglicherweise infizierten Wildschweine nicht zu versprengen. Danach wurde die Zahl der Wildschweine in der Pufferzone durch konstante Jagd reduziert. Das war nach Aussage des FLI gegenüber Herd-und-Hof.de erfolgreich und konnte Belgien ebenso erfolgreich wiederholen. Bis Belgien allerdings wieder ASP-frei wurde dauerte es wegen des schwer zu identifizierenden Kerngebietes zwei Jahre. Was davon in Brandenburg umsetzbar ist und wie genau vorgegangen wird müsse sich vor Ort entscheiden.
Wie bedrohlich ist die Lage der Bauern?
Die ASP hing in den vergangenen Jahren immer als Damoklesschwert über der Schweinebranche. Kritik an den Haltungsbedingungen, schmale Preise und fehlende Liquidität für Stallneubauten haben die Zahl der Sauenhalter unter Druck gesetzt und die Zahl der Betriebe um ein Drittel reduziert.
Einzig stimmten im vergangenen Jahr die Preise von 2,00 Euro pro kg Schlachtgewicht und 80 Euro für ein Ferkel, weil China einen großen Importbedarf an Schweinefleisch hat. In diesem Jahr gingen die Preise zunächst zurück, dann kam die Pandemie mit SARS-CoV-2 und die großen Schlachthäuser mussten zeitweise schließen. Auf dem Weg der langsamen Besserung schlägt Damokles zu.
Was Brandenburg jetzt für die Landwirtschaft bedeutet zeigten die DLG-Unternehmertage aus der vergangenen Woche. Der Einfluss durch SARS-CoV-2 auf den weltweiten Getreidemarkt ist gegenüber anderen Rohstoffmärkten gering. Wenn aber das Virus zu einem massiven Bestandsabbau führt, dann gehen die Preise für Futtergetreide in die Knie. Die Mischfutterindustrie hat sich in den vergangenen Monaten wegen der Unsicherheiten oft zurückgehalten. Der Export von Schweinefleisch nach China hatte in der Zeit zwischen Januar und Mai deutlich zugenommen und stellte mit drei Milliarden Euro die Hälfte des Gesamtwertes an Schweinefleisch, berichtete Marktanalystin Michaela Helbing-Kuhl von der Commerzbank. Solange die ASP in der EU unter Kontrolle ist, können die Schweinehalter profitieren. Ob das für Deutschland jetzt hinfällig ist, wird sich am Verhandlungstisch zeigen.
Chinas Schweinefleischimporte stammen zu 57 Prozent aus der EU, ergänzte Matthias Quaing von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). Gehen Märkte verloren, sind sie erst einmal weg. Die Kostenführerschaft in der Produktion von Schweinefleisch hat die USA. Trotz Transportkosten und Strafzölle produziert niemand günstiger. Bis 2024/2025 wird China weiterhin einen großen Bedarf an Schweinfleisch haben. Deutschland werde verlorenes Potenzial nicht ausgleichen können. Die Schlachtkapazitäten bleiben mit 870.000 Schlachtungen pro Woche knapp und verarbeiten gerade einmal das Angebot, dessen Überhänge sich nach den Schlachthausschließungen verkleinern. Die Preise stehen weiterhin unter Druck. Demgegenüber steigen sie in den Niederlanden, Dänemark, Spanien und Italien. Vor allem Spanien liefere konstant Fleisch nach China und baut gerade einen neuen Schlachthof in Größe des Tönnies-Werkes in Rheda-Wiedenbrück. Zudem liefert Dänemark über den Transit durch Deutschland sechs Millionen Ferkel nach Polen und eine Million nach Italien. Die Niederlande fahren rund 2,5 Millionen Ferkel pro Jahr nach Rumänien, Spanien und Polen. Sie könnten jederzeit die Ferkel auch in Deutschland abladen, sobald es einen Versorgungsengpass gibt. Sie müssen ihre Sauenbestände dazu noch nicht einmal erhöhen.
Der ökonomische Schaden durch die Ausbreitung und Etablierung der ASP in Deutschland wird dem Schweinesektor den Fangschuss geben.
Lesestoff:
https://www.fli.de/de/aktuelles/tierseuchengeschehen/afrikanische-schweinepest/
https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/tierseuchen/asp.html
https://lavg.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.473580.de
DLG-Wintertagung 2019: Wir werden mit der ASP leben müssen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wir-werden-mit-der-asp-leben-muessen.html
Roland Krieg
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