Auf dem Weg zur gesellschaftlichen Transformation
Landwirtschaft
Jahresrückblick der Deutschen Umwelthilfe
Fukushima hat die Energiewende eingeleitet. Schon vorher hatte Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) den Ausstieg gefordert, weil man gegen Mehrheiten keine Politik machen könne, sagte er beim Jahresrückblick in Berlin. Zudem konterkarierte die Atompolitik die erneuerbaren Energien, was in einer inkonsistenter Politik münde: „Das beißt sich vom System her!“.
Mehr Strom aus erneuerbaren Energien
Die schnelle Kehrtwende seit Fukushima hat die deutsche
Energielandschaft im Jahr 2011 drastisch verändert. Im Jahr 2010 stellte die
Atomenergie noch 140 Terrawattstunden Energie, während Wind, Sonne und Biomasse
gerade auf 104 TWh kamen. In diesem Jahr hat sich das Verhältnis umgekehrt. Die
Atomenergie stellt nur noch 106 TWh, die Erneuerbaren kommen zusammen auf 121
TWh. Deutschland befinde sich auch nicht in einem Energieloch, denn fünf
Gigawatt Energieüberschuss werden exportiert.
Allerdings fehlt es der Bundesregierung an einer
„vernünftigen Projektsteuerung“, so Baake. Wer den Anteil erneuerbarer Energien
von 20 auf 40 Prozent erhöhen möchte, brauche flexible Kraftwerke. Es gibt
Zeiten, da werden Sonne und Wind 100 Prozent Energie liefern und Zeiten, da
werden die 40 Prozent unterschritten. Daher müssen die geplanten fossilen
Kraftwerke flexibel ausgestaltet werden. Das hat das Bundeskabinett zwar am Tag
vorher beschlossen, aber Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler plant bis
zum Jahr 2013 neue Kraftwerke mit 10 Gigawatt und bis 2020 noch einmal welche
mit weiteren 10 GW Energieproduktion. Gas- und Kohle - was der DUH ein Dorn im
Auge ist. Es dürften nur flexible Gaskraftwerke gebaut werden, „Kohlekraftwerke
sind Gift“, so Rainer Baake.
Als positiv bewertet Baake die Netzpläne der Bundesregierung
und lobt hier auch die Bundesnetzagentur, die in ihren neuen Leitszenarien
festgestellt hat: „Das europäische Verbundnetz in seiner heutigen Ausprägung
wurde für einen konventionellen Kraftswerkpark und für eine zumeist lastnahe
Erzeugung ausgelegt.“ Für das neue Netz werde man zunächst einmal einen
Kraftwerkspark festlegen, denn eine detaillierte Planung der Netzinfrastruktur
mache erst danach Sinn.
Effizienzbremser Deutschland
„Wir betreiben leider weiter Raubbau an unseren
Ressourcen“, erläuterte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch und leitete auf das
Thema Effizienz über. Die Transformation der Gesellschaft zu einer
ressourcenschonenden Wirtschaft werde vor allem durch die FDP und den
Wirtschaftsflügel der CDU gebremst, so Resch. Er kritisiert vor allem die neue
Energiekennzeichnung für Autos, die schwere Fahrzeuge begünstigt, die schon bei
ihrer Produktion mehr Ressourcen verbrauchen als kleinere. Deutschland betätige
sich in Europa derzeit sogar als Effizienzbremser und lässt nach Resch
unabhängige Kontrollen vermissen. So verbraucht der neueste Kleinwagen von VW
mit 4,1 bis 4,7 Liter auf 100 Kilometer deutlich mehr als der 3-Liter-Lupo, den
die Industrie mittlerweile vom Markt genommen hat.
Schlecht kommt bei der DUH auch die Direkteinspritzung
bei Otto-Motoren weg, bei der Rußpartikel entstehen, für die höhere Grenzwerte
als beim Diesel gelten sollen. „Wir brauchen ein Weiterschrauben der Norm“,
kritisiert Resch die mangelnde Innovationskraft deutscher Ingenieure.
Das liege auch daran, dass Wirtschaftspolitiker nach
ihrem Amt in die Industrie wechseln und, so Resch, umgekehrt die
Industriewünsche in die Politik tragen.
Es fehle an der Umsetzung vorhandener Ordnungsrahmen
und Verhängung von Bußgeldern, die Signale an die Wirtschaft senden, die
Transformation einzuläuten.
Landwirtschaft
Im Gespräch mit Herd-und-Hof.de erläuterte Jürgen Resch
einen der Konflikte des kommenden Jahres. Die Gemeinsame Agrarpolitik will im
Rahmen des „Greenings“ sieben Prozent der Fläche ökologisch umwidmen Baden-Württemberg
und Rheinland-Pfalz planen Nationalparke. In beiden Fällen gibt es Kritik. Der
Deutsche Bauernverband sorgt sich um Entzug von Produktionsfläche durch das
Greening und die Forstleute um Holzpotenziale durch die Nationalparke.
Doch gehören nach Resch intakte Wälder und biodiverse
Landschaften zur Lebensgrundlage des Menschen. Im Forstbereich stehen sich
Naturschutz- und Wirtschaftsinteressen näher als im Bereich der Landwirtschaft,
erläuterte Resch. Doch mit dem ökologischen Landbau und extensiver Weidehaltung
in Überschwemmungsbereichen gebe es zahlreiche Beispiele, wo Naturschutz und
Wirtschaft harmonisieren.
Ob die Extensivierung eine Intensivierung auf den
anderen Flächen nach sich ziehe, müsse erst noch überprüft werden. Es gibt nach
Jürgen Resch Einsparpotenziale bei der Verwendung von Lebensmitteln, wie die
Wegwerfdiskussion zeigt, und aus ernährungsphysiologischer Sicht weise auch
eine so hohe Fleischproduktion mit der Nutzung von importierten
Eiweißfuttermitteln noch Reserven nach unten auf.
Lesestoff:
Jahresbericht der Deutschen Umwelthilfe: www.duh.de
Netzentwicklungsplan: www.bundesnetzagentur.de
Die große Transformation. Eine gesellschaftliche
Diskussion
Wie gestaltet man Verbraucherinformationen?
Die extensive Weide zwischen Markt und ländlicher
Entwicklung
Roland Krieg (Text und Fotos)