Auf der Suche nach fairer Schokolade
Landwirtschaft
Kakao-Bauern eine Chance geben
Schokolade
ist ein mythisches Versprechen. Theobroma cacao ist der bekannteste Vertreter
seiner Pflanzenfamilie. Schon 400 v. Chr. mischten die Mayas Kakaogries mit
einem Holzquirl in kaltes Wasser. Sie nannten das Bitterwaser xocoatl, das erst
mit Hernan Cortés nach Europa kam. Der spanische Hof verlieh dem Getränk mit
Beimischung von Zucker die Süße. Zum Trendgetränk wurde es, als die katholische
Kirche befand, dass „Flüssiges nicht das Fasten bricht“.
Bei den
Mayas hatte die Kakaobohne den Wert eines Zahlungsmittels. Für 100 Kakaobohnen
bekam man einen Truthahn.
Die süße Nachfrage
Mit der
Hälfte des weltweiten Kakaoabsatzes in Europa und weiteren 22 Prozent in den
USA reisen drei Viertel die Früchte des Kakaobaumes nordwärts. Mit 37 und 22 Prozent
stellen die Elfenbeinküste und Ghana die Hälfte des Kakaoangebotes. Indonesien
produziert rund zehn Prozent der Kakaobohnen, jeweils fünf Prozent kommen aus
Nigeria, Brasilien, Kamerun und Ecuador.
Geerntet
werden mit viel Handarbeit die Schoten, in denen die Kakaobohnen heranreifen.
Diese werden fermentiert und getrocknet. Zwischenhändler binden die Kakaobauern
an den Weltmarkt an. Die Produktion ist äußerst kleinteilig. 5,5 Millionen
Kakaobauern sichern 14 Millionen Arbeitern das Einkommen – meist aber mit
weniger als 1,25 US-Dollar am Tag. 2011 wurden 4,4 Millionen Tonnen Kakaobohnen
erzeugt. Jeder Deutsche verzehrt 9,6 Kilogramm Schokolade im Jahr.
Das ist
die bittere Seite der süßen Leckerei: Mit Mars, Mondelez und Nestlé bündeln
lediglich drei Konzerne 51,2 Prozent der Nachfrage. Von 0,79 Euro je Tafel Schokolade behalten
die Konzerne etwa 70 Prozent des Umsatzes ein. Die Kleinbauern bekommen
lediglich sechs Prozent. 1980 waren es noch 16 Prozent.
Aus
diesem Grund bereiste Afia Asamoa Owusu für die Kampagne „Make Chocolate Fair“
das vorweihnachtliche Berlin und macht auf die Schattenseiten des Kakaoanbaus
aufmerksam.
Ghana ist Kakao
Afia
arbeitet für die Cocoa Organic Farmers Association (COFA) und die
Dachorganisation African Cocoa Coalition (ACC). Sie lehrt den Kleinbauern
nachhaltiges Ressourcenmanagement, Konfliktmanagement und macht die
Öffentlichkeitsarbeit für COFA und ACC. Die Zusammenarbeit mit der
Entwicklungshilfeorganisation Inkota, sowie den Ländern Estland, Österreich und
Tschechien begann diesen Sommer mit der Berichterstattung über Kinderarbeit auf
den Kakaoplantagen.Bis 2015 sollen 100.000 Unterschriften gesammelt werden,
die an die großen Schokoladen-konzerne geschickt werden, um den Kleinbauern
einen fairen Preis für ihre Arbeit sicher zu stellen.
Ghana hat
mit den beiden letzten Wahlen 2008 und 2012 an Demokratie und Stabilität
gewonnen. Die Zahl der Nichtre-gierungs-organisationen wächst. Die rund eine
Million Kakaobauern aber sind weiterhin unorganisiert. Kakao ist das Rückgrat
der ghanaischen Landwirtschaft. Zwischen einem bis drei Hektar sind die
Betriebe groß. Der Ertrag liegt bei 400 Kilogramm je Hektar. Seit einigen Jahen
steigt die Nachfrage nach Kakao, wovon auch Ghana profitiert. Der Export hat sich
in den letzten zehn Jahren auf mehr als eine Million Tonnen verdoppelt.
Das
COCOBOD (Cocoa Marketing Board) ist die größte staatliche Marketingorganisation
und nimmt etwa 75 Prozent der Bohnen auf. Das COCOBOD handelt die Bohnen im
Warentermingeschäft und verkauft sie vorwärts gerichtet. Daher kann sie vor der
Ernte bereits den Preis festsetzen, den die Bauern später erhalten, sagt Thomas
Pape vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) und Mitarbeiter
im „Infozentrum Schokolade“. Der BDSI ist Mitglied des im letzten Jahr
gegründeten Forums nachhaltiger Kakao.
Die Ernte
und das Marketing ist Männersache, beschreibt Afia, das fermentieren der Bohnen
übernehmen die Frauen. Auslöser der Kampagne ist die Kinderarbeit. Mehr als
eine Million arbeiteten auf den Plantagen, fast ein Viertel unter Bedingungen,
die von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO verboten sind. Große
Medienberichte haben ein Umdenken ausgelöst, dass nicht nur durch den
internationalen Druck, sondern auch auf Eigeninitiative der COCOBOD entstanden
ist. Die Afrikaner seien es leid, so Pape, immer vorgehalten zu bekommen, was
falsch laufe.
Es läuft vieles schief
Die
Kinderarbeit war aber nur der erste Blick auf die Kakaoplantagen in Ghana. Die
Ursache für schlechte Preise und unbefriedigende Arbeit sind zahlreich. Für
einen Sack Kakaobohnen erhalten die Bauern nur 95 US-Dollar und können in einer
guten Saison gerade einmal sechs Säcke Bohnen verkaufen. Umgerechnet erhalten
sie 1,55 US-Dollar am Tag und können in einer zweiten Saison, die einen
geringeren Ertrag nach sich zieht, ihre Gewinne nicht wesentlich steigern. Nur
weil die Frauen mit ihrer Subsistenzlandwirtschaft für ausreichend Nahrung
sorgen, halten sich noch die vielen Kleinbauernplantagen.
Aber sie
werden weniger. Afia berichtet, dass die Kakaobäume zu alt sind und die Erträge
sinken. Das Durchschnittsalter der Kakaobauern liegt bei über 50 Jahren. Sie
finden kaum noch einen Nachfolger, der die wenigen Hektar weiter
bewirtschaftet. Das traditionelle Wissen reicht nicht für die nachhaltige
Modernisierung der Kleinplantagen aus, ein Umstieg auf Kautschuk ist oft die
lohnendere Alternative. Der Boden verliert an Fruchtbarkeit, die Kosten
steigen, weil oftmals zu viel Dünger als vermeintlicher Ausgleich ausgebracht
wird und zwischen 30 und 40 Prozent der Ernte gehen durch Insekten und
Pflanzenkrankheiten verloren.
Die
Forderung nach einem höheren Preis für die Kakaobauern ist einer der zentralen
Forderungen der Kampagne und innerhalb der Entwicklung des ländlichen Raums und
als Entlohnung für die viele Handarbeit ein zentraler Ansatz – aber bei weitem
nicht der einzige.
Ob die
Kakaobauern 1,55 oder 2,50 pro Tag für ihre Ernte bekommen, ändere für Thomas
Pape nur wenig an der grundsätzlichen Situation. Die Nachfolgegeneration will
kaum noch die harte Arbeit in der Landwirtschaft übernehmen. Ghana investiert
das meiste Geld für die Entwicklung in den Metropolen wie Accra und
vernachlässigt, wie viele andere Länder auch, sowohl die Landwirtschaft als
auch den ländlichen Raum. Die Infrastruktur im Hinterland ist so marode, dass
sich Lkw-Fahrer weigern, die Straßen zu benutzten. Dort haben die Bauern keine
Anbindung mehr an den Markt. COCOBOD hat nach Afia eines der modernsten
Krankenhäuser in Ghana gebaut – aber eben in der Hauptstadt Accra. Die
Gesundheitsversorgung auf dem Land bleibt weiterhin lückenhaft. Daher sei es
nicht verwunderlich, dass die jungen Menschen in die Städte gehen, die jedoch
für ein weiteres Anwachsen nicht mehr gerüstet sind. Ohne Ausbildung bleibt den
jungen Menschen die Arbeit in der Schattenwirtschaft – viele begeben sich auf
den Weg nach Europa.
Gesamtkonzept fehlt
Es fehlt
ein Gesamtkonzept. Die Bauern brauchen nachhaltige Betriebssysteme und
Kooperativen, die Betriebsmittel erschließen und höhere Preise durchsetzen
können. Auf dem Land muss eine nicht nur landwirtschaftliche Diversifizierung
stattfinden, die Menschen zum Bleiben bewegt. Ein Fonds von einem Dollar pro
Sack gespeist, könnte viel bewegen, betont Afia.
Am 14. November
hat eine neue Mühle zur Kakaoverarbeitung aufgemacht. Allerdings in Amsterdam.
Nicht in Ghana, in Brasilien oder Indonesien. Die Mühle der Tradin Organic
Agriculture zeigt einmal mehr, dass selbst der Biohandel die Verarbeitung in
Europa selbst durchführen will.
Immerhin
etablieren sich in der Elfenbeinküste eigene Mühlen und haben den afrikanischen
Staat zum viertgrößten Vermahler von Kakaobohnen gemacht, ergänzt Thomas Pape.
Ghana hat mittlerweile auch eine Schokoladenfirma. Der Aufbau einer eigenen
Kakaovermahlung sei aber nicht so einfach, erklärte er Herd-und-Hof.de. Es gibt
keine kleinen Mühlen für den Hofbetrieb. Die Vermahlung ist energieaufwendig,
wie auch die Lagerung des sensiblen Pulvers. Aktuell müssten die Lager
Außentemperaturen von 38 Grad Celsius abwehren.
Allerdings
sollte die Energieerzeugung angesichts der vielen Sonnenstunden in Ghana kein
Problem sein. Die Kakaobohne und der niedrige Preis sowie die Kinderabreit sind
damit nur ein Signal, dass die afrikanischen Länder noch viel Eigeninitiative
vorhaben, ihre Entwicklung auf eigene Füße zu stellen. Der faire Preis für die
Kakaobohnen ist wichtig, kann aber nur der Anfang sein.
Wissenschaft
Die Kakaoversorgung ist brüchig. Das haben die großen Konzerne bereits vor Jahren erkannt. Nestlé ist dazu übergegangen, den Kakaobauern neues Pflanzen zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile wehren sich die Bauern aber über das Gesamtpaket, weil damit eine Art von Vertragsbindung eingegangen wurde. Andere Firmen haben nach gartenbaulicher Praxis begonnen, neue Pflanzen auf alte Unterlagen zu pfropfen und konnten damit den Ertrag steigern. Vieles ist noch zu tun, Theobroma cacao in ein nachhaltiges System zu überführen. Die Wissenschaft ist aber dran:
Auch die
Kakaopflanze weist verschiedene Sorten auf, die unterschiedliche Eigenschaften
besitzen. Theobroma cacao L. cv. Matina ist nach dem Flusstal auf Costa Rica
benannt, wo sie zuerst entdeckt wurde. Die Schoten sind grün und enthalten
äußerst aromatische Bohnen. Allerdings ist diese Sorte besonders
krankheitsanfällig und erzielt nur einen geringen Ertrag.
Die in
Ecuador angebaute Kakaosorte CCN 51 mit roten Schoten ist sehr widerstandsfähig
und erzielt hohe Erträge. Die Bohnen aber produzieren mehr Bitterstoffe.
Züchter sind jetzt dabei, beide Eigenschaften zu verbinden: Widerstandsfähige
Pflanze mit hohen Erträgen, die qualitativ hochwertigen Kakao erzeugen [1].
Auch Fledermäuse sind hilfreich. Die Universität Göttingen erforscht auf der indonesischen Insel Sulawi, wie Vögel und Fledermäuse gegen Schadinsekten wirken. Auf durch Netzen isolierten Bäumen, wo die geflügelten Räuber nicht heran kommen, befinden sich deutlich mehr Käfer, Insekten und Falter, die Blüten und Blätter schädigen. Diese Bäume werfen 31 Prozent weniger Ertrag ab, als die Nachbarbäume, die von Fledermäusen „betreut“ werden. Umgerechnet erzielen die Kleinbauern 730 Euro pro Hektar und Jahr mehr. Allerdings sind die Zusammenhänge noch nicht alle verstanden. Vor allem geht es darum, gezielt Nistplätze für Vögel und Fledermäuse zu schaffen, damit sie zwischen den Kakaobäumen ihren Dienst verrichten [2].
Lesestoff:
http://de.makechocolatefair.org/
[1] Motamayor, J.C. et al. (2013): The genome sequence of the most widely cultivated cacao type and its use to identify candidate genes regulating pod color. In: Genome Biology 2013, 14:R53, (3. Juni 2013), doi: 10.1186/gb-2013-14-6-r53.
[2] Maas, B. et al. (2013): Bats and birds increase crop yield in tropical agroforestry landscapes. In: Ecology Letters (2013) 16: 1480–1487, (online 17. Oktober 2013), doi: 10.1111/ele.12194.
Roland Krieg, Fotos: roRo