Auftakt GFFA-Forum
Landwirtschaft
Wie ernähren wir die Stadt?
Bereits zum 8. Mal fand im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) statt. Das Thema beschäftigte sich mit einem Problem, das sich künftig verschärfen wird. Bereits heute lebt die Hälfte der Menschen in Städten. Bis 2050 werden es mit 75 Prozent rund sieben Milliarden Menschen sein. Städte haben ihre eigenen Probleme im Umgang mit Wohnungen, Arbeitsplätzen, Infrastruktur und … Ernährung. Ländliche Räume entleeren sich im gleichen Zug, wie Menschen in die Stadt wandern. Aber nur dort ist eine Lebensmittelproduktion möglich.
Aus agrarpolitischer Sicht muss die Landwirtschaft nachhaltig modernisiert werden, damit vielfältige Lebensmittel allen zur Verfügung stehen. Das setzt leistungsfähige Lieferketten für jedes Wohnviertel voraus. Als Grundlage für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion müssen die ländlichen Räume rund um den Globus vital bleiben. Darüber tauschten sich internationale Experten und 70 nationale Landwirtschaftsminister auf der GFFA-Konferenz aus. Der Start in Berlin darf als Beginn von Lösungen gelten, die im Oktober 2016 auf der UN-Konferenz „Habitat III“ in Quito Ecuador weiter entwickelt werden sollen [1].
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bringt nach Auskunft von Staatssekretär Thomas Silberhorn mit verschiedenen Projekten Stadt und Land näher zusammenbringen. Das Ministerium hat für die Ernährungssicherung 1,5 Milliarden Euro pro Jahr budgetiert. Ein Projekt ist die Verbesserung der lokalen Infrastruktur in Togo, das auf der Grünen Woche bei der erstmaligen Teilnahme des BMZ vorgestellt wurde. Das Programm „Eine Welt ohne Hunger“ gilt natürlich auch für die Stadt.
Stadtplanung in Belo Horizonte
Belo Horizonte ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais. Die Stadt wurde vor 118 Jahren gegründet, beherbergt 2,5 Millionen Menschen und bedeckt eine Fläche von fast 10.000 Quadratkilometern. In ihr leben 84 Prozent der Menschen des Bundesstaates. Die Verwaltung von „Schöner Horizont“, wie der Name aus dem portugiesischen übersetzt heißt, hat sich schon vor 20 Jahren Gedanken über die Versorgung der Stadt gemacht. Der in seiner zweiten Amtszeit befindliche aktuelle Bürgermeister Marcio Lacerda stellte in Berlin das Programm vor.
Wie alles fingen die Umsetzungen 1991 mit Schulgärten klein an. 1995 haben die Behörden mit Hilfe der Vereinten Nationen daraus ein Komplettprogramm gemacht. In Hunderten von Foren wurden Projekte auf allen Ebenen diskutiert. Wichtig war die Teilhabe der Menschen von Beginn an. Die Stadt hat ihre Nahrungsmittelhilfe ausgeweitet, so dass Belo Horizonte heute als „Stadt ohne Hunger“ gilt. Für registrierte Obdachlose geben die Tafeln heute täglich bis zu 11.000 Mahlzeiten aus. In den Schulen werden täglich 350.000 Mahlzeiten verteilt. Basis für solche Projekte sind Schulungen von Mitarbeitern im öffentlichen Bereich wie auch im privaten Sektor. Inhalte sind Pflanzkalender wie auch Bodenbearbeitung sowie Fruchtfolgenwechsel. Schließlich steht am Ende auch eine Qualitätskontrolle.
Die „kleinen Projekte“ laufen weiter und werden durch größere ergänzt. Heute gibt es 144 private Kleingärten zwischen 200 und 3.000 Quadratmeter Größe. Von den 55 kommunalen Stadtgärten werden 50 von kleinen Gemeinschaften betrieben, fünf größere bauen Produkte für den Handel an. Mit Landwirten aus Minas Gerais wurden erste Verträge für direkte Lieferungen von Lebensmittel abgeschlossen, die jährlich an 52 speziellen Verkaufspunkten etwa 740 Tonnen Lebensmittel liefern.
Es ist nicht nur das Mosaik aus „Urban Gardening“ in kleinem Maßstab und Lieferbeziehungen zwischen Stadt und Land. Die Menschen aus Belo Horizonte können ihre eigenen Sorten kultivieren. Das ist ihnen mit dem Stadtgesetz 10.255/11 sogar rechtlich zugesichert. Im Rahmen von Gemeinschaften werden individuelle Verantwortlichkeiten für tägliche Pflichten zugeteilt.
Peri-Urbane Lösungen
In Westeuropa und den USA erfährt Urban Gardening starkes Interesse. Vom Allmende-Garten auf einer öffentlichen Fläche bis zum Wohnungsbau mit Dachgarten gibt es nach Prof. Sir Gordon Conway vom Imperial College London die mannigfaltigsten Formen. Belo Horizonte ist für seinen Erfolg zu würdigen. Prof. Conway allerdings glaubt nicht an eine Übertragung des Projektes in einen globalen Maßstab. Am Ende ernähren wichtige Nahrungspflanzen, wie Getreide, Mais oder Rüben mit hohem Platzbedarf die Menschen. Der steht in den wachsenden Städten nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Daher braucht die Stadt das Land. Der peri-urbane Raum wird die Megastädte ernähren müssen. Mit moderner Produktivität und richtiger Raumplanung. Für das Beispiel Belo Horizonte sei der ganze Bundesstaat Minas Gerais der peri-urbane „Ernährungsraum“ für den „Schönen Horizont“.
Lesestoff:
Roland Krieg
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