„Aus Systemrelevanz resultiert Verantwortung“
Landwirtschaft
Welche Folgen hat Tönnies-Schließung?
Das vor Wochen noch selbst gerühmte Hygienekonzept von Tönnies hat sich als falsch erwiesen. Tests durch einen eigens eingerichteten Krisenstab zeigten zu Beginn der Pandemie Erfolge, das Virus schlug nun zurück.
Es dürfen nur noch die bereits vorhandenen Schweinehälften in Rheda zerlegt werden. Neuanlieferungen finden nicht mehr statt. Es bleibt nach wie vor die Frage, wie Infektionsketten unterbrochen werden können. Das hoch infektiöse Virus beherrschen zu können, hat sich als Irrtum herausgestellt. Zwei Drittel der mehr als 900 Tests wurden positiv gemeldet. Gütersloh musste Schulen und Kitas gerade erst wieder schließen. Mit solchem Versagen bleibt die Zukunft düster.
Folgen
Nicht nur die Bewohner von Gütersloh sind betroffen. Robert und Clemens Tönnies stehen sich in Familienfehde gegenüber. Der Schalker-Mäzen Clemens hatte sich noch heftig gegen ein Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie ausgesprochen, Neffe Robert hingegen forderte deren Ende sogar aktiv ein. „Dass gerade in Schlachtbetrieben die Infektionszahlen weit überdurchschnittlich hoch sind, ist ganz sicher auch dem System der Werkverträge geschuldet; es zwingt viele Arbeiterinnen und Arbeiter in unzumutbare Wohnverhältnisse, die mit einem hohen Ansteckungsrisiko verbunden sind und nur wenig Schutzmöglichkeiten bieten, wenn einmal eine Infektion auftritt“, erklärt Robert Tönnies dem Westfalen-Blatt von Donnerstag. Robert Tönnies fürchtet erneut um das Image der Schlachtbranche.
Nicht nur er. Der Tönnies-Konzern hält rund 30 Prozent des Schlachtvolumens bei Schweinen in ganz Deutschland. Am Standort Rheda sind es 14 Prozent. Jedes siebte in Deutschland geschlachtete Schwein endet in Rheda. „Aus Systemrelevanz resultiert Verantwortung“, sagte Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes am Donnerstagmorgen in einem Webinar. Eigentlich ging es um Agrarmärkte allgemein. Aber um Tönnies kam er nicht herum. „Die Wertschöpfungskette hat ihre Verantwortung und muss ihre Angelegenheit möglichst schnell in Ordnung bringen“, mahnte Krüsken. Sollte das Werk rund zwei Tage geschlossen bleiben, seine die wirtschaftlichen und Tierwohleffekte noch gering. Sollte der Schlachthof allerdings zwei Wochen geschlossen bleiben, werde es ernst.
Mit dem Ausfall der Schlachtstufe, bleibt die Belieferung der Ladentheken aus und die weiter wachsenden Tiere müssen auf den landwirtschaftlichen Betrieben bleiben und blockieren die Nachfolger.
Mehr Regionalität
„Theoretisch ist das regionale Schlachten richtig, aber es gab starke Gründe für die Entwicklung für die derzeitigen Strukturen“, fuhr Krüsken fort. Dazu gehöre die „Economy of Scale“ auf den Betrieben und beim gesamten Prozess sowie Hygieneanforderungen, hinter denen niemand zurück wolle.
Für Krüsken liegt das Verschwinden der regionalen Schlachtbetriebe in der Vergangenheit, weil sie den Veränderungen im Lebensmitteleinzelhanel nicht mehr folgen konnten. Sowohl Bei Menge als auch Logistik konnten sie den Händlern nicht mehr genügen. Der Kunde habe sein Einkaufsverhalten hin zum „One-stop-Shopper“ entwickelt. Eine Umkehrung der Prozesskonzentration müsse alle Stufen bis hin zum Verbraucher einbeziehen.
Roland Krieg
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