Autarkie in der Uckermark

Landwirtschaft

Clusterinitiative ENOB informiert Bauern

>Den Strommarkt in Deutschland teilen sich wenige Gebietsmonopolisten, Erdöl wird immer teurer und damit auch die Gaspreise: Irgendwann sind aber alle Glühbirnen im Haushalt durch Energiesparlampen ersetzt, Kühlschrank und Waschmaschine arbeiten mit der Energieeffizienz A, und die Ausgaben für Energie steigen trotzdem weiter. Schon bevor die Energiesparpotenziale erschöpft sind, lohnt es sich einmal etwas ganz anderes zu denken:

Strom vom Bauern
Eine Kuh produziert pro Tag bis zu 20 kg Mist, der bis zu 2 Kubikmeter Biogas liefert. So fällt in einem Jahr die Menge Biomasse an, die 300 Liter Heizöl einsparen kann. Ein Hektar Mais reicht aus, um mit der Verstromung von Biogas zwei bis drei Haushalte ein Jahr lang versorgen zu können. Warum also nur Lebensmittel bei den Bauern kaufen und nicht auch Strom? Erneuerbare Energien sind zu einem globalen Wirtschaftsthema geworden und Verbraucher beginnen sich mehrheitlich für das Thema zu interessieren. Nur vereinzelt ist es schon Realität.
In Nord-Ost-Brandenburg (NOB) hat sich im Herbst 2004 ein Energie-Cluster gegründet, der vergangenen Donnerstag erstmalig in dem kleinen Dorf Wittstock bei Prenzlau Bauern zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung einlud.

Energie-Cluster ENOB
Die regionale Energieinitiative BarUm 111 der Landkreise Barnim und Uckermark bildet den Rahmen für die Arbeitsgruppe Biogas, aus der die Clusterinitiative ENOB hervorgegangen ist. Erwin Meyer-Wölfing, Management der ENOB, fasste knapp zusammen, wozu der Cluster dient: "Gemeinsam lässt sich mehr erreichen als allein." Über 20 Landwirte, Planer, Anlagenbauer, Betreiber von Anlagen und Energienetzen sowie Stromhändler und Einrichtungen der Forschung und Entwicklung organisieren sich für den Energiemix aus erneuerbaren Quellen und vermarkten ihn. Die Fachhochschule Eberswalde steht den Projekten wissenschaftlich zur Seite.
Ziel ist der Aufbau dezentraler Energienetze für den Verkauf von Bioenergie als Treibstoff, Wärme, Gas und Strom. Dabei soll in der Region eine vollständige Wertschöpfungskette aufgebaut werden, um die regionale Wirtschaftsentwicklung voranzutreiben. In der Uckermark wurden in den letzten Jahren 430 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien geschaffen. Die große Bioenergieanlage in Schwedt wird weitere 230 Arbeitsstellen bereit stellen und insgesamt geht die BarUm 111 - Initiative von einem Potenzial im Landkreis Uckermark von 1.500 Stellen aus. Wenn es gelingt, 40 Prozent der Wertschöpfung im Bereich der erneuerbaren Energien und rationellen Energieverwendung in den Landkreisen zu halten, dann können bis 2020 zusätzlich 4.000 Vollarbeitsplätze geschaffen werden. Das prognostizierte Prof. Piorr bereits bei der Grundsteinlegung der Biogasanlage auf Gut Kerkow. Das Gut ist das aktuellste Beispiel eines neuen Bioenergiehofes. In Bau oder in Planung befinden sich insgesamt sechs weitere Betriebe in der Region, u. a. auch der Milchviehbetrieb von Pieter Wolter. Zwei Energiehöfe sind bereits in Betrieb und zeigen, dass die regionale Energieinitiative mehr als nur ein Netzwerk der Ideen ist. Neben dem Betrieb von Martin Schulze in Dolgelin produziert schon die gastgebende Agrar GbR Jähne/Marquardt in Wittstock Biogas mit rund 700 Rindern auf etwa 1.000 ha landwirtschaftliche Fläche. 350 Tiere davon sind Milchkühe.
Der Fermenter aus Edelstahl umfasst 900 Kubikmeter und wird mit einer Temperatur von 39 °C gefahren. Der Foliengasspeicher für das Biogas umfasst 280 Kubikmeter und liefert 152 kW installierte elektrische Leistung. Die Wärme wird für den Fermenter, die Vorgrube, Warmwasserzubereitung für den Melkstand, das Büro und die Wirtschaftsräume genutzt. Landwirt Dr. Manfred Jähne sieht in der energetischen Verwertung neben der traditionellen Lebensmittelproduktion "eine Chance für ein neues Produkt, die man nutzen muss".

Hindernisse
Leider ist es nicht so einfach, vorhandene Biomasse der Kühe zu nutzen. Rainer Korrmann beispielsweise musste berichten, dass er für seine Anlage noch keine Baugenehmigung hat. Sind alle denkbaren Unterlagen bei den Behörden eingereicht, dann kommen zwei Monate später neue Formulare mit neuen Anforderungen aus einer anderen Abteilung. Da Banken aber nur das finanzieren, was zeitlich genau umgesetzt und eingehalten werden kann, stellt das Genehmigungsverfahren eine Unsicherheit für die Finanzierung dar. Die Biogasanlage darf nicht auf landwirtschaftlichem Boden gebaut werden, sondern muss auf gewerblich umgewidmeter Fläche stehen. Das Kataster braucht dafür eine komplett neue Vermessung und neuen Lageplan: das kostet bis zu 3.000 Euro.
Genau hierin sieht Erwin Meyer-Wölfing die Aufgabe des Clusters: Die Behörden sind im Umgang mit erneuerbare Energien noch unsicher. Die Umweltbehörden und Ministerien wurden bereits weiter qualifiziert. So etwas kann ein einzelner Landwirt oder ein Anlagenbauer gar nicht leisten und sei daher eine typische Aufgabe des Netzwerkes.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern sieht Brandenburg in der Gülle aus der Biogasanlage noch einen Abfallstoff und kein landwirtschaftliches Produkt, weswegen nur ein geringer Teil davon auf die Felder gebracht werden darf. Werden aber anstelle der üblichen 70 Kubikmeter nur noch 30 Kubikmeter je Hektar als Düngemittel eingesetzt, dann haben die Bauern ein Flächennachweisproblem für die Gülle. Dabei leiden die Brandenburger Böden bereits generell unter Humusmangel. Ein Änderungserlass des Agrarministeriums ist noch nicht wirksam geworden.
Meyer-Wölfing führt auch so genannte Biogasstammtische ein, bei denen sich die Beteiligten über ihre Erfahrungen austauschen können. Gegenüber Herd-und-Hof.de sagte er, dass die bayrischen Bauern mit solchen Einrichtung effektiv arbeiten. Ein Cluster entlang der gesamten Wertschöpfungskette gäbe es seines Wissens aber nicht in Deutschland.

Risiken
Eine ganz große Hilfe ist das Erneuerbare Energiengesetz, dass Stromfirmen zur Abnahme des Stroms verpflichtet. Am Donnerstag verließ sich Stefan Wagner von der Uckerwerk Energietechnik GmbH auf Nachrichten der Koalitionsverhandlungen, dass das Gesetz mindestens bis 2007 den Absatz garantiert. Allerdings kann nach Seehofers Worten der Bestand über 2007 wohl nicht als gesichert angenommen werden können. Dann wird sich der Energie-Cluster unter Wettbewerbsbedingungen profilieren müssen.

Roland Krieg

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