Backhaus geht mutig voran
Landwirtschaft
MV startet Reduktionsprogramm für Milch
Wer weniger Milch an die Molkerei liefert entlastet den aktuellen Milchmarkt. Ein entlasteter Milchmarkt bringt die Milchpreise nach oben. Wer weniger Milch liefert, der erzielt aber auch weniger Umsatz. Das bringt die Bauern nach dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Joachim Rukwied in die Bredouille, das Rating bei der Bank zu verschlechtern. Ein Grund, warum die Milchbauern, solange es geht, auch bei niedrigen Preisen lieber noch viel Milch verkaufen wollen.
Wer weniger Milch liefert, der muss zudem fürchten, dass andere Landwirte in die Bresche springen und den Anteil für immer übernehmen. Solange es kein verbindliches und europaweites Vorgehen gibt, kann der „Reduzierer“ der größte und freiwillige Verlierer auf dem Milchmarkt sein.
Umso mutiger ist es, dass Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus in Mecklenburg-Vorpommern jetzt ein Reduktionsprogramm auflegt. Folgerichtig ist es, weil die EU einen Teil der Hilfsgelder dafür vorsieht – unabhängig davon, ob das Programm Sinn macht und von den Landwirten angenommen wird. Außerdem wird am Sonntag gewählt und findet eine Woche später die Herbstkonferenz der Agrarminister in Warnemünde statt [1].
Die Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt (StÄLU) in MV würden für jeden nicht gelieferten Liter Milch eine Entschädigung in Höhe von 14 Cent auszahlen. Falls alle daran teilnähmen, würde sich die Milchmenge innerhalb der EU um eine Million Tonnen reduzieren, rechnet Backhaus hoch. Habe sich ein Milchbauer für das Programm entschieden, muss er drei Monate lang die Milcherzeugung senken. Als Referenzgröße gilt die Milchanlieferung des Vorjahreszeitraums.
Die erste Antragsfrist endet bereits am 21. September und gilt für den Zeitraum Oktober bis Dezember. Online oder in Papierform werden monatlich bis zu drei weitere Antragsrunden folgen, teilt das Ministerium mit. Für die Berechnung muss eine Kopie des Milchgeldes aus dem Juli 2016 und den Monaten Oktober bis Dezember 2015 beigefügt sein.
„Ich empfehle ausdrücklich, dass sich die Milcherzeuger, die dieses Programm nutzen wollen, bereits jetzt um die notwendigen Unterlagen kümmern“, betonte Backhaus am Dienstag.
Kommission verteidigt Mengenreduktion
Brüssel hat am Dienstag die Sommerpause beendet. Der EU-Agrarausschuss tagte unter anderem zum Thema Milchpaket, dessen neueste Version am 08. oder 09. September verabschiedet werden soll. Trotz mancher gegenteiliger Stimmen aus der Branche sind die Milchpreise noch immer in einem Preistief, teilte die Kommission mit. Die 500 Millionen Euro seien eine „kohärente Lösung“. Allerdings gibt es keine Evaluierung des ersten Hilfspaketes mit 500 Millionen aus dem letzten Jahr. Die Länder hätten ihre Daten zu spät gemeldet. So ist auch die Wiederholungstranche in ihren Effekten offen.
Abgeordnete wie Martin Häusling (Grüne) monierten offen, dass Milchgebende Kühe für den Zeitraum von drei Monaten in die Nachbarschaft abgegeben werden könnten, um nach der Mengenreduktion wieder auf dem heimischen Betrieb zurück zu kommen. Die Kommission wird das nicht ausschließen können, kündete jedoch Kontrollen vor und nach dem Reduktionszeitraum an, um das Problem der „Wanderkühe“ einzugrenzen. Gegenüber Befürchtungen, dass die 14 Cent für jeden nicht gelieferten Liter Milch, kein Garantiepreis seien, trat die Kommission entschieden entgegen. Jedoch wird bei Erreichen der 150 Millionen, die für dieses Programm vorgesehen sind, die Menge, für die Landwirte das Programm nutzen können, reduziert. In den vollen Genuss der angemeldeten Menge kommen offenbar nur die ersten Antragssteller. Innerhalb von drei Tagen nach dem Stichtag 21. September will die Kommission anhand der Ländermitteilungen feststellen können, wie viel Milchmenge reduziert werden kann.
Einzig der CDU-Abgeordnete Peter Jahr betonte erneuet, dass die Molkereien aus der Misere nicht entlassen werden dürften und, mit Blick auf die genossenschaftlichen Molkereien, die Lieferbedingungen der jeweiligen Marktsituation angepasst werden müssten.
Politiker ratlos
Was der Agrarministerkonferenz nächste Woche in Warnemünde noch bevorsteht, zeigte sich beim Thema Preisvolatilitäten am Dienstag schon im Agrarausschuss. Angélique Delahaye von den französischen Christdemokraten stellte ihren Berichtsentwurf „zur Verringerung der Preisschwankungen auf den Agrarmärkten“ vor. Nahezu 400 Änderungsanträge liegen bereits vor. Die große Kritik äußert sich in der Feststellung, dass mal wieder ausschließlich finanzielle Maßnahmen aufgelistet sind und ein Politikansatz für eine Agrarpolitik, die Krisen vorbeuge nicht vorhanden ist. Martin Häusling zeigte sich resigniert, weil es nicht der erste und nicht der letzte Bericht ist: „Unsere Vorschläge landen alle in der Mülltonne“, blickte er in Richtung Agrar-Kommission. Der Bericht bestehe aus kosmetischen Änderungen für die Weltmarktausrichtung, was den Rübenbauern zum Ende der Zuckerquote im nächsten Jahr ebenfalls noch bevorstehe. Ursache der Preismisere ist für Parteikollegin Maria Heubuch die „Deregulierung als großer politischer Fehler, dem man mit Regulierungen begegnen kann.“
Lesestoff:
[1] Starker Milchappell mit Europabremse auf der Agrarministerkonferenz in Göhren-Lebbin
Roland Krieg; Fotos: roRo (Archiv)