Bauen mit Holz: Da geht noch was ...

Landwirtschaft

Holzbau-„Leuchttürme“ erreichen den breiten Wohnungsbau

Ein einzelnes Blockhaus ist schick. Einen ganzen Wohnblock mit nachwachsenden Rohstoffen auszustatten ist noch Traum. Vision aber schon nicht mehr, denn auf der Berliner Bautec haben Architekten zahlreiche Beispiele aufgezeigt, dass Bauen mit Schilf, Holz und Stroh auf den Sprung in den Alltag ist. Aber noch immer Unterstützung braucht.

Marktstudie Holzbau

Das Thünen-Institut für Forstökonomie hat im Dezember 2013 eine Marktstudie zum Holzbau abgeschlossen, die über die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes im Bauwesen Auskunft und Tipps für die Zukunft gibt. Dr. Holger Weimar hat sie am Dienstag im Rahmen der Bautec auf dem Kongress der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) vorgestellt.

Die Experten verwendeten dabei das Maß Baukubikmeter m3(b), der das Volumen der Holzprodukte im Gebäude einnimmt, um verschiedene Gewerke vergleichbar zu machen. Im Jahr 2012 wurden 13,4 Millionen Baukubikmeter Holz im Hochbau verwendet, für die 16,6 Millionen Baukubikmeter eingesetzt werden mussten. Über alle Gewerke hinweg, vom Dachstuhl bis zu Spanplatten fallen 19,3 Prozent Verschnitt an.

Dach und Tragekonstruktion sind die häufigste Verwendung für das Holz, doch mittlerweile entfällt auf den Einsatz als Wärmedämmung mit 22 Prozent das meiste Volumen. Zu 85 Prozent wird Nadelholz, zu 13 Prozent Laubholz und zu zwei Prozent Tropenholz verwendet. Pro eine Million Euro Bauvolumen entfallen im Wohnungsbau 52,8 Baukubikmeter auf Holz. Nach Rauminhalt vermessen ergibt sich eine sehr große Spreizung. Je Kubikmeter Raum werden zwischen 27 und 127 Baukubikmeter Holz verwendet.

Die Thünen-Analyse zeigt auch eine räumliche Zuordnung. Die meiste Holzmenge wird von Norden über den Westen bis in den Süden verbaut. Pro-Kopf liegen aber Bayern und Baden-Württemberg deutlich vorn.

Die Studie zeigt einen deutlichen Knackpunkt. Das meiste Holz wird beim Eigenheim verwendet. Der Ausbau des 3-Personen-Eigenheims bis 2030 wird aber stagnieren. Künftig ist mit einem Zubau von Mehrfamilienhäusern zu rechnen. Hier wird Holz noch am wenigsten eingesetzt. Und werde hier nicht mehr Engagement für die Verwendung von Holz gezeigt, dann wird das Volumen des Holzbaus in den nächsten Jahren keine Steigerung aufweisen.

Raum gibt es auf jeden Fall für Innovationen. Sowohl Wärmedämmplatten als auch tragende, stabförmige Bauteile aus Holz finden immer mehr Verwendung auf den Baustellen [1].

Wohngesundheit

Es gibt die Berichte: Familien ziehen nach wenigen Wochen aus ihrem neuen Holzhaus wegen Schadstoffbelastung wieder aus. In Regensburg kann ein Kindergarten nicht bezogen werden, weil mit leicht flüchtigen Kohlenwasserstoffen die Raumluft belastet ist. Josef Spritzendorfer von der Europäischen Allianz für Wohngesundheit ist ehrlich. Das schädigt das Image des Holzbaus, der gerne mit einem natürlichen Umfeld beworben wird. Im Fokus stehen Terpene und Formaldehyd. Derzeit richten sich die Handwerker und Architekten an den Richtwerten des Bundesumweltamtes, das für flüchtige Kohlenwasserstoffe einen Richtwert von 1.000 Mikrogramm angegeben hat. Die Stoffe verflüchtigen sich nicht immer nach kurzer Zeit und sollten in der Branche ernst genommen werden. Dazu gehöre auch eine Überprüfung des Richtwertes, der natürliche Terpene genauso wie unerwünschte umfasst. Nur dann könne eine Rechtssicherheit für Bauherren gegeben sein. Spritzendorfer zeigte aber auch, dass die Bauherren schon heute vieles unternehmen können. So gilt die harzreiche Kiefer als Baustoff mit einem hohen Terpengehalt. Andere Hölzer, andere Verarbeitungen und die Frage, ob Mieter sensibel auf Terpene reagieren, gehören zum Standard des gesunden Wohnungsbaus. Dann sind auch Häuser möglich, die deutlich weniger als 100 Mikrogramm Terpene emittieren [2].

Weitere Rohstoffe

Schon in den 1920er Jahren haben Firmen Celluloseacetat (CA) als Grundstoff für Plattenelemente genommen. Der aus Holz gewonnene Stoff wurde jüngst vom Fraunhofer-Institut für Umwelt, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) auf seine Eignung als Bioschaumplatte geprüft. Im Wesentlichen ging es dabei um den Verarbeitungsprozess, einen Bioschaum herzustellen, der mit Hilfe von verschiedenen Additiven, Füllstoffen und Verstärkungsstoffen maßgeschneiderte Biokunststoffe für spezielle Anwendungen bedienen kann. Den Stoff hat fast jeder schon einmal als luftige Verpackung für Heißspeisen in der Hand gehabt. Die Fast Food-Industrie packt ihre Fleischklopse in solche Schachteln ein.
Nach Thomas Wodke von Umsicht hat das Projekt gezeigt, dass geschäumte Bauplatten mit herkömmlichen Polystyrolplatten mithalten können. Sie haben eine „geschlossenzellige“ Struktur und nehmen daher auch keine Feuchtigkeit auf. Sie werden in Extrudern unter hohem Druck hergestellt und schäumen bei Zusatz eines Treibgases auf.

Auch Moore sind Quellen von Baustoffen. Mecklenburg-Vorpommern hat rund 280.000 Hektar Moore, von denen allerdings 98 Prozent degradiert sind. Das Projekt von Anne Wollert vom Innovations- und Bildungszentrum Hohen Luckow konnte zeigen, dass auf diesen Moorflächen Schilf, Seggen oder Rohrglanzgras angebaut werden könnte. Wegen der hohen Verfügbarkeit, leichten Kultivierbarkeit und bestehenden Halmgutkette bei der Ernte und Verarbeitung hat sie mit Phragmilis australis (Schilfrohr) experimentiert. Weil Sumpf auf lateinisch Palus heißt, wird die Bewirtschaftung der Niedermoore auch Paludikultur genannt. Wollert hat in ihrem Projekt zeigen können, dass vermahlenes und gepresstes Schilf zu Brandschutzplatten verarbeitet werden können. Sie haben mit 1.256,9 Kilogramm pro Kubikmeter ein außerordentliches Gewicht. Sie quellen aber auch nach einem Wasserbad von 24 Stunden nicht auf und überstehen den anschließenden Trocknungsprozess. Zudem sind die Platten bei gutem Ausgangsmaterial auch Schimmelresistent. Solche Platten sind in der Tat für Räume mit hoher Feuchtigkeit und hohen Brandschutzauflagen geeignet, wie beispielsweise auf Schiffen. Noch in diesem Jahr soll ein Buch über die Paludikultur und das Projekt erscheinen.

Holzbau Plus

Neben vielen Ideen von Mehrfamilienhäusern aus Holz werden mittlerweile auch alte Gebäude mit den neuen Baustoffen saniert. In München-Sendling wurde ein Wohnungsblock aus den späten 1950er Jahren mit einfachster Gebäudetechnik, hohen Energiekosten und unzureichendem Raumklima erfolgreich modernisiert. In Augsburg hat Architekt Frank Lattke einen ganzen Wohnblock mit 60 Wohnungen mit Holzfertigelementen energetisch modernisiert. Ihm ging es vor allem um die Vorfertigung, die in diesem Fall 100 Prozent in der Werkstatt erreicht hat. Der Energieverbrauch sank von 140 auf 30 kWh je Quadratmeter und führte bei leicht gestiegener Kaltmiete zu einer Mietpreiserhöhung von 7,21 auf 7,39 Euro je Quadratmeter.

Solche Projekte zeigen, dass man mit Holz bauen kann. Damit das auch weiter geht, hat Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium den diesjährigen Bundeswettbewerb Holzbau Plus ausgerufen. Es geht dabei um Gesamtkonzepte mit erheblichem Einsatz weiterer nachwachsender Rohstoffe, die neben dem Wohlgefühl beim Wohnen dem ländlichen Raum auch eine Wertschöpfungskette bieten. Holz, Flachs, Hanf und Schilf sind genauso angesprochen wie Bauen mit Stroh. Im Fokus steht die energetische Sanierung, weil zwei Drittel der Baumaßnahmen im bestehenden Gebäudebestand stattfinden.

Auch in diesem Jahr geht die Wanderausstellung BAUnatour wieder auf Reisen. Bauherren und Mieter können sich über ihren Hausbau oder Farben und Lacke für ihre Renovierung auf der Basis nachwachsender Rohstoffe informieren. Ab 2015 bekommt die Ausstellung einen neuen Schwerpunkt. „Vernetzungsdialog“ heißt das neue Zauberwort. Nachdem die Ausstellung in diesem Jahr als Projekte für die UN-Dekade für nachhaltige Entwicklung ausgewählt wurde, wird sie im nächsten Jahr Kommunen bei konkreten Anlässen zur Verfügung stehen. Bürger können sich weiterhin beraten lassen, aber es sollen auch Seminare zum Thema stattfinden. Andreas Brückner von der FNR kündigte auch die Arbeit an einer Ausbildung zur Fachkraft für nachhaltiges Bauen an, wie es sie für den Lehmbau bereits gibt und für den Bau mit Strohballen ebenfalls in Vorbereitung ist.

Lesestoff:

[1] „Holzverwendung im Bauwesen – Eine Marktstudie im Rahmen der „Charta für Holz“, Thünen Report 9: www.ti.bund.de -> Thünen Publikationen -> Thünen Report -> Thünen Reports 2013

[2] Für dieses umfassende Thema gibt es zahlreiche Informationsseiten: www.oebag.de / www.sentinel-haus-stiftung.eu / www.mcs-haus.de / www.nachhaltigkeit-bau.de / www.airwool.de

FNR-Projekt: www.bau-natour.de

Den Leitfaden Nachhaltiges Bauen finden Sie unter www.nachhaltigesbauen.de und liegt beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vor.

Die Bautec hat noch bis Freitag auf dem Berliner Messegelände geöffnet www.bautec.com

Roland Krieg; Fotos: roRo

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