Bauern arbeiten auch in der Krise
Landwirtschaft
Landwirtschaft ist vorbereitet
Der Erreger SARS-CoV-2 verursacht die Lungenkrankheit Covid19, die einen milden Verlauf, eine schwere mit Beatmung verursacht oder sogar tödlich verläuft. Es gibt weder eine Therapie noch einen Impfstoff gegen das Virus. Von China aus, hat der neue Krankheitserreger die Weilt überrollt. Italien und Spanien haben einen Notstand ausgerufen, Österreich vergangenen Sonntag eine Strenge Reglementierung für das Verlassen der Wohnung veranlasst. EU-Parlamentspräsident David Sassoli spricht von Europas größter Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Innerhalb einer Woche haben Berlin und Brüssel politisch Maßnahmen beschlossen und Veränderungen bei den Strukturfonds veranlasst, wirtschaftliche Schäden so gering wie möglich zu halten. Diesen Montag hat die Bundesregierung in Abstimmung mit den Bundesländern eine Liste mit Geschäftsarten veröffentlicht, die öffnen dürfen. Der Lebensmitteleinzelhandel gehört dazu.
Grundversorgung gesichert
Der Selbstversorgungsgrad ist in Segmenten, wie Weizen, Schweinefleisch, Frischmilcherzeugnisse und Käse ausreichend hoch, betont der Deutsche Bauernverband. Offenbar sehen Konsumenten das anders und leeren die Regale. Die Lücken sind am nächsten Tag wieder gefüllt. Damit das auch so bleibt, geben Rinder Milch, setzen Schweine Fleisch und Fett an, bringen die Landwirte gerade die neue Saat in den Boden. Doch nicht nur sie haben Detailfragen, wer im Falle des Falles, die Milch abholt, Vieh transportiert und ob zu Ostern frischer Spargel verfügbar ist?
Wie lange dauert die Ausnahmesituation?
Was aktuell über Deutschland und Europa hereinbricht, ist von unbekannter Dauer. Wie lange die aktuellen Maßnahmen notwendig sind, darüber kann das Robert-Koch-Institut (RKI) keine Aussage treffen. „Es gibt auch keine Prognose zur Saisonalität“, teilt das RKI auf Anfrage mit. Der wesentliche Faktor ist die Immunität der Bevölkerung, „denkbar wäre aber ein abschwächender Faktor von Temperatur, UV-Strahlen und allgemein besserem Immunzustand der Menschen im Sommer“.
Selbst erkrankt?
Selbst wenn ein Veterinär zur Abnahme eine Viehtransportes ausfällt, wird es eine Vertretung geben. Kann ein Landwirt die Saat nicht ausbringen, dann wird der Nachbar die Feldarbeit mit erledigen. Die Solidarität unter den Ackerbauern und Nutztierhaltern ist groß. Auch die Futterversorgung wird funktionieren. Solche Fragen haben sich in der ersten Woche des Pandemieverlaufes aufgedrängt. Doch so wie jüngere Menschen in der Stadt für die Senioren einkaufen gehen, so helfen sich die Landwirte untereinander aus.
Aktuell steht das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit den landwirtschaftlichen Verbänden im ständigen Austausch zur Klärung offener Fragen über das Kurzarbeitergeld für Angestellte und weiterer Betriebshilfen. „Dazu gehört auch, was zu tun ist, wenn ein Betriebsleiter selbst erkrankt ist“, teilt eine Sprecherin mit: „Das, was für Selbständige und Angestellte grundsätzlich gilt, gilt auch für die Landwirtschaft. Aktuell wird geprüft, inwiefern die bereits von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmenpakete auch für die Landwirtschaft gelten. Vor allem diejenigen Betriebe, die bei ihrer Ernte von Gemüse, Kräuter oder Obst auf Saisonarbeiter angewiesen sind, sehen sich großen Problemen gegenüber gestellt.“ Die Situation könnte auch ganz anders gelöst werden: „Eine mögliche Überlegung wäre, das Mitarbeiter, die in der Gastronomie nun leider immer weniger zu tun haben, in der Landwirtschaft einspringen können und möchten. Denn Krisenzeiten erfordern auch unkonventionelle und pragmatische Lösungswege.“
Desweiteren prüft das BMEL, welche bürokratischen Anforderungen aktuell heruntergefahren werden können. Was im Einzelnen anfällt muss jeder Betriebsleiter individuell prüfen und lösen.
Fleisch und Milch
Der Schweinesektor ist das Paradebeispiel für eine spezialisierte Arbeitsteilung und auf abgestimmte Lieferketten angewiesen. Könnten Mastschweine nicht pünktlich zum Schlachthof geliefert werden, „staut“ sich die Lieferkette bis in die Sauenhaltung „zurück“. Tönnies beispielsweise hat schon seit Wochen eine Krisenstelle Pandemie eingerichtet“, teilt Deutschlands größter Schlachthof mit. An den Produktionsstandorten sind Vorbereitungen für die Lebensmittelversorgung gewährleistet. Tönnies sieht sich als systemrelevant für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung und will selbst erklärt auch „in Zeiten der Krise arbeitsfähig“ sein. Der Konzern hat in den vergangenen Tagen einen Anstieg an Fleisch und Wurstwaren bemerkt, verzeichnet aber auch eine geringere internationale Nachfrage. Insgesamt „produzieren wir auf einem gewohnten Niveau“. Die Partner sind angewiesen die Hygiene- und Vorbeugemaßnahmen in den Geschäftsabläufen zu erhöhen.“
Tönnies weist auf die Offenheit der Grenzen für den Güterverkehr hin. Innerhalb der EU findet nach wie vor ein reger Austausch an Lebensmittelprodukten statt. Selbst Fernfahrer aus Italien bringen Obst und Gemüse nach Deutschland. Aus Sicherheitsgründen dürfen die Fernfahrer in ihren Kabinen sitzen bleiben, meldet die aktuelle Ausgabe der Lebensmittelzeitung. Das Ausladen übernehmen die Lagerarbeiter.
Auch die Milchabholung ist im Falle einer Erkrankung des Betriebsleiters und Quarantäne des Betriebes gesichert, teilt der Milchindustrie-Verband mit. Das Virus wird nicht über Lebensmittel übertragen. Der Milchfahrer kann den vom Stall separat platzierten Milchtank ohne Kontakt zu den Mitarbeitern leeren.
Öffnungszeiten
Baden-Württemberg hat zur Entzerrung der Einkaufsströme diese Woche die Sonn- und Feiertage zur Öffnung von Lebensmittelgeschäften in er Zeit zwischen 12 und 18 Uhr erlaubt. „Je weniger Menschen gleichzeitig einkaufen gehen, desto niedriger ist die Ansteckungsgefahr“, sagt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.
Roland Krieg
Der Großteil des Textes ist zuerst in der Vieh und Fleisch Handelszeitung erschienen.
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