Bauern auf dem Weg zur smarten Betriebsführung

Landwirtschaft

Landwirte bewerten die Digitalisierung nach Nutzeffekten

Die Wetter-App zählt dazu. Sensoren für die bedarfsgerechte Bewässerung ist noch selten, der autonom fahrende Traktor noch keine Realität. Dennoch ist die Digitalisierung auf den landwirtschaftlichen Betrieben bereits weit fortgeschritten und hat gegenüber anderen Wirtschaftssektoren die Praxisführerschaft übernommen.

Auch kleine Betriebe setzen auf Digitalisierung

Die nach vier Jahren zweite repräsentative Erhebung der Bitkom in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) zur Digitalisierung in der Landwirtschaft ist eindeutig: Auf 91 Prozent aller Betriebe ab 100 Hektar ist eine digitale Betriebslösung bereits im Einsatz. Selbst auf kleineren Betrieben zwischen 30 und 49 ha hat die digitale Zukunft Einzug gehalten. Zur Einordnung der Zahlen: Die kleinen Betriebe liegen unter dem Bundesdurchschnitt von 62 ha und galten zu Beginn der Digitalisierung als Verlierer des neuen Techniktrends. Die Wachstumsschwelle hat sich nach oben verschoben und beschreibt zumeist die Betriebe mit einer Flächenausstattung von mehr als 100 ha.

Fütterungsautomaten, GPS-gesteuerte Landmaschinen und Farm-Managementsysteme gehören fast schon zur Standardausstattung. Mindestens 40 Prozent der Betriebe nutzen sie und ein weiteres Viertel der Befragten ist bereits bei der Einsatzplanung. Die neueste Technik, wie Feldroboter, Drohnen und Künstliche Intelligenz wird auch bereits von rund zehn Prozent der Betriebe genutzt. Und ein weiteres Drittel plant die Anschaffung.

Landwirte gelten generell als technikaffin und neugierig. Messenger, Digitale Ackerschlagkarteien und selbst Cloud Computing werden bereits im Rahmen der Betriebsführung eingesetzt. Da hat die Digitalisierung nach dem Feld auch bereits das Büro erobert.

Klimawandel als Techniktreiber?

DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken hat am Montag in der Telefonpressekonferenz auf die lange Geschichte der Anpassung in der Landwirtschaft hingewiesen. Die Verlängerung der Vegetationszeit und die Verschiebung der Niederschläge haben sich seit den 1980er Jahren stückweise fortgesetzt. Nach den beiden Trockenjahren 2018 und 2019 ist die Fortführung der Dürre nach ausbleibendem Niederschlag in den kommenden Wochen „Klimawandel zum Anfassen“.

Der optimale Einsatz von Ressourcen wird immer wichtiger. Nicht nur, weil die landwirtschaftlichen Preise weiterhin auf niedrigem Niveau bleiben, sondern weil die Landwirte selbst sich eine große Verantwortung beim Kampf gegen den Klimawandel zuschreiben. Sie sind weiterhin bereit, ihre Produktion an die sich wandelnden Bedingungen anzupassen.

Nach Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder kann die Digitalisierung zwar keinen Regen machen, aber die knappe Ressource Wasser optimaler einsetzen helfen. Das ist bei den Betrieben angekommen. Haben vor vier Jahren noch 18 Prozent der Landwirte angegeben, dass die Digitalisierung keinen Einfluss auf ihren Betrieb hat, hat sich der Prozentwert auf neun Punkte halbiert. Auch wenn die Zahl der Skeptiker gestiegen ist, hat die Zahl der positiv eingestimmten Landwirte deutlicher zugenommen.

Auf der Habenseite der Digitalisierung stehen für die Landwirte eine höhere Produktionseffizienz und eine höhere Attraktivität des Berufes. Auf der Soll-Seite stehen hohe Investitionskosten an allererster Stelle.

Landwirtschaft nach der Pandemie

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass Sektorenmit einem hohen Arbeitskräftebedarf in der Pandemie am anfälligsten sind. Die Fachkräfte aus dem Ausland wurden nach einigem politischen Hickhack dennoch eingeflogen. Ob sich der Einsatz lohnt? Kritiker finden das unverhältnismäßig. Auf einem Spargelbetrieb ist ein rumänischer Erntehelfer an Covid-19 verstorben.

Im Bereich von Obst- und Gemüsebau haben in den letzten Jahren die ersten Vollerntemaschinen die mühsame Handarbeit ersetzen können. Vom Spargelvollernter bis zur Maschine für das ernten von Heidelbeeren sind Einzel-Exemplare schon vorhanden. Im vergangenen Jahr wurde auf der Fruit Logistica sogar der welterste Pflückroboter für Erdbeeren vorgestellt [1]. Weltweit finden Landwirte mit ihren Sonderkulturen kaum noch Arbeitskräfte.

Ein Spargelvollernter aber kostet rund 500.000 Euro. Der schafft zwar sieben bis neun Hektar am Tag und damit die Hälfte der durchschnittlichen Spargelfläche auf den Betrieben. Aber für einen zweitägigen Einsatz ist das Gefährt zu teuer, berichtet Christian Bock von der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Dessen Einsatz muss anders organisiert werden. Er lohnt sich dennoch. Die Kapitalintensität für einen landwirtschaftlichen Arbeitsplatz beträgt ebenfalls rund 500.000 Euro im Jahr. Sie ist einer der höchsten in Bundesrepublik und beschreibt alle für einen Arbeitsplatz notwendigen Kapitalstock, erklärt Krüsken gegenüber Herd-und-Hof.de.

Daher gehören künftig solche Berechnungen sowieso schon zur Betriebsplanung. Wenn die Produktivität eines Vollernters höher als der manuelle Arbeitsansatz inklusive Frage nach deren Verfügbarkeit höher ist, werden solche Vollernter die Arbeit übernehmen. Vergleichbare Robotertechnik wird nach Krüskens Einschätzung künftig preiswerter. Es bleibt dennoch die Frage, ob die Betriebe nach der Pandemie sich bei dem hohen Finanzbedarf vor der Pandemie nach weiter leisten können. Banken investieren bereits kaum noch in die Ausstattung, sondern mehr in die Aufrechterhaltung der Liquidität. Auch die Investition in die Nachfolgesicherung muss vielerorts abgesichert werden. Auf der Tagung zum Bodenmarkt Anfang März in Berlin musste Albrecht Schünemann von der Deutschen Kreditbank feststellen, dass die Abschreibungen auf den Betrieben seit 2014 größer als die Bruttoinvestitionen sind [2].

Rechtsfragen geklärt?

Vor vier Jahren zeigte die Umfrage, dass die Klärung der Rechtsgrundlage für die Betriebsdaten der digitalen Realität hinterherhinkt [3]. In der aktuellen Umfrage zeigte sich, dass die Landwirte bereit sind, ihre Daten herzugeben. Ob das über eine staatliche oder herstellereigene Datenplattform erfolgen könne, bleibt noch offen. Gegenüber einer staatlichen Plattform sind Landwirte eher skeptisch, erklärte Krüsken. Es gebe derzeit kein Farm-Managementsystem das keine Schnittstelle zu anderen Anwendungen besitze. Während in Nord- und Südamerika die Landwirte meist an einen Hersteller gebunden sind, halten sich die Landwirte in Westeuropa an die vorhandene Pluralität der Hersteller. Die Landwirte entscheiden bei der Auswahl nach dem Nutzen, den sie selbst erhalten. Läge der größere Nutzen bei der Landtechnik oder der Agrochemie, lehnten die Landwirte den Datenaustausch ab. Für Krüsken funktioniert das digitale Angebot aus den vor- und nachgelagerten Stellen an die Landwirte „nach dem Prinzip der Kundenbindung und nicht nach dem der Kundenankettung“.

„Funklochrepublik“

Das Problem der bundesweit verstreut liegenden Funklöcher ist nicht nur für die Landwirtschaft ein Problem. Sie wirtschaftet allerdings auf Feldern, die auch von der letzten Ortschaft weit entfernt sind. Die politischen Bemühungen zur Digitalisierung des ländlichen Raums sind nach Krüsken nicht sehr erfolgreich. „Funklochrepublik“ beschreibe den aktuellen Stand am Besten.

Daran wird sich in den nächsten Jahren auch kaum etwas ändern. Die Breitbandnetz wird weiterhin in der Stadt auf Kosten des Landes ausgebaut, unterstreicht Rohleder. Auf dem Land hat es zwar zuletzt eine Priorisierung geben. Doch nach Gewerbe und privater Anbindung bleibt für die Fläche nicht mehr viel übrig. Die kabelbezogene Technologie werde niemals das letzte Feld und jede Milchkanne erreichen. Auch bei den Funkmasten gibt es derzeit Stillstand. Rund 500 Verfahren zwischen Naturschutz und Gewerbe verhindern das Aufstellen eines Funkmastes. Hoffnung setzt der Bitcom-Chef auf die Satellitentechnik, die flächendeckend die Lücken schließen könnte.

Lesestoff:

[1] Roboter erntet Erdbeeren: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/erdbeeren-werden-vom-roboter-gepflueckt.html

[2] Wirtschaftliche Schieflage auf den Betrieben: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/helfen-gesetze-auf-dem-bodenmarkt.html

[3] Umfrage 2016: Unklare Rechtsfragen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/digitalisierungstrend-in-der-landwirtschaft.html

Roland Krieg

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