Bauern bekommen Sonne und Wind
Landwirtschaft
Gute Durchschnittsernte trotz Hochwasser
Am Freitag hat Bauernpräsident Joachim Rukwied auf der Agrargenossenschaft Brück südlich von Berlin zum offiziellen Erntebeginn am Feldrand einen Überblick auf die Ernte 2013 gegeben. In der letzten Woche sind die Mähdrescher in die Wintergerste gefahren und haben die ersten Halme geschnitten. Mit 45 Millionen Tonnen Getreide erwartet Rukwied eine „gute Durchschnittsernte“, obwohl das Hochwasser rund 330.000 Hektar, etwa zwei Prozent des Acker- und Grünlandes in Deutschland überflutet hat. Ein Drittel davon Grünland, was die Futtererzeugung noch nachhaltig beschränken kann.
Nach guten Aussaatbedingungen im Herbst, schützender Schneedecke bei kaltem Winter hat das Frühjahr neben Hochwasser auch mit kalter und feuchter Witterung zugeschlagen. Zwischenzeitlich waren die Getreidebestände drei Wochen im Rückstand, haben aber die Hälfte der Zeit wieder aufgeholt.
Aber selbst auf den sandigen Böden Brandenburgs ist das Befahren der Felder nicht einfach, wie die Fahrspuren gezeigt haben. Der Boden war noch zu feucht. Petrus erfüllt derzeit die Wünsche der Bauern nach mehr Sonne und Wind, damit er abtrocknet und die Mähdrescher die Ernte gut einbringen können. Das wünschte sich Brandenburgs Landesbauernpräsident Udo Folgart.
Auch in Europa stehen die Ernteerwartungen auf „entspannt“. Mit 287 Millionen Tonnen Getreide werden rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr geerntet. Nur regional hat es in wichtigen Getreideländern wie Frankreich und Polen massive Niederschläge gegeben. Durchweg schlecht sieht es nur in Großbritannien aus, wo schlechte Aussaatbedingungen die Getreidefläche reduziert haben. Dafür steuert Kroatien in diesem etwa vier Millionen Tonnen Getreide Jahr hinzu. Raps wird in Europa 0,5 Millionen Tonnen mehr als 2012 geerntet.
Weltweit werden Getreide und Mais mit 4,2 Milliarden Tonnen 0,2 Milliarden höher als im Vorjahr veranschlagt. Vor allem Weizen wird mit 40 Millionen Tonnen Plus auf 656 Millionen Tonnen gehandelt. Doch hinter den nicht schlechten Ernteerwartungen bleibt die Perspektive Versorgung angespannt. Nach Einschätzung des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums reichen die 694 Millionen Weizen gerade für den Bedarf aus. Ein Aufbau der Lagerbestände scheint in diesem Jahr nicht möglich. Diese umfassen gerade einmal 181 Millionen Tonnen Weizen.
Wenn die Bauern eine gute Ernte erwarten gehen die Preise runter. Im letzten Jahr konnten die Bauern noch bis zu 250 Euro je Tonne Weizen erzielen, aktuell liegt der Weizenpreis bei gerade einmal 205, an der MATIF-Börse in Paris schon bei 196 Euro.
Das Absichern der Preise über die Warentermine hat noch nicht in großem Stil eingeschlagen. Nach Folgart gibt es ein Nordost-Südwestgefälle. Im Nordosten werden etwa 20 bis 50 Prozent der Ernte über Vorkontrakte abgesichert, in Baden-Württemberg liegt die Quote zwischen Null und 30 Prozent. Derzeit seien alle Bauern vorsichtig, denn „keiner weiß, wohin die Reise geht“, so Folgart. Am Ende entscheidet erst die Witterung bei der Ernte über den Parameter Qualität.
Raps
Das der Raps noch mal so gut zugelegt hat, könnte das letzte Mal gewesen sein. Bauernpräsident Rukwied geht von einem starken Rückgang der Aussaat im Herbst 2014 aus, weil die EU das Verbot der Beizmittel der Neonicotinoide „auf einer nicht sachlichen Entscheidung“ gefällt hat. Auch Erhard Tietz, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft ist skeptisch, was das übernächste Anbaujahr betrifft. Möglicherweise wird er keinen Raps mehr in seine Fruchtfolge einbauen.
Erhard Tietz, Joachim Rukwied und Udo Folgart (v.l.n.r.)
Hochwasser
Aus Hamburg hatte Udo Folgart einen großen Scheck der Firma Schaumann über 100.000 Euro mitgebracht. Der Futterspezialist hatte ihn für die Schorlemer-Stiftung mitgegeben, die für die Landwirte die Hochwasserspenden einsammelt.
Der Landesbauernverband Brandenburg hat zum Erntestart noch einmal daraufhin gewiesen, dass durch das Öffnen der Polder im Havelland dem Elbescheitel gut 30 Zentimeter genommen wurden. Polder seien eine bessere Lösung als zusätzliche Auenwälder, die mit ihrem höheren Grundwasserstand keine Hochwasserspitzen mehr aufnehmen können. Außerdem können Polder im Gegensatz zu Auen noch weiter bewirtschaftet werden.
Sonderkulturen
Spargel und Erdbeeren haben die Bauern in diesem Jahr herausgefordert. Kälte und Nässe haben bei Spargel nur zwei Drittel der üblichen Menge hervorgebracht. Die 70.000 Tonnen wurden aber mit einem höheren Preis entlohnt. Eine Verlängerung der Spargelsaison über den 24. Juni hinaus hat keine nennenswerte Verbesserung gebracht – das Wetter hat bei den Verbrauchern Zurückhaltung ausgelöst. Ähnliches wird auch von der noch laufenden Erdbeersaison erwartet. Die Kirschernte ist regional sehr unterschiedlich. Schlechtes Blühwetter und Fruchtfall sorgen für eine insgesamt geringere Kirschernte. Die schlechte Witterung zur Blüte wird auch bei Kernobst für keine positiven Überraschungen sorgen. Vor allem bayerische Gurken und pfälzischer Salat standen durch die Flut längere Zeit unter Wasser und sorgen für eine knappe Versorgungslage.
Agrargenossenschaft Brück
Die Agrargenossenschaft Brück weist mit durchschnittlich 28 von 100 Bodenpunkten einen typischen Sandstandort in Brandenburg auf. Von den 690 Hektar Getreide baut Tietz Roggen auf 520 Hektar an. Tietz hat feste Abnehmer für seinen Roggen. Er ist nicht von der Insolvenz des Getreidehändlers Märka betroffen. Vorbehaltlich der Zustimmung des Kartellamtes übernimmt die Hauptgenossenschaft Nord AG in Kiel die elf Märka-Standorte über die Verbio AG. Udo Folgart beschrieb, wie es mit den Roggenkontrakten weiter geht, die im letzten Jahr abgeschlossen wurden. Die Kontrakte liefen mit einem Preis von 20 Euro je Dezitonne Roggen. Ein gutes Geschäft, weil der aktuelle Preis bei 13 Euro liegt. Die Verbio bietet nach Folgart einen Abschlag für die bestehenden Kontrakte von 2,50 an, so dass die Bauern noch immer 17,50 für ihren Roggenvertrag erhalten. Das allerdings sei, betonte Folgart, ein betriebsindividuelles Angebot.
Tietz baut in diesem und
geplant noch für das nächste Jahr 80 Hektar Raps an. Auf 20 Hektar wachsen Futtererbsen.
Zusammen mit den Kartoffeln hat er eine abwechslungsreiche Fruchtfolge und kann
den Futterbau auch im neuen Förderzeitraum für die ökologische Vorrangfläche
geltend machen. Gegenüber Herd-und-Hof.de sagte Tietz, er fürchte keine
Probleme mit der neuen GAP.
Mehr Erbsen werden es aber
wohl nicht. Die heimischen Futterleguminosen werden kaum noch züchterisch
bearbeitet und sind einem hohen Witterungsdruck ausgesetzt. „Für die 20 Hektar
reichen die vorhandenen Sorten“, so Tietz. Für einen professionellen Anbau
müssen die Züchter erst noch nachlegen.
12 Mitarbeiter schaffen auf
dem Hof. Der anerkannte Ausbildungsbetrieb für Landwirt und Fachkraft
Agrarservice bildet jedes Jahr einen Auszubildenden aus. Selbst im Winter gibt
es viel zu tun. Die Agrargenossenschaft übernimmt für die Kommune den
Winterdienst [1].
Ein Juwel ist die
Agrargenossenschaft für die Kartoffel. Rund 30 Hektar werden mit der Knolle bebaut.
Tietz erntet im Durchschnitt etwa 260 Dezitonnen je Hektar. Etwa die Hälfte
verlässt über den Hofladen den Betrieb, die andere Hälfte wird veredelt und
gelangt in fünf- und 10-Kilopackungen in geschältem Zustand verschiedene
Großküchen.
Die Kartoffelschälmaschine
schafft für die Kantinen etwa eine Tonne Kartoffeln in der Stunde. Vor allem
bei den Frühkartoffeln müssen die Mitarbeiter kaum noch Schalenreste per Hand
entfernen. Die Schälmaschine hat es nur bei alten Herbstkartoffeln schwer.
Die deutschen
Kartoffelbauern schauen derzeit optimistisch in die Zukunft. Zwar ist der
heimische Markt kaum noch ausbaubar, weil die Kartoffel keine Wertschätzung
mehr genießt, aber veredelte Ware als Pommes und Chips werden in alle Welt
exportiert [2]. Für Erhard Tietz ist das aber keine Option. Mit 30 Hektar sei
die Fläche zu klein und das Risiko zu hoch. Mit den Großküchen hat er feste
Abnehmer für Ware zwischen 35 und 50 mm. Mit Kartoffelfesten will er die Knolle
auch wieder mehr auf die deutschen Teller bringen.
Wegen deutlich erhöhten
Preisen haben die die Kartoffeln derzeit die Schlagzeilen erobert.
Bauernpräsident Rukwied hingegen klärt auf: Die Preise sind immer noch gering,
so dass sich jeder Kartoffeln leisten kann. Man müsse den vorigen Tiefpreis
sehen, der den Kartoffelbauern den Anbau zusätzlich erschwert hat.
Lesestoff:
[1] Bauern sorgen für freie Straßen und Parkplätze
Roland Krieg