Bauern brauchen Land
Landwirtschaft
Umsetzung FAO-Leitlinien zur Landnutzung
Vor einem Jahr hat die FAO die freiwilligen Richtlinien
zur gerechten Landverteilung herausgebracht. Seit Dienstag forscht ein
internationaler Workshop auf der 10. Konferenz Politik gegen Hunger an dem
zweiten Problem: Der Umsetzung, wie es Madiodio Niasse von der International
Land Coalition (ILC) aus dem Senegal formulierte.
Hinter den „Leitlinien für eine gerechte Landverteilung“
steckt das Phänomen des Land Grabbings. Neueste Forschungsergebnisse zeigen,
dass die Grenzen dabei nicht so schwarz-weiß zwischen „Gut“ und „Böse“
verlaufen, wie es auf den ersten Blick erscheint [1].
Balance zwischen Kleinbauern und Agribusiness
Derzeit stehen die meisten großflächigen Landnahmen auch in den betroffenen Ländern unter Kritik, weil sie Kleinbauern vertreiben. Joseph Rahall aus Sierra Leone von Green Scenery beschreibt das Dilemma: 25 Prozent des fruchtbaren Ackerlandes sind bereits verpachtet. In Sierra Leone haben die Bauern Land in Familienbesitz. Doch um zu expandieren, was das Landwirtschaftsministerium auch unterstützt, müssen sie auf Gemeindeland zurückgreifen können. Das allerdings ist zum Teil an ausländische Firmen verpachtet, die Palmölplantagen und Zuckerrohr für die Biospritproduktion anbauen. Auf der anderen Seite versprechen die Verträge Einnahmen, die in Ausbildung und Gesundheitsprogramme investiert werden können. Das berichtet auch Elisabeth Atangana von einer Bäuerinnenorganisation in Kamerun. Für Rahall sind das Konflikte innerhalb eines Ministeriums, in einer ganzen Regierung, die noch nicht austariert sind.
Land in Sicht?
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner eröffnete
die Konferenz mit dem Satz „Jetzt sind sie da!“. Es habe harte Verhandlungen
gegeben, bis die Leitlinien endlich fertig waren. Auch wenn sie „nur“
freiwillig sind. Sie haben den Wert, den Staaten ihnen zukommen lassen. Auch
auf dem G8-Gipfel in der nächsten Woche will sich die Bundesregierung für die Leitlinien
stark machen.
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel unterstrich die
notwendigen Investitionen, die der ländliche Raum für die Ernährung von neun
Milliarden Menschen brauche. In einem Safe Guard Process soll die Weltbank nur
noch Kredite vergeben, wenn die Empfängerländer das Recht auf Nahrung und den
Zugang zu Ressourcen gewähre.
Das Thema liegt im Spannungsbereich zwischen
kleinbäuerlich orientierten Leitlinien der FAO und der New Alliance der
G8-Länder, die das Agribusiness in den Vordergrund stellen. Die Welt brauche
beides, sagte Ilse Aigner zu Herd-und-Hof.de. Niebel ergänzte, dass die
Kleinbauern die Rolle als Subsistenzlandwirt überwinden werden müssen. Am Ende
sollen sie Kleinunternehmen im ländlichen Raum sein.
Arbeit vor Ort
Viele Länder haben gute Gesetze. Sie haben auch
vergleichbare Regeln, aber meist fehlt der politische Willen sie umzusetzen. In
Kambodscha ist der Zugang zu Land auf dem Papier geregelt, aber in der Praxis wird
das ignoriert, sagte Chhiv Kek Pung von der Liga zur Verteidigung der
Menschenrechte. Die freien Wahlen haben 1993 nur wenig Verbesserung gebracht. Die
Justiz ist nicht unabhängig, Nationalversammlung und Senat folgen dem Präsidenten
und die Wahlen sind manipuliert. Die Roten Khmer hatten alle Dokumente des Landes
zerstört. Der Aufbau des Katasters erweist sich als langwierig. Wer zur Regierungselite
gehört, bekommt früher als andere Land zugeteilt. So sind die negativen
Auswirkungen des Landerwerbs sichtbar: Mit 2,2 Millionen Hektar sind 63 Prozent
des fruchtbaren Ackerlands im Besitz ausländischer Unternehmen, rund eine
Million Menschen gelten als Binnenvertriebene, die teilweise auch durch Gewalt
ihr Land verloren haben.
Anderen Ländern fehlen einfach nur die finanziellen
Mittel, ihre Kleinbauern ausreichend zu unterstützen, ergänzte Elisabeth Atangana.
Dort wo die Regierungsstrukturen demokratischer sind fehlt es an Normen und Gesetzen,
die Leitlinien umzusetzen.
Nach Mary Mubi von der Ständigen Vertretung der Republik
Simbabwe in Rom verfolgen viele Menschen das Thema gar nicht und wissen nicht
was falsch gemacht wird. Zur Umsetzung der Leitlinien vor Ort müssen die
Menschen befähigt werden, ihre Rechte zu erkennen und umzusetzen. Ein Weg dazu ist
die Steigerung des Bekanntheitsgrades, ergänzte Madiodio Niasse, der im Senegal
auch Rechtsanwalt ist. Dort wo das Thema auf der Agenda steht, wird es auch
umgesetzt. Dann funktionieren auch freiwillige Leitlinien.
Offenbar sind viele Hindernisse vor Ort von en Regierungen selbst zu regeln. Doch haben die Industrieländer eine besondere Pflicht. Würde Deutschland den gerechten Landerwerb in Recht umsetzen und damit zu einer Pflicht für Unternehmen machen, hätte das eine große Sogwirkung bis in die Entwicklungsländer hinein. Da ist sich Chhiv Kek Pung ganz sicher.
Eines zeigt die Tagung aber schon zu Beginn: Das Thema Kleinbauern ist seit den Verhandlungen in ein breiteres Bewusstsein gelangt, betonte Michael Windfuhr zu Herd-und-Hof.de. Als Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte hat er die Verhandlungen für die Bundesregierung geführt.
Lesestoff:
[1] GIGA-Studie zum Land Grabbing
Teil II mit den HAndlungsempfehlungen
Roland Krieg