Bauern: Hilfe oder Wende

Landwirtschaft

Landesbauerntag Brandenburg

Im Flächenland Brandenburg gibt es nach Angaben des Agrarberichts rund 6.700 landwirtschaftliche Betriebe, inklusive Gartenbau, aber ohne Binnenfischerei. 60 Prozent der Betriebe bewirtschaften weniger als 50 Hektar Fläche, vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Brandenburgs, und 5,6 Prozent bewirtschaften mehr als 1.000 Hektar Land, rund 47 Prozent der Acker- und Grünlandfläche des Landes. Mehr als 38.000 Beschäftige gibt es im Agrarbereich, ein Fünftel davon arbeitet in Einzelunternehmen und davon ist ein Viertel vollbeschäftigt. Fast 700 Milcherzeuger produzieren gut 1,3 Millionen Tonnen Milch.
Symbolisch wurde die Landwirtschaft auf dem Bauerntag im Rahmen der Brandenburgischen Landwirtschaftsausstellung (BraLa) zu Grabe getragen – Matthias Busse von den Junglandwirten forderte von der Politik Antworten, was sie tun sollen und wie die Zukunft der Bauern aussieht.

Markt gegen Planwirtschaft
Landesbauernpräsident Udo Folgart fasst angesichts der gesunkenen Erzeugerpreise und gestiegenen Betriebsmittelkosten noch einmal zusammen, dass die Bauern, Milchviehhalter, Ferkelerzeuger, Ackerbauern und Schweineproduzenten bundesweit täglich 25 Millionen Euro verlieren. Allein die Milcherzeuger in Brandenburg verlieren monatlich etwa 16,25 Millionen Euro. Zur Deckung der anfallenden Kosten bräuchten die Bauern je nach Betrieb zwischen 33 und 38 Cent je Liter Milch. Derzeit bekommen sie zwischen 18 und 21 Cent.
Folgart gibt auch vor, in welche Richtung die Politik gehen muss: „Die Entscheidung Richtung Markt ist zum Glück gefallen und die Quote endet 2014. Wer durch die Gegend läuft und behauptet „weniger Markt ist besser“ hat nicht vor 19 Jahren gelebt.“ Die Brandenburger wüssten was Planwirtschaft zu bedeuten hat und wollen daher auch möglichst wenig staatliche Regeln.
Er hat einen Vorschlag für die vielen Molkereien die wenigen Lebensmittelhändlern, die ihre Marktmacht missbrauchten: Der Deutsche Bauernverband (DBV) soll die Inhaber der Ehrenämter aus den Molkereien einmal zur Besprechung der Situation einladen. Statt Milchquote sollten die Verträge auf der Molkereiebene besser ausgestaltet sein: Abnahmenmenge, Preis und Lieferdauer müssten Bestandteil des Systems werden. Vertrag statt Quote heißt die Devise.
Folgart kann die Einladung gleich selber schreiben, denn er ist beim DBV Milchpräsident.

Kritik an Aigner
Heftig Kritik äußerte Folgart an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Schon beim Health Check sei sie gegenüber den ostdeutschen Betrieben eingeknickt und hat „ein unbefriedigendes Ergebnis für Ostdeutschland“ erzielt. Angesichts widersprüchlicher Entscheidungen zum Thema Gentechnik und bestehenden Nachteilen bei der Agrardieselbesteuerung helfen „die aignerischen Kompromisse“ nicht weiter. Die 350 Euro Selbstbehalt beim Agrardiesel helfe den kleinen Betrieben in Bayern, aber nicht den großen in Ostdeutschland. „Frau Aigner, schädigen sie den Osten nicht ein zweites Mal“, rief Folgart den Bauern zu.

Agrardieselsteuer
In Deutschland beträgt die Höhe der Agrardieselbesteuerung 40 ct/l. Die zweithöchste Belastung weist Slowenien mit 15 ct/l auf, die französischen und dänischen Berufskollegen zahlen nur 0,66 bzw. 0,3 ct/l.

Kritik an BVVG
Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) erfüllt seit 1992 den gesetzlichen Auftrag in den neuen Bundesländern das ehemals volkseigene Land zu privatisieren. Das läuft nicht immer reibungsfrei ab. Udo Folgart hat am Freitag an der BVVG heftige Kritik an ihrer Preispolitik geübt: „Dort versucht Herr Horstmann (Dr. Wolfgang H., Sprecher der Geschäftsführung; roRo) Profite auf Kosten der Betriebe zu maximieren.“ Bislang habe die BVVG Markteinnahmen in Höhe von 360 Millionen Euro erzielt und will über Preiserhöhungen den Gewinn im Jahr 2009 auf 430 Millionen Euro durchsetzen, so Folgart. Die Betriebe verlieren jedoch gerade Geld und können nicht mit anderen Investoren mithalten. Hier agiere die BVVG genauso wie Aldi und nutze ihre Marktmacht schamlos aus, so Folgart. Er forderte einen Ausschreibungsstopp.

Platzeck unterstützt Forderungen
Ministerpräsident Matthias Platzeck gab mehr als nur eine Solidaritätsadresse an die Bauern ab. Wer um 04.00 Uhr morgens aufsteht, die Kühe melkt und um 10:00 Uhr die Milch abgibt, der wisse heute nur eines: Er hat rund 450 Euro verloren. Das Land will alle möglichen Rahmenbedingungen aufstellen, damit die Bauern liquide bleiben und die Modulationsmittel aus den Direktzahlungen in die zweite Säule sollen wieder in die Landwirtschaft fließen, sagte Platzeck. Das seien keine Preisausgleichszahlungen, sondern Mittel für gesellschaftliche Aufgaben.
Platzeck mahnt vor falschen Hoffnungen. Man könne nicht auf Aldi und Lidl hoffen, aber auch nicht auf die Verbraucher, mehr Geld für die Milch zu zahlen. Die Konsumenten sagen zwar immer, sie würden mehr Geld für die Milch zahlen, kauften aber im Geschäft die billigere. Die Preisregulierung sei also Aufgabe der Molkereien. Die BraLa sei aber dennoch eine gute Gelegenheit, Verbraucher den Wert der landwirtschaftlichen Arbeit näher zu bringen. Noch sei das Bewusstsein nicht generell vorhanden, dass Tiere 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr gepflegt werden müssen: „Die Landwirtschaft findet nicht hinter dem Supermarkt in einer Lagerhalle statt.“
Der mobile Bauernhof der Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft (FNL) mit seinen ferngesteuerten Traktoren sei eine gute Gelegenheit, den Menschen die landwirtschaftliche Arbeit wieder näher zu bringen.
Der Ministerpräsident wandte sich auch gegen die Gegner, die in der ostdeutschen Landwirtschaft immer noch „Rote Barone“ agieren sähen. Das sei falsch.

Verkehrsdienst für Berlin
Am kommenden Montag, den 25.05. ist Berlin wieder dicht. Bis zu 8.000 Traktoren werden ab 09:00 Uhr von vier Stellen des Stadtrands aus Richtung Siegessäule durch die Stadt rollen. Einzelne Schlepper sollen aus Aachen und Schleswig-Holstein bereits auf dem Weg in die Hauptstadt sein. Bis 15:00 Uhr findet dann an der Siegessäule im Tierpark die Großdemo des Deutschen Bauernverbandes statt: „Danke – Jetzt reicht´s! Endlich ein Konjunkturpaket für die Bauern“. Zugesagt haben ihr Kommen Ministerin Aigner und auch Minister Steinbrück.

BraLa Parteien zur WahlParteien zur Wahl
Im Herbst wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt und zumindest die Bauern konnten schon einen Blick auf die Kandidaten ihrer künftigen Agrarpolitik werfen, die ihre Programme vortrugen. Die Reihenfolge wurde ausgelost.

FDP: (nicht im Landtag) Guido Beyer verwies auf die im April gefertigten 12 Thesen der „Falkensteiner Erklärung“ zum ländlichen Raum, die er als zweites Wahlprogramm verstanden wissen wollte. Für den naturnahen Tourismus gebe es nur den Garanten Landwirtschaft, die in den Thesen als Bindeglied zu allen Wirtschaftsbereichen gestellt ist. Die Landwirtschaft brauche Rahmenbedingungen und ein eigenes Konjunkturprogramm, um im Binnenmarkt wirken zu können. „Die Landwirtschaft braucht eine Allianz der Vernünftigen.“

Bündnis 90/Die Grünen (nicht im Landtag): Axel Vogel: Die Landwirtschaft in Brandenburg müsse schrittweise ökologisiert werden. Gentechnische freie Zonen seien dabei nur der erste Schritt. Bezogen auf den Klimawandel ist die Landwirtschaft Täter und Opfer zugleich. Die Moorböden sollen wieder als Grünland bewirtschaftet werden, die Bewirtschaftung brauche eine Anpassungsstrategie „statt jährlicher Dürreprämien“, der Anteil von 30 Prozent pflugloser Bearbeitung muss noch gesteigert werden, die Flächenberegnung von Maisfeldern muss ein Ende haben, die Tröpfchenbewässerung eingeführt werden und die Förderung sei nicht mehr auf die großen Betriebe auszurichten. Dem Milchüberschuss müsse man wie in der Stahlindustrie mit einer Mengenregelung begegnen.

CDU: Dieter Dombrowski: Dombrowski verweist im Wesentlichen auf die „wahren Probleme der Landwirtschaft“. Er stellt die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in den Vordergrund seiner Politik, will den Flächenverbracuh so klein wie nötig halten und tritt für eine steuerbefreite Risikorücklage ein. Derzeit gebe es für die das Thema Saisonarbeitskräfte in der CDU „noch keine abschließende Meinung“.

Die Linke: Cornelia Wehlan: Nach einer öffentlichen Diskussion will die Linke am 12. Juni ein Programm für den nächsten Wahlgang beschließen. Der Ländliche Raum soll besonders betont und die Landwirtschaft gegenüber dem Lebensmittelhandel gestärkt werden. Vor allem fordert sie eine Lex Ost gegen die Benachteiligung der Betriebe. Die Obergrenze für die Dieselhilfen benachteiligen die großen Betriebe genauso wie die Privatisierung der Bodenfläche nach Höchstangeboten durch die BVVG. Die großen Betriebe in Ostdeutschland müssen den kleinen Betrieben in Westdeutschland in der Behandlung gleich gestellt werden. Wehlan will sich dafür einsetzen, dass bei den Verhandlungen der WTO Milch als sensibles Produkt besonders geschützt werden darf.

SPD: Dr. Dietmar Woidke, amtierender Agrarminister: Woidke blickt bereits in die Zukunft und fordert den Wegfall der Modulation, damit die Betriebe auch nach 2013 auf eine starke erste Säule der Direktzahlungen zurückgreifen können. Schon jetzt zeige sich nach dem Health Check, dass die Ausgleichszahlungen und die einzelbetrieblichen Förderungen steigen werden. Die Landwirtschaft ist ein Teil der Volkswirtschaft und hat beispielsweise 2008 zusätzliche Investitionssummen von 100 Millionen Euro hervorgebracht. Daher steht für Woidke die Sicherung der Liquidität an erster Stelle. Ein generelles Kürzen der Milchquote um fünf Prozent gehe alleine deshalb nicht, weil die Quote in Brandenburg nicht ausgeschöpft sei. Die Menge sollte eher herausgekauft und die nationale Reserve Deutschlands überführt werden, von wo sie nach Bedarf wieder an die Betriebe vergeben werden kann.

Liquidität, Naturschutz, Gentechnik und Agrardiesel
Ein Banker und Agrargesellschafter warnte die Politik vor Leichtgläubigkeit, den Betrieben über den Banken mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Sobald die Betriebe keine ausreichende Sicherheit mehr hätten, würden sie auch keine Gelder mehr bekommen. Die Politiker waren sich hingegen einig, dass der Staat und das Land alles umsetzen würden, um der Kreditvergabe mit einer Bürgschaft zu helfen.
Beim Thema Naturschutz steht Axel Vogel von den Grünen mit der Meinung alleine dar, die zweite Säule und Agrarumweltmaßnahmen stärker zu fördern. Die anderen wollen Probleme eher lokal im Einzelfall lösen und die Landwirtschaft so gestalten, dass sie die Umwelteffekte gleich mit bewirtschaftet. Woidke wies darauf, dass jährlich bereits 50 Millionen Euro in die Agrarumweltmaßnahmen fließen.
Für die Gentechnik im Rahmen der Ernährungssicherheit sprach sich nur Dombrowski aus. Während Linke und Grüne generell die Gentechnik ablehnen, konnte Woidke seine Empfehlung begründen. Wenn die Landwirtschaft bei den Verbrauchern auch gerade angesichts der derzeitigen Preissituation Verständnis einholen will, könne sie nicht gentechnisch geänderte Produkte anbauen, die von der Mehrheit der Verbraucher abgelehnt wird.
Woidke war der einzige, der sich zum Thema Agrardieselbesteuerung konkret äußerte: Realistisch sei angesichts des Versprechens der Kanzlerin, die sich am Donnerstag in Niedersachsen der Landwirtschaft annahm, das Wiedererlangen des Stand von 2005. Das wären 20 Cent je Liter, was immerhin eine Einsparung von 50 Prozent bedeute.

Es fehlen die Leitbilder
Nach der Veranstaltung sprach Herd-und-Hof.de mit Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg, über die Aussagen. Wimmer vermisste die vielen Vorschläge, die im Ministerium für die ökologische Landwirtschaft vorliegen, aber seit Jahr und Tag nicht zum Abschluss kommen. Agrardiesel und Liquiditätshilfen, die Diskussion um die erste und zweite Säule sowie die Stärkung des Wettbewerbs sind lediglich Hilfen für die aktuelle Situation. Wimmer vermisst die Diskussion um das Leitbild in der Landwirtschaft. Wenn das feststehe, dann könnten die vorhandenen Möglichkeiten des Health Check auch für eine Lenkungsfunktion genommen werden, damit die Landwirtschaft mehr den Verbraucherwünschen entspreche. Letztlich, so Wimmer, gehe es bereits heute um die Weichenstellung, wie die Landbewirtschaftung in fünf oder zehn Jahren aussehen muss. Die Programme dafür sind vorhanden.

Roland Krieg; Fotos: roRo

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