Bauern mit EU-Hilfspaket unzufrieden
Landwirtschaft
Angebotene Agrarhilfe reicht nicht aus
Am Montag hat die EU-Kommission das Hilfepaket geschürt, dem der EU-Agrarministerrat überwiegend zustimmte [1]. Detailfragen sind noch offen. Die Bauern sind mit dem Paket allerdings unzufrieden und sehen nur kleine Fortschritte.
„Realitätsfern“
Der Verband für Bauern und Genossenschaften Copa Cogeca hält das Paket für „weit entfernt von jeglicher wirklicher Hilfe“. In vielen Ländern verkaufen Bauern ihre Produkte unter den Erzeugungskosten und das Einkommen hat sich nahezu halbiert. Etliche Betriebe hätten bereits schließen müssen. Generalsekretär Pekka Pesonen fehlen vor allem Maßnahmen, die den Markt regulieren, die Preisvolatilitäten reduzieren und kurzfristige Hilfen. Im Bereich der Milch kritisiert Pesonen, dass nicht die ganzen 900 Millionen Euro Strafabgabe für die Überproduktion aus dem letzten Milchjahr zurück in den Sektor fließen. Die Intervention für Magermilchpulver sei gut, nicht aber das Festhalten am bestehenden Interventionspreis. Die vorzeitige Auszahlung der Direktbeiträge begrüßt der Verband, nicht aber das Fehlen jeder Exportbürgschaft. Pesonen fordert eine Verlängerung des Milchpakets über das Jahr 2020 hinaus. Die private Lagerhaltung für Schweinefleisch sei gut, müsse aber mit höheren Preisen versehen werden, damit sie nicht erfolglos bleibt, wie seit August 2014. Ebenfalls müssen Fett und Schmalz interveniert werden. Die Einschätzung der Kommission, dass der Rindfleischmarkt „stabil“ sei, sei falsch. Deswegen forderte Pesonen auch hier weitere Maßnahmen.
„Falsche Zeichen“
„Die EU setzt die falschen Zeichen. Sie will die Verstärkung des Exportes. Das heißt nur, dass die Milch dann auch auf dem Weltmarkt verramscht wird. Höhere Preise erzielen die Erzeuger damit nicht, stattdessen wird die Politik „wachse oder weiche“ fortgesetzt“, frei nach dem Motto „viel hilft viel“, sagte Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Die Finanzhilfe bekämpfe die Symptome der Milchkrise und reduziere nicht die Milchmenge, was den Markt beruhigen würde. Die Milcherzeugung ist das wichtigste Standbein der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein. Die Produktion von täglich acht Millionen Kilogramm Milch decke jedoch mehr als den Bedarf des Bundeslandes. 4.500 Milchbauern halten 399.000 Milchkühe.
„Positive Signale“
Dr. Hermann Onko Aeikens, Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt, hingegen sieht positive Signale aus Brüssel. „Es ist zwar noch offen, wie die von der Kommission zugesagten 500 Millionen Euro verteilt werden. Es ist jetzt aber wichtig, gerade den Milchbauern mit Liquiditätshilfen über die derzeitige Niedrigpreisphase hinwegzuhelfen. Daher wird auch die Landesregierung mit Bürgschaften und Steuerstundungen helfen. Außerdem räumen wir die Möglichkeit ein, zur Überwindung von Liquiditätsengpässen Land vorübergehend an die Landgesellschaft zu verkaufen und es zurück zu pachten. Wenn die Verdienste wieder steigen, können die Landwirte das Land zurückkaufen.“ Private Lagerhaltung für Milchprodukte helfe, den Markt zu stabilisieren. Dr. Aeikens setzt auf neue Arbeitsgruppe, die Landwirte und verarbeitende Industrie bei den Verhandlungen gegenüber den Discountern stärken will.
„Erste Weichen“
Zwar fehlen noch konkrete Vorgaben für die Umverteilung der Gelder, doch Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zeigt sich zufrieden. „Mit der vorgesehenen Export- und Marktoffensive wird eine wichtige Forderung des DBV umgesetzt“, sagte er am Dienstag. Wichtig sei ebenfalls, dass sich die Minister „eindeutig zum Kurs der Marktorientierung bekannt hatten.“ Zugleich kritisierte Rukwied die Krawalle, die kein Zeichen für eine Politik seien. Gefordert sind Bund und Länder, die schnelle Vorauszahlung schnellst möglichst umzusetzen.
„Gerechte Verteilung“
Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter forderte eine gerechte Verteilug der Gelder ein. Österreich habe an der Superabgabe für die Überproduktion „einen hohen Anteil“ von 45 Millionen Euro geleistet. Das dürfe bei der Verteilung der Mittel nicht vergessen werden. Außerdem ist der Milchpreis in Österreich um 25 Prozent gefallen. „In den benachteiligten Berggebieten, wo der Großteil der heimischen Milch produziert wird, ist dieser Preisrückgang besonders schmerzhaft.“ Rupprechter spricht sich für eine Anhebung der Interventionspreise und Ausdehnung auf weitere Produkte aus.
„Ergebnis ist eine Provokation“
Geradezu als „Provokation“ bezeichnet das European Milk Board (EMB) das Resultat. Die Bauern seien in Brüssel nicht für Subventionen auf die Straße gegangen, sondern für Kriseninstrumente, die das Problem der Überproduktion lösen. Da die Politik offenbar nicht verstanden habe, um was es in der Milchkrise gehe, werden die Milchbauern weiter protestieren. So habe die private Lagerhaltung der letzten Monate gezeigt, dass sie keine Resultate hervorbringen könne. Die Absatzförderung für Marketing in Drittländern sei ebenfalls untauglich und gefährde Märkte. Die vorzeitige Auszahlung der Direktzahlungen wirke zwar kurzfristig, könne aber die Milchmenge nicht an den tatsächlichen Bedarf anpassen. Um die Markbeobachtungsstelle für Milch voll funktionstüchtig zu halten, muss sie auch auf Übermengen reagieren können. Das EMB fordert weiterhin eine indexbasierte Mengenanpassung in Krisenzeiten und dessen Überprüfung als wirksames Kriseninstrument.
Romuald Schaber vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ergänzte: „Nicht nur den Milchviehhaltern gegenüber, auch dem Steuerzahler gegenüber ist es unverantwortlich, die versprochenen Finanzmittel nicht so einzusetzen, dass jeder eingesetzte Euro ein Vielfaches an Wirkung zeigt“. Das würde mit dem Marktverantwortungsprogramm geschehen.
Lesestoff:
[1] Brüssel: EU-Agrarrat folgt Kommissionsvorschlag
roRo; VLE