Bauern warten auf Hochdruckwetter
Landwirtschaft
Erntestart bei Wintergerste
Wintergerste ist die erste Getreideart die alljährlich von den Mähdreschern angefahren wird. Die sandigen Standorte in Brandenburg liegen rund zehn Tage vor den übrigen Frühdruschgebieten. Die Bauern im Norden haben noch etwas mehr Zeit.
Für Bauernpräsident Joachim Rukwied ist die Wintergerstenernte
in der Agrargenossenschaft „Hoher Fläming“ die Gelegenheit, den ersten Erntebericht
des Jahres vorzustellen und mit dem Landesbauernpräsident Hendrik Wendorff
einen Blick auf Erntemengen, Märkte und die Zukunft der Landwirtschaft zu werfen.
Bei gutem Druschwetter mitten auf dem Feld in Klein Marzehns.
Kleinräumige Unwetter
Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Landwirtschaft ist äußerst abhängig von der Witterung. Es gab schon Erntegespräche im Wintermantel, unter dem Regenschirm, im letzten Jahr bei großer Trockenheit. In diesem Jahr wechseln sich Wolken und Sonne ab und Unwetter mit ihren Schlammlawinen prägen die Nachrichtensendungen.
Die Unwetter traten sehr kleinräumig auf. In Summe haben sie daher nur geringe Auswirkungen auf die Gesamternte der Bundesrepublik. Für die betroffenen Bauern allerdings ist der Schaden groß. Flächen sind oft nur zum Teil betroffen, so dass ein genereller Umbruch gar nicht in Frage kommt. Zudem sind die Flächen für eine Befahrung zu nass. Dort, wo längere Zeit das Wasser steht, wird erst nach dem Abfluss sichtbar, ob dann auch Stickstoff ausgeschwemmt wurde. Das Wetter hat manchem Fungizideinsatz einen Strich durch die Rechnung gemacht. Welche Schäden auftreten, weil der optimale Bekämpfungszeitpunkt verpasst wurde, ist noch nicht absehbar.
Brandenburg
Für Brandenburg fasst Wendorff die letzten Jahre zusammen: „Wir haben keine stabilen Wetterlagen mehr!“. In diesem Winter fehlte der Schnee. In der Uckermark sind Kahlfröste aufgetreten. April und Mai waren in Brandenburg sehr trocken. Wenn es geregnet hat, trennte die Niederschlagsgrenze den einen Betrieb vom Nachbarn. Der Juni war mit 150 mm wieder sehr nass.
Dennoch rechnet Brandenburg mit 2,5 Millionen Tonne Getreide. Der Rückgang von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr wird durch einen leichten Anbaurückgang hervorgerufen. Die Fläche an Wintergerste wurde ausgedehnt, Roggen bleibt mit 180.000 Hektar die wichtigste Getreideart und wird auf nahezu allen Flächen angebaut, die nicht weizenfähig sind. Die Getreideerträge sind leicht unterdurchschnittlich. Das Mittel der letzten fünf Jahre lag bei 55 dt/ha, in diesem Jahr rechnen die Bauern mit 52 dt/ha. Winterraps wurde stabil auf 130.00 Hektar angebaut. Mit voraussichtlich 32 dt/ha liegt der Ertrag unter dem Fünf-Jahres-Mittel von 34,5 dt/ha.
Wichtig für Brandenburg ist der Ökolandbau. Rund 30.000 Hektar werden nach ökologischer Wirtschaftsweise bearbeitet. Mit 16.500 Hektar ist Roggen die Hauptanbaufrucht. Lupinen wachsen auf 6.500 Hektar als Vorfrucht oder für den heimischen Futterbau.
Wendorff beugt den Nachrichten der kommenden Wochen vor: Die Ernte, auch wenn sie leicht unterdurchschnittlich ausfällt, wird genug Rohstoffe für den Handel bereit halten. Wenn also bald Meldungen in die Schlagzeilen einziehen, die Brötchen oder das Bier würde teurer, dann liegt das anderen Faktoren wie Energie, Miete oder Personalkosten bei der aufnehmenden Hand.
Boden ist wassergesättigt
Joachim Rukwied musste in den letzten Jahren Bodenkarten mit Ausweisung von Trockenheit vorlegen. Zu Beginn der Ernte 2016 ist das ganz anders. Bundesweit ist der Boden wassergesättigt. Lediglich im Nordosten lag die nutzbare Feldkapazität (nFK) im März bei weniger als 100 Prozent. Das hat sich bis heute der Saison entsprechend gehalten. Überwiegend liegt sie bei 50 bis 100 Prozent, lediglich im Osten ist sie auf bis zu 30 Prozent gesunken. Am Alpenrand und ganz im Westen sind die Böden sogar noch immer übersättigt.
Rukwied, der seinen Betrieb in der Region Hohenlohe hat, berichtete, dass dort normalerweise pro Jahr 560 mm Niederschlag fallen. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es bereits 630 mm. Die Mähdrescher wurden schnell wieder zurück in die Maschinenhalle gefahren. Eine Befahrbarkeit der Getreidefelder ist nicht gegeben. Rukwied beziffert die von Unwetterschäden betroffene Fläche bundesweit auf 200.000 Hektar.
Bestände, die aus der Ferne noch gut aussehen, zeigen bei näherer Betrachtung Macken. Ähren weisen taube Kränze auf, der Niederschlag im Juni während der Kornfüllungsphase hat manches weiße Korn hinterlassen. Die große Frage des Erntejahres 2016 heißt: Welche Qualitäten werden geerntet? Auch die Gerstenähren im Fläming sind eher klein ausgefallen. Regional unterschiedlich zeigen sich die Maisbestände. Pflanzen über ein Meter Höhe wechseln sich mit Beständen ab, die insgesamt noch nicht größer als 25 Zentimeter sind. Mais braucht jetzt vor allem Wärme. Auch bei den Zuckerrüben zeigen sich unter dem gut entwickelten Blätterdach erst noch kleine Rübenkörper.
Das kühl-feuchte Wetter hat vom Getreidebauern bis zum Winzer die Sorge nach Pilzinfektionen geführt.
Durchschnittliche Getreideernte
Dennoch: Die ersten Getreideschätzungen zeigen eine Ernte um den langjährigen Mittelwert von 47,2 Millionen Tonnen. Auch bei Winterraps wird mit fünf Millionen Tonnen der Vorjahreswert erreicht.
Klarer fällt schon der Rückblick auf die Obst- und Gemüsebranche aus. Bei Spargel hat die kühlere Witterung den Gesamtertrag bis zum 24. Juni eine um zehn bis 15 Prozent geringere Erntemenge von 100.000 Tonnen geführt. Auf Hochtouren läuft die Ernte der Erdbeeren, bei der die Witterung auch zu zehn Prozent Einbußen führen wird. Die Preise für 150.000 Tonnen Erdbeeren liegen auf Vorjahresniveau. Das Wetter hat Kirschfruchtfliegen und der Kirschessigfliege gefallen. Der viele Niederschlag hat Süßkirschen aufplatzen lassen. Beim Steinobst soll dennoch ein Durchschnittsertrag erreicht werden. Apfel- und Birnenbäume befinden sich im „Junifall“, so dass noch keine Ernteschätzung abzugeben ist. Bis auf einige Hagelereignisse, sind die Bäume in gutem Zustand. Salate, Broccoli und Blumenkohl kommen frisch auf die Märkte. Regional sind die Erntebedingungen wegen der Nässe erschwert.
Die Märkte
Mit Spannung wartet die Branche auf die ersten Ergebnisse aus dem gerade abgelaufenen Wirtschaftsjahr. Milch und Schweinepreise bleiben im Keller, obwohl Rukwied beim Schweinefleisch ein kleines Hoch sieht. Ob sich das über die Europameisterschaft und Grillsaison hält, bleibt abzuwarten. Auch bei pflanzlichen Produkten rechnet die Welt mit ausreichender Ernte, so dass alle Preise unter Druck stehen. Daher ist nach Angaben von Rukwied auch das Engagement an der Warenterminbörse gering. Die Transaktionskosten bleiben und Aussicht auf kostendeckende Preise sind auch dort nicht zu erwarten.
Das merkt auch Gerald Herzog, der auf der „Hoher Flämig eG Rädigke - Niemegk“ den Pflanzenbaubereich führt. Der Fläming ist mit zu 200 Meter Höhe eine Landmarke im norddeutschen Tiefland. Die Böden weisen rund 35 Bodenpunkte auf. Der Betrieb mit insgesamt 3.300 Hektar Fläche ist hoch diversifiziert mit 450 Milchrindern bei 21 Cent Milchpreis, 400 Sauen mit 32 Ferkeln pro Sau und Jahr, die allerdings 60 Euro abwerfen. Das liegt an der intensiven regionalen Vermarktung über einen spezialisierten Mäster, der das Fleisch an einen regionalen Metzger mit 14 Filialen verkauft. 44 Angestellte und vier Auszubildende pro Jahr fühlen sich auf dem Betrieb zu Hause.
Hoher Fläming eG
Vor neun Jahren wurde eine Biogasanlage mit 546 kW elektrischer Leistung in Betrieb genommen, die sich wegen der Gülle- und Restfutternutzung noch heute rentiert. Sie liefert Strom und Wärme für Büro, Kuhstall, Werkstatt, Getreidetrocknung und angrenzende Einfamilienhäuser.
In der Ölmühle wird heute Rapsöl kalt gepresst wird und über das Regionalregal „von hier“ bei Kaiser´s vertrieben.
Die Betriebsteile sind, wie die Biogasanlage zeigt, eng miteinander verflochten, sagte Gerald Herzog. So einfach ist die Aufgabe eines Betriebszweiges nicht, obwohl 21 Cent je kg Milch alles andere als kostendeckend sind. Roggen ist auf den sandigen Böden die Brotfrucht des Betriebes. Geerntet werden 45 dt/ha. Der Bundesdurchschnitt lag im letzten Jahr bei 56 dt/ha. Der Betrieb kann den Roggen nur für 10,50 Euro/dt verkaufen. Wird sich das nicht bald ändern, wird im nächsten Jahr weniger Roggen angebaut.
Auf die Frage, wie es generell 2017 weitergeht, musste Herzog passen. Selbst Betriebe, die gut aufgestellt sind und standortangepasst produzieren sowie eng mit der Region verzahnt sind, sehen kein Licht am Horizont.
Das Land Brandenburg trägt daran Mitschuld. Gegenüber Herd-und-Hof.de gesteht Landesbauernpräsident Hendrik Wendorff, für seinen Betrieb noch immer keine Prämien für Umweltprogramme erhalten zu haben, die er im letzten Jahr durchgeführt hat. Von den landesweit 40 Millionen Euro Prämie sind erst 20 Millionen ausgezahlt. Das Landesamt führt das auf Probleme mit der Software zurück, was den Betrieben vor dem Hintergrund niedriger Preise alles andere als gut tut. Es gibt derzeit noch nicht einmal eine Zeitfrist, wann die Gelder ausgezahlt sind.
Da hilft es auch nicht, wenn die Genossenschaft Hoher Fläming in Precision Farming investiert hat, um über Biomassesensoren Dünger teilflächenspezifisch einzusetzen. Der Sensor ist mit einer Klappe am Düngerstreuer gekoppelt, die den Mineraldüngerstrom nach Sensorergebnis abregelt. Auch die Pflanzenschutzspritze ist auf modernstem Standard und vermeidet GPS-gesteuert Überlappungen.
Der Betrieb zeigt auch die Realität auf, auf die Risikominimierungsstrategen treffen. Oft von Verbänden gefordert, hat die Genossenschaft erst im letzten Jahr versuchsweise die Warenterminbörse zur Preisabsicherung genutzt. Herzog gesteht, wie viele andere Landwirte auch, dass das ein ganz neues Gebiet ist. Pflanzenbau- und Tierhaltungsprofis wollen sich nicht im betrieblichen Alltag mit großem Umfang an Dokumentationspflichten auch noch tagesaktuell mit dem Börsengeschehen auseinander setzen.
Roland Krieg; Fotos: roRo