Bauern wehren sich gegen Gentechnik

Landwirtschaft

Barnim baut ohne Gentechnik an

Aktuell gibt es 228 Kommunen in Deutschland, die sich dem Anbau ohne gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung ohne gentechnisch veränderte Tiere auf der Grundlage von Selbstverpflichtungen verschrieben haben. In Brandenburg, noch vor zwei Jahren das Bundesland mit dem meisten Anbau gentechnisch veränderten Maises, gibt es aktuell sieben „Gentechnikfreie Regionen und Initiativen“ (GfR und GfI). Die jüngste Region des südlichen Barnims, der gleich an den Metropolenmarkt Berlin angrenzt, lud am Sonntag bei einer öffentlichen Veranstaltung zu einem bäuerlichen Erfahrungsaustausch nach Biesenthal. Bauern, Verbände und Politik diskutierten über die Abhängigkeiten von patentiertem Saatgut und den Marktchancen der Erzeugung ohne Verwendung von Gentechnik.

Politik mit verschiedenen Richtungen
Die Gentechnik ist zwar „ein Fortschritt in der Forschung“, so Bringfried Wolter vom Deutschen Bauernbund (DBB), aber im Gegenteil zu geschlossenen Systemen, wie dem Einsatz von gentechnisch veränderten Bakterien im Biogasfermenter, sei die Zeit für den Freilandanbau noch nicht gekommen. Es gebe zu viele ungeklärte Fragen.
So sind es nicht nur Ökolandwirte, die sich gegen den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen wehren, auch konventionelle Bauern schließen sich den GfR an. Dr. Peter Rudolph aus dem Brandenburger Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz sieht Brandenburg sogar als Vorreiter für die Gentechnikanbaufreien Regionen. Cornelia Behm von den Grünen und Mitglied im Agrarausschuss des Bundestages spricht von der erfolgreichsten zivilgesellschaftlichen Bewegung Europas, die durch ihre Öffentlichkeitsarbeit Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Entzug der Zulassung von MON810 bewegt habe.
Neben ungeklärten Langzeitwirkungen, wehren sich die Bauern selbst und über die Politik vor allem gegen die Abhängigkeitsstrukturen. Gentechnisch veränderte Pflanzen müsse man im Zusammenhang mit dem Verkauf von Totalherbiziden und privatwirtschaftlich patentiertem Saatgut sehen, so Dr. Rudolph. Das Thema sei „hochsensibel und komplex, wo der gesunde Menschenverstand auf der Strecke bleibt“. Für eine Änderung der europäischen Biopatentrichtlinie sieht er aber derzeit keine Mehrheit in Europa.
Während die Regierungskoalition in ihrem Vertrag die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora ausdrücklich erwähnt und zulassen will, geht die Koalition in Brandenburg einen anderen Weg und hat den GfR Unterstützung zugesagt.
Cornelia Behm findet noch mehr Ambivalenzen. Gut sei, dass es derzeit keine aktuelle Zulassung in Deutschland gebe, dass der Markt für Produkte „Ohne Gentechnik“ wachse und die Schweiz das Moratorium sogar bis 2013 verlängert hat. Schlecht sei hingegen, dass Deutschland sich nicht für einen europaweiten Entzug der MON810-Zulassung stark mache und das Abwarten auf den Ausgang der Monsanto-Klage obsolet werden kann. Demzufolge haben Bauern auch schon rund 1.000 Hektar Fläche vorsorglich angemeldet, auf der sie Mais wieder anbauen wollten. Behm bewertet auch den Vorstoß von Frankreich, den Niederlanden und Österreich bei der EU kritisch, die Anbauentscheidungen demnächst den einzelnen Ländern zu überlassen.

Gefahr für den Markt
Die möglichen Gefahren der Gentechnik stehen nicht mehr im Mittelpunkt der Diskussion. Nach Bundespolitiker Hans Georg Marwitz von der CDU im Märkisch-Oderland werden alle Argumente für die Gentechnik zu Gunsten der Hersteller und zu Ungunsten der Bauern angeführt. Marwitz forderte in seinem verlesenen Grußwort die Auflösung aller Biopatente, weil Pflanzen und Tiere wieder den Bauern gehören sollten. Auch dürfe die Haftung im Schadensfall nicht auf die Landwirte abgewälzt werden, die ihre verunreinigten Produkte nicht mehr verkaufen können, obwohl sie sich an alle Richtlinien gehalten hätten. Daraus resultiere, dass die konventionellen und ökologischen Bauern die auf den Einsatz der Gentechnik verzichten wollen, keine Nachteile für ihre Vermarktung erleiden dürften.
Und dieser Markt breitet sich genauso aus, wie der weltweite Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Annemarie Volling, die bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) die Koordination der GfR übernimmt, führt zahlreiche Beispiel auf, bei der Hersteller bewusst auf Produkte ohne Gentechnik setzen. Das reicht von der Ankündigung Hipps, den Standort zu wechseln, bis zur größten Mais-Mühle Deutschlands, Kampffmeyer, die Partien mit mehr als 0,1 Prozent GVO-Anteil nicht mehr annimmt. Nach Volling zählt auch nicht das Argument, es gebe weltweit kein gentechnikfreies Soja mehr. Brasilien hätte genug, „das muss nur nachgefragt werden.“

Georg Janssen

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL, hält alle Argumente, die für die Gentechnik sprechen für widerlegt. Die Gentechnik beseitige weder den Hunger, noch reduziere sie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Den Fortschritt werde man nicht zurückdrehen können, aber es gebe klügere Alternativen als die Gentechnik. Armut und Hunger seien ein Verteilungsproblem und resultiere aus fehlendem Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln. Nach drei bis vier Jahren steige der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wieder an, weil die Unkräuter gegen die Totalherbizide resistent werden. Janßen wehrt sich auch gegen den Begriff der Ökodiktatur, denn die Bauern forderten nur ihr Recht auf eine freie Vermarktung ein, Produkte ohne Gentechnik anzubieten, die von den Verbrauchern eingefordert werden.
Die Bauern der GfR werden von der Sorge getragen, abhängig zu sein. So will die Industrie die Lebensmittelproduktion vom Acker bis zum Teller „in den Griff bekommen“, wie Monsanto-Vorstand Robert Shapiro der „Zeit“ vor zehn Jahren beichtete (Die Zeit 28/1998). Es geht um Geld. Der Bundesverband der Pflanzenzüchter bezifferte den Wert des gentechnisch veränderten Saatgutes weltweit auf rund 50 Milliarden US-Dollar. Nach Janßen wollen diese Summe BASF und Bayer bis zum Jahr 2025 jeweils für sich beanspruchen. Voraussetzung ist, dass die Bauern keinen Nachbau mehr mit dem GVO-Saatgut betreiben dürfen: „Wer die Saat hat, hat das Sagen“, so Janssen. Er erinnert an die konventionelle Kartoffelsorte Linda. Die ist zwar von den Verbrauchern heiß begehrt, bei Direktvermarktern daher sehr beliebt, wurde aber vom Eigentümer nach Auslaufen der Zulassung vom Markt genommen. Mittlerweile ist es gelungen Linda in Schottland wieder zuzulassen, so dass sie in gut zwei Jahren wieder europaweit erhältlich ist. Ähnliches drohe, wenn die rund 100 Patentanträge in Europa gültig werden. Die reichen von Milchrindern mit hoher Milchproduktion bis zum Broccoli mit hohem Glucosinolatgehalten.
Hinter der Gentechnik stehe immer mehr die Frage, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen solle. Bäuerlich oder industriell?

Lesestoff:
Die Bauern der gentechnikfreien Initiative Barnim finden Sie unter www.gfr-barnim.de
Die Seite www.gentechnikfreie-regionen.de bietet allgemeines Informationsmaterial; Stellungnahmen zu Gesetzen und Tipps für neue Initiativen.
Auf dem Niedersachsentag der Grünen Woche warb Vanessa Kummer vom amerikanischen Soja-Exportverband um Änderung der europäischen Nulltoleranz beim Importfutter.

Roland Krieg (Text und Fotos)

Erratum: 17.02.10: Die GfR Barnim lud zur Tagung nach Biesenthal. Biesenthal liegt im Barnim und nicht, wie urspünglich geschrieben, in der Schorfheide. Die erste öffentliche Veranstaltung der GfR Barnim war nicht die Tagung in Biesenthal, sondern die Gründungsveranstaltung im Juli 2009 in Tempelfelde.

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