Baumschädlinge nehmen zu
Landwirtschaft
Öffentliche Wahrnehmung zu Baumschädlingen gering
Menschen nehmen Gefahren manches Mal zu stark, in anderen Fällen kaum wahr. Bei Schädlingen und Krankheiten an Pflanzen, die infolge des enormen Welthandels nach Europa bzw. Deutschland eingeschleppt werden können, ist die öffentliche Wahrnehmung meist gering und dementsprechend auch das Bewusstsein für das Gefahrenpotenzial. Selbst Experten würden manches Mal gerne die Augen verschließen. „Die Zahl neuer Schadorganismen an Bäumen in der EU ist groß“, warnt Dr. Thomas Schröder vom Julius Kühn-Institut (JKI) auf der diesjährigen 59. Deutschen Pflanzenschutztagung in Freiburg i.Br.. „Die Invasiven, wie sie genannt werden, haben hier keine oder kaum natürliche Feinde. Sie können unsere Umwelt stark verändern und ein einziger davon kann nur hier in Deutschland derzeit Schäden in Milliardenhöhe anrichten, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.“
Besonders im Fokus steht derzeit der Asiatische Laubholzbockkäfer (ALB), der Ende August 2014 erstmals in Sachsen-Anhalt mitten in Magdeburg entdeckt wurde. Die Larven können auch im Holz vieler hier heimischer Laubbäume leben und die Bäume zum Absterben bringen. Seinen Weg aus China in viele Länder der Erde schafft er immer wieder mit billigem Verpackungsholz vor allem mit Granitlieferungen. Die derzeitige Maßnahme in Magdeburg: Sämtliche Wirtsbäume in einem Umkreis von 100 Metern müssen gerodet und verbrannt werden. Danach muss eine Sicherheitszone eingerichtet werden, die aufwändig über Jahre kontrolliert wird. Das Gleiche gilt ebenfalls für eine erneute Entdeckung in Bayern vor wenigen Tagen in Neubiberg südlich von München.
Diese Quarantänemaßnahmen finden in der breiten Öffentlichkeit nicht immer Anklang. Dass frühzeitige und konsequent umgesetzte Maßnahmen sinnvoll und ökonomisch von Vorteil sind, zeigt eine Bewertung des JKI zusammen mit der Humboldt-Universität Berlin. Hier wurden die aufwändigen Quarantänemaßnahmen anhand der Situation in der Nähe von Bonn mit einer ungehinderten Ausbreitung des ALBs ökonomisch verglichen. Der ALB trat in Bonn bisher von 2008 bis 2012 mehrfach auf und führte zu der größten Vernichtungsaktion von Bäumen in NRW. „Jetzt kontrollieren 10 speziell ausgebildete Personen über das ganze Jahr die derzeit 3.000 ha große Quarantänezone“, so Reiner Schrage vom Pflanzenschutzdienst Nordrhein-Westfalen in Bonn.
Dass diese Maßnahmen wirken können, zeigen Erfolge in New York und Toronto/Kanada sowie beim Citrusbockkäfer, einem nahen Verwandten des ALBs. Neben der Gefahr des Imports kommt der Käfer inzwischen aufgrund von NICHT-Maßnahmen in einem Gebiet von ca. 40.000 ha um Mailand in Italien vor. Andere Ausbrüche in Europa, die sofort erkannt wurden, konnten bisher ausgerottet werden. Aber das Eis bleibt dünn und man sollte die Augen auf keinen Fall verschließen.
Aktuell gelten EU-weit bei Bäumen strenge Quarantänevorschriften bzw. Notmaßnahmen beim Kiefernholznematoden Bursaphelenchus xylophilus, Asiatischen Citrusholzbockkäfer CLB Anoplophora chinensis, der Esskastaniengallwespe Dryocosmus kuriphilus und den Schaderregern Fusarium circinatum und Phytophthora ramorum, falls einer dieser fünf in einem Land der EU auftaucht. An einem erneuten Notmaßnahmenbeschluss gegen den ALB, der dann für alle Mitgliedstaaten gilt, wird derzeit bei der EU-Kommission gearbeitet.
2013 gaben 25 Mitgliedstaaten 222 Meldungen zu Schadorganismen (nicht nur im Forst) ab, berichtet Katrin Kaminski vom JKI, was ungefähr der Zahl der Meldungen der Vorjahre entspricht. Etwa ein Viertel davon betraf bis dato nicht gelistete, neu aufgetretene Schadorganismen, für die die Europäische und Mediterrane Pflanzenschutzorganisation EPPO gesetzliche Regelungen empfiehlt.
Aktuelle Forstquarantäne-Schaderreger
Kiefernholznematoden (B. xylophilus): Das Befallsgebiet in Portugal sowie der Insel Madeira weitet sich aus. Während in Spanien drei der Ausbrüche mit lediglich befallenen Einzelbäumen ausgerottet erscheinen, gab es 2013 einen Befall ca. 30 km östlich der portugiesischen Grenze in der Region Salamanca, für den ein ca. 2 km2 großes Befallsgebiet ausgewiesen wurde. Die Ausrottungsmaßnahmen, einschließlich der vorsorglichen Fällung der Wirtspflanzen in einem 500-Meter-Radius um den Befall, dauern an.
Nach wie vor existiert in Italien in der Gegend um Mailand der ca. 40.000 ha umfassende Ausbruch des Citrusbockkäfers (A. chinensis, CLB). Alle anderen Auftreten in EU-Mitgliedstaaten konnten getilgt werden. Aus den vielen Einzelfunden der Jahre 2008 – 2014 hat sich bisher kein Auftreten abgeleitet.
Beim Asiatischen Laubholzbockkäfer (A. glabripennis, ALB) gab es vermehrt neue Freilandauftreten. So sind in Deutschland derzeit fünf Befallsgebiete bekannt und in der gesamten EU einschließlich der Schweiz 18.
Japanische Esskastaniengallwespe (D. kuriphilus): 2013 befallene Bäume in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen sowie 2014 in Rheinland-Pfalz. Die Gallwespe ist inzwischen über ganz Italien verbreitet. In anderen Mitgliedstaaten trat er ebenfalls auf. Da eine Ausrottung nicht mehr möglich erscheint und auch eine natürliche Ausbreitung nicht aufzuhalten ist, wurden die Notmaßnahmen der EU bis auf Regeln für ausgewiesene Schutzgebiete im Jahr 2014 aufgehoben.
Der Schadpilz Fusarium circinatum ist nach wie vor in Baumschulen und im Freiland Spaniens aktiv. In einigen Gebieten war eine Ausrottung möglich, in anderen Gebieten gab es neue Ausbrüche, so dass derzeit 9 Baumschulen betroffen sind und 7 Befallsgebiete ausgewiesen wurden. Auch in Portugal wurden neue Befallsherde in Baumschulen festgestellt.
Phytophthora ramorum wurde im Jahr 2013 in 17 EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz nachgewiesen, wobei 94 % aller Ausbrüche aus Großbritannien gemeldet wurden. Nach wie vor sind dabei Rhododendren die Hauptwirtspflanzen. In Deutschland wurde P. ramorum einmal in Niedersachsen im Öffentlichen Grün und einmal an verwilderten Rhododendren in einem Waldstück in Schleswig-Holstein gefunden. In zwei Bundesländern wurden zugekaufte Pflanzen positiv getestet. Damit ist festzustellen, dass der Befall mit P. ramorum in Deutschland sowohl bezüglich der Anzahl der betroffenen Bundesländer als auch der Anzahl der Einzelfunde in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen ist.
Lesestoff:
Dr. Gerlinde Nachtigall (JKI)