BB: Nicht nur mit der Ernte unzufrieden
Landwirtschaft
Ernteabschlussgespräch Brandenburg
Deutschland hat in vielen Regionen eine magere Ernte
unter schwersten Bedingungen eingefahren. In der letzten Woche sagte beim Ernteabschlussgespräch
des Deutschen Bauernverbandes Dr. Kliem, die Bauern haben um jedes
Korn gekämpft.Auch die Brandenburger. In der Prignitz und der Uckermark
stehen noch heute druschreife Getreidebestände auf dem Feld. Landesbauernpräsident
Udo Folgart zog am Montag beim Ernteabschlussgespräch auf der
Agrargenossenschaft Ranzig Bilanz. Die Brandenburger Bauern haben lediglich
1,85 Millionen Tonnen Getreide eingefahren. Rund 450.000 Tonnen weniger als im
Vorjahr. Mit einem Durchschnittsertrag von 41,5 Dezitonnen je Hektar (dt/ha)
lag die Druschernte um 14 Prozent niedriger. Oft gab es nicht einmal 250 ährentragende
Halme je Quadratmeter. Normalerweise steht Wintergetreide mit 500 Halmen auf
dem Feld.
Frank Groß, Betriebsleiter der Agrargenossenschaft
hatte die Niederschläge in diesem Jahr mit notiert. Februar (6,5 mm), Februar
(23), März (20), April (15), Mai (41), im Juni 185 und im August 65 Millimeter.
Statt durchschnittlich 60 dt Getreide von seinen Feldern erntete er nur 35
dt/ha.
Wegen der guten Ernte im Schwarzmeerraum haben sich die
hohen Preise zu Erntebeginn nicht halten können, liegen aber noch über dem
Vorjahrespreis. Brot- und Futterweizen erzielen 175 Euro je Tonne. Im Vorjahr
waren es 145 und 165 Euro.
Futter
Die Agrargenossenschaft rund 90 Kilometer südlich von Berlin
bewirtschaftet 1.365 ha, davon 1.250 Ackerland hauptsächlich für den Futterbau.
Der Betrieb hält 605 Milchkühe aus eigener Reproduktion und hat sich mit 500
Sauen ein neues Standbein in der Schweinemast aufgebaut. 1.300 Läufer werden
auf dem Betrieb ausgemästet.
350 Hektar Grünland führt der Betrieb noch. Die standen
aber zwischen August 2010 bis Februar 2011 dauerhaft unter Wasser. Der Betrieb
bewirtschaftet Spreerandwiesen. Damit fiel in diesem Jahr der erste
Futterschnitt komplett aus. 20 Hektar beste Gerste wurden für die
Futterversorgung siliert.Dem Mais hat die Witterung gut getan und er steht im
ganzen Land recht gut da, hat auch vielfach zwei Kolben je Pflanze ausgebildet.
Allerdings ist durch das starke Biomassewachstum das Verhältnis zwischen
Strukturfutter wie Blatt und Halm zu energiereichem Kolben zu ungünstig für die
Milchkühe, die fast 10.000 Kilogramm Milch pro Jahr geben. Den Mais muss man in
diesem Jahr unterhalb der Kolben bereits mähen, sagte Frank Groß. Dann bekommt
die Maissilage ihre Energie im Silo. Eine gute Grundfutterversorgung spare den
einkauf an Kraftfutter.
Trotzdem ist die Futterversorgung in Brandenburg nicht
optimal. Der Bauernverband hat im Internet eine Futterbörse eingerichtet. Dort
bieten Landwirte die Menge und Qualität des Futters an, das sie verkaufen
können. Tierhalter können die Partien, die sie brauchen direkt ordern, erklärt
Dr. Karsten Lorenz vom Landesbauernverband das System gegenüber
Herd-und-Hof.de. Die Futterbörse läuft seit einer Woche und wird gut
angenommen. Sie wird über den ganzen Winter hinweg betrieben werden.
Keine besonderen Forderungen
Landesbauernpräsident Udo Folgart gibt sich trotz der prekären Situation bescheiden. Als Hilfe fordert der Verband lediglich eine zügige Auszahlung der Kulturlandschaftsgelder und Direktzahlungen aus Brüssel. Mecklenburg-Vorpommern hat seinen Bauern zusätzlich noch Stundungen für Steuerschulden und Pachten für Landesflächen angeboten. Dort sei die Situation aber auch dramatischer, so Folgart. Vergleichbares könnte man auch in Brandenburg in Erwägung ziehen, doch mit der zügigen Auszahlung sei den Bauern schon gut geholfen.
Dauerthema Wasser
Wasser ist in Brandenburg ein Dauerthema. Nicht nur
wegen der zunehmend ungleichen Niederschlagsverteilung. Viel mehr, weil die rund
30.000 Kilometer Meliorationsgräben mehrheitlich in schlechtem Zustand sind. Viel Wasser und zu wenig Abfluss beklagten auch die Bauern im Norden von
Berlin.
Die Spree fließt direkt über die Flächen der
Agrargenossenschaft Ranzig. Ihr soll demnächst noch mehr Überflutungsraum
gegeben werden, beklagte Bernhard Groß, stellvertretender Vorsitzender des
Landesbauernverbandes. Mit der „Krummen Spree“ ohne geplanten Brückenbau müsste
der Betrieb „durch 40 Zentimeter flaches Wasser“ fahren, um die Felder auf der
anderen Flussseite zu bearbeiten. Er mutmaßt, dass wegen des Tourismus die
Spree im Sommer aufgestaut wird, im Winter wird das Wasser dann wieder
abgelassen.
Hier werde dem Naturschutz eine höhere Priorität eingeräumt
als dem Eigentum und der Arbeit der Bauern, beklagte sich Udo Folgart. Gräbensohlen
werden wegen Mollusken nicht geräumt und mindern den Abfluss. In diesem Jahr
gibt es zusätzlich einen Rückstau aus der Elbe über die Havel und Spree bis
nach Ranzig. Das System scheint aus dem Gleichgewicht und die Brandenburger
Aufteilung von Umweltschutz und Landwirtschaft auf zwei Ministerien ist bei der
Lösung der umfassenden Aufgabe eher hinderlich. Nach Folgart wäre ein
Ministerium zwar besser, aber wenn die Schnittstellen funktionieren, seien zwei
Ministerien nicht unbedingt hinderlich.
Nach Bernhard Groß hapert es aber genau daran. Durch
den Personalabbau fehle den Ministerien Fachkompetenz und die Zusammenarbeit könne
aufgrund der vorliegenden Realitäten nur als „Katastrophe“ bezeichnet werden. Nach
Wolfgang Scherfke, Geschäftsführer des Landesbauernverbandes, ist die
Schwerpunktsetzung falsch. Der Naturschutz werde über die Landwirtschaft
gestellt. Auch bei den Gräben müsse eine Gute Fachliche Praxis wie in der Landwirtschaft
angelegt werden.
MIL
Das Brandenburger Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) hat derzeit keinen guten Lauf. Jörg Vogelsänger war beim Ernteabschlussgespräch entgegen der Ankündigung nicht dabei. Der Minister hatte den Termin „nicht auf dem Schirm“, wie es hieß. Am vergangenen Wochenende fand der Verband Deutscher Agrarjournalisten in Seddin bei Potsdam zu seiner Jahrestagung zusammen. Das Ministerium wollte keinen Vertreter zu einer Podiumsdiskussion entsenden.
Lesestoff:
Derzeit wird das Thema Wasser in Brandenburg unter
dem Aspekt der Knappheit betrachtet. Im März diskutierten Politik und
Wissenschaft über mögliche Konsequenzen für eine künftige Nutzung
Roland Krieg (Text und Fotos)