BB: Verarbeiter gesucht

Landwirtschaft

Konzept für den Berliner Markt

Bezogen auf den Flächenanteil ist Brandenburg bundesweit Spitze: 129.911 ha landwirtschaftliche Nutzfläche im ökologischen Anbau, das sind rund 10 Prozent der Landesfläche. Neun Prozent aller Brandenburger Betriebe, 623 in konkreten Zahlen, arbeiten nach ökologischen Standards. Werden hierzu noch zertifizierte Verarbeiter, Händler, Importeure und Futtermittelhersteller gezählt, arbeiten insgesamt 771 Unternehmen als anerkannte Biobetriebe. Das Land fördert diese Entwicklung mit einem Förderprogramm in Höhe von 16 Millionen Euro aus dem Kulturlandschaftsprogramm. Die BioFach in Nürnberg wird genutzt, weitere Interessenten zu finden, sich in Brandenburg niederzulassen oder generell Kontakte zu knüpfen – denn: Die Hauptstadt Berlin mit ihren 3,7 Millionen Einwohnern bietet eine einmalige Absatzchance, die zurzeit noch nicht optimal genutzt wird.

Es fehlen Waren und Verarbeiter
Gerd Scholl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) beschrieb auf der Messe die Ausgangsbedingungen. Die Berliner sind Brandenburger Produkten gegenüber aufgeschlossen und der Bioanteil könnte von zehn auf 20 Prozent gesteigert werden. Der Anteil verarbeiteter Produkte aus Brandenburg liegt nur bei 13,5 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 17,5 Prozent, Zwischen 1997 und 2005 stieg der Anteil der Bioprodukte im Lebensmitteleinzelhandel von 28 auf 41 Prozent. Die selbstständigen Kaufleute haben dabei die Möglichkeit, ihren Einkauf zwischen fünf und 20 Prozent selbst zugestalten, um beispielsweise auf regionale Produkte zurück zu greifen.
Daher hat es das bis Ende Februar laufende Projekt des IÖW gegeben, die Chancen zu testen, mehr Bioprodukte im selbstständigen Lebensmitteleinzelhandel zu vermarkten. Drei Viertel der Händler wollen diese Produkte listen, aber es fehlt nicht nur generell an Waren, sondern vor allem an verarbeiteten Produkten.

Händler erfüllen Kundenwünsche
Martina Waltern führt einen E-neukauf in Schöneiche bei Berlin mit rund 1.000 qm Fläche. Seit Ende 1999 bietet sie auch Bioprodukte an, was sich zu Beginn nur schleppend gelohnt hat und Ware wegen fehlenden Abverkaufs abgeschrieben werden musste. Mittlerweile aber hat sie ein volles Sortiment, das vom Kaffee bis zur Tiefkühlpizza reicht. Besonders attraktiv ist das frische Rösten im Geschäft von Öko-Kaffee aus Peru. Milch und Molkereiprodukte, Obst und Gemüse sowie Fleisch gehen am besten über die Ladentheke. Ihre Philosophie ist einfach: Die Kunden wollen Produkte aus der Region, der Händler arbeitet in der Region und kann mit dem regionalen Image nicht nur ein besonderes Profil herausstellen, sondern auch als Teil des regionalen Wirtschaftskreislaufes etwas in der Region für die Region tun.
Edeka hat ein Pflichtsortiment für Bioprodukte und die Gruppenwerbung für Biolebensmittel käme ihr gerade recht. Es boomt. Über das Pflichtsortiment hinaus hat sie aber die Möglichkeit, spezielle Produkte anzubieten, die es auch wegen ihrer Menge nicht in eine bundesweite Listung schaffen. So bietet sie Sanddornprodukte der Firma Berger und Wein vom Wachtelberg an. Eines macht die Geschäftsfrau aber auch klar: Für eine Kiste Äpfel lohnt sich der Aufwand nicht: „Es rechnet sich zum Schluss betriebswirtschaftlich nicht.“

Der Markt als treibende Kraft
So überschlägt auch Bernd Räuber, Geschäftsführer des Frucht-Express Export Import die Losgrößen. Der seit 2000 auch Bioprodukte liefernde Logistiker gibt Bio eine „riesige Chance“. Aber er kann nicht einzelne kleine Betriebe befragen, ein bisschen Ware zu liefern.
Welche Chance haben also große und kleine Betriebe am wachsenden Markt teilzunehmen? Betriebsleiterin Rita Neumann von Gut Schmerwitz, mit 1.200 Hektar einer der größten Ökobetriebe in Deutschland mit Schweinen, Schafen, Legehennen und 8-gliedriger Fruchtfolge, beschreibt Dilemma und Chance: Zwar gebe die BVVG immer noch Flächen für den Verkauf ab, jedoch kann sie nicht beobachten, dass ökologische Betriebe bevorzugt würden. „Es gibt einen Flächenkampf in Brandenburg“, stellte sie fest. In der Größe kann kaum noch ein Betrieb wachsen. Deshalb sei die Steigerung der Wertschöpfung nur noch innerhalb des Betriebes durch Veredlung möglich. Aber nicht gleichmäßig. Werde der Schweinebestand von 1.500 auf 2.000 erhöht, müsste der Getreideverkauf für die menschliche Ernährung verringert werden, um mehr wirtschaftseigenes Futter anzubauen.
Für kleine Betriebe, die neben ihrer Direktvermarktung kaum eine Chance haben, ihre Waren im Lebensmitteleinzelhandel unterzubringen, könnten die Überschüsse an Gut Schmerwitz liefern und dort über den Hofladen anbieten.

Strategien für das Land
Die Studie des IÖW bietet Gelegenheit, Chancen und Schwachstellen zu identifizieren, resümierte Brandenburgs Agrarminister Dr. Dietmar Woidke, der zum ersten Mal zur BioFach angereist ist. Für ihn ist die Frage der Vermarktung eine Frage der Entwicklung des ländlichen Raumes. Hier müssen Wertschöpfungsprozess mit der Schaffung und Sicherung von Arbeitskräften verbunden werden. Er kann sich vorstellen, dass es Erzeugergemeinschaften über die einzelnen Verbandsgrenzen hinweg geben kann, um Ware zu bündeln: „Ein kleiner Betrieb hat keine Chancen im Berliner Großhandel.“
Die Ökobetriebe müssen sich horizontal und vertikal einbinden.

Lesestoff:
Der Vermarktungsverband pro agro hat zusammen mit dem Land Brandenburg und der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau in Berlin Brandenburg im Dezember eine Broschüre herausgebracht, die in verschiedenen Regionen BioTouren anbietet. 26 ausgewählte Ökobetriebe mit interessanter Umgebung und Sehenswürdigkeiten laden den Leser zu aktivem Urlaub per Rad, zu Fuß oder mit dem Boot ein. Leckereien auf den Biohöfen inklusive. Die Betriebe werden ausführlich vorgestellt. Zu beziehen ist die Broschüre über www.bio-brandenburg-berlin.de

roRo

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