BDBe entgegnet der Leopoldina Bioenergie-Studie
Landwirtschaft
Offener Brief des BDBe an die Leopoldina-Bioenergiestudie
Die Studie der Leopoldina zur kritischen Betrachtung der Bioenergie bleibt dauerhaft nicht unwidersprochen [1]. Am Montag hat Prof Dr. Markwart Kunz, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) sich in einem offenen Brief an den Präsidenten der Leopoldina, Prof. Hacker gewandt. Herd-und-Hof.de dokumentiert den Brief des BBDe:
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Sehr geehrter Herr Professor Hacker,
mit großem Interesse haben wir die jüngst durch Ihr Haus veröffentlichte Studie „Bioenergie: Möglichkeiten und Grenzen“ aufgenommen.
Das Fazit der Stellungnahme, auf die Nutzung von (biomassebasierter) Bioenergie zu verzichten und eine zukünftige energetische Versorgung des Industriestandorts Deutschlands auf solar- und windbasierte Technologien zu fokussieren, hat uns überrascht und kann nicht ohne Widerspruch bleiben.
Andere wissenschaftliche Gremien wie das renommierte IPCC kommen zu gegenteiligen Ergebnissen. So wird im „Special Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation“ des IPCC (2012) festgestellt, dass mit Wind- und Solarenergie kein vollständiger Ersatz der heute überwiegend fossil basierten Energieversorgung möglich ist. Bioenergie ist demnach sehr wohl ein wesentlicher Baustein einer zukünftigen nachhaltigen Versorgung mit erneuerbarer Energie. Die IPCC-Prognose für 2050 geht davon aus, dass der Anteil von Bioenergie um ein Vielfaches größer sein wird als der Anteil von Wind- und Solarenergie – unabhängig vom untersuchten Szenario.
Im Transportsektor wachsen die Treibhausgasemissionen weltweit, dies trotz vielfältigen Reduktionsbemühungen. Auf absehbare Zeit ist kein anderer partieller Ersatz der in diesem Sektor eingesetzten Energieträger als durch chemisch gespeicherte Energie in Form flüssiger und gasförmiger Biokraftstoffe in Sicht.
Ein Schwerpunkt der aktuellen Entwicklungen in der Antriebstechnologie sind sogenannte „range extender“, d.h. eine Kombination von batteriegespeistem Elektroantrieb für kurze Strecken und einer Verlängerung der Reichweite durch Einsatz chemisch gespeicherter Energie. Durch diese technologische Optimierung des gesamten Antriebsstranges mit Hilfe von kleinen, doppelt-aufgeladenen Motoren, die hoch-oktanige Benzine verwenden müssen, reduziert sich der spezifische Energiebedarf des Fahrzeugs, d.h. es findet eine Steigerung des energetischen Wirkungsgrades hin zu Wirkungsgraden statt, wie sie bislang nur von Brennstoffzellen bekannt sind. Hoch-oktanige Benzine können kostengünstig durch Bioethanolbeimischungen zu Benzin gewonnen werden (z.B. E20). Gravierende Treibhausgaseinsparungen sind im Transportsektor aufgrund des derzeitigen Fahrzeugbestandes und auf absehbare Zeit daher nur durch die Verwendung von Biokraftstoffen zu erreichen (Anteil von Elektrofahrzeugen derzeit: 0,01%).
Biokraftstoffe, die im EU-Transportsektor eingesetzt werden, müssen bereits heute die in Ihrer Stellungnahme herausgearbeiteten Anforderungen erfüllen. So gelten die verpflichtenden Regelungen der EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien, dass für jeden produzierten Biokraftstoff individuell und rohstoffbezogen eine pfadspezifische Berechnung der im Lebenszyklus emittierten Treibhausgase (CO2, Methan und Lachgas) erfolgen muss. Biokraftstoffe müssen dabei im Vergleich zum derzeit als Referenz festgelegten erdölbasierten Kraftstoff (s.u.) mindestens 35 %, ab 2017 mindestens 50 % (für Neuanlagen sogar 60 %) der Treibhausgasemissionen einsparen. Darüber hinaus hat die EU-Kommission für Biokraftstoffe umfangreiche Prüf- und Berichtspflichten bezüglich der Auswirkungen der Biokraftstoffziele festgelegt (Art. 17 Nr. 7 Rl. 2009/28/EG).
Erwähnenswert erscheint uns dabei, dass
- der zur Berechnung der Treibhausgaseinsparung zu verwendende fossile Referenzwert zu niedrig angesetzt ist, wie von unabhängigen Experten bestätigt wird. Die realen Treibhausgasemissionen von Otto- und Dieselkraftstoff liegen im Lebenszyklus unter Berücksichtigung der Herkunft des tatsächlich zur Herstellung verwendeten Rohöls deutlich höher und werden perspektivisch – durch steigende Anteile von Erdöl aus unkonventionellen Quellen (Ölsande, off-shore Förderung, Ölschiefer) – sogar weiter zunehmen.
- die Berechnungsmethodik zuungunsten von Bioethanol erfolgt, da bei der Berechnung bislang Einspareffekte durch (nachgewiesen) verbesserten Nutzungsgrad bei Bioethanolbeimischungen (sog. TTW-Effekte) nicht berücksichtigt werden. Bioethanol ersetzt insbesondere bei Beimischungen wie E5, E10 oder E20 eben gerade nicht, wie üblicherweise angenommen, 1:1 den Energiegehalt von Ottokraftstoff, sondern fungiert als „Oktanbooster“, d.h. erhöht die Energienutzungseffizienz des Motors.
Durch Bioethanol aus deutschen bzw. europäischen Rohstoffen werden daher die Treibhausgasemissionen wesentlich stärker gemindert als bisher in der Öffentlichkeit diskutiert.
Als weiteren Punkt führt Ihre Studie eine vermeintliche Konkurrenz zwischen der Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln sowie der Produktion von Biokraftstoffen an. In Europa wird jedoch ein integriertes Konzept zur Produktion von Lebens- und Futtermitteln sowie Biokraftstoffen praktiziert. Es ist deshalb im Fall von Bioethanol unzutreffend, dass die europäische Produktion von Biokraftstoffen zusätzliche Importe von Futtermitteln bedingt. Das Gegenteil ist richtig. Das integrierte Konzept der europäischen Bioethanolproduktion senkt Futtermittelimporte wie Soja aus Drittländern und setzt somit Flächen, insbesondere in Südamerika, für andere Verwendungszwecke frei.
Ich hoffe, sehr geehrter Herr Professor Hacker, dass aus dem Vorstehenden die erheblichen Defizite der Stellungnahme hinsichtlich Bioethanol aus europäischen Rohstoffen deutlich geworden sind. Gerne sind wir bereit, in einem vertiefenden Gespräch zwischen Ihren Fachgremien und unseren Experten zur Klärung dieser Defizite beizutragen.
Zur Versachlichung der durch die Stellungnahme ausgelösten öffentlichen Diskussion werden wir dieses Schreiben veröffentlichen.
Markwart Kunz
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Ende des Briefes. Eine ausführliche Stellungnahme zur Studie der Leopoldina hat auch das Deutsche Biomasseforschungszentrum(DBFZ) veröffentlicht.
Lesestoff:
Stellungnahme des DBFZ: www.dbfz.de
Roland Krieg