BDM: Vorbild Kanada

Landwirtschaft

Milch: Kritische Masse noch nicht erreicht

>FaironikaDer Bundesverband Deutscher Milchviehalter (BDM) hatte vor Beginn der Grünen Woche deutlich gemacht, dass auch die großen Milchbauern in finanzielle Not geraten. Auf dem Symposium des BDM stellte Jürgen Meenke (BDM) noch einmal dar, dass im Verband „nicht nur die kleinen ängstlichen Bauern“ versammelt sind, sondern auch die großen Milchviehbetriebe. Die direkten Kosten für die Milcherzeugung belaufen sich derzeit auf 20,1 Cent je Liter, davon alleine 15 Cent Futterkosten. Arbeitskosten, Lohn und Maschinen addieren sich auf 11,4 Cent (der Lohnansatz des Unternehmens macht dabei 7 Cent aus) und Gebäude und Versicherungen schlagen mit 7,2 Cent je Liter zu Buche. In der Summe sind das 40,1 Cent je Liter für eine Vollkostendeckung. Aktuell erhält er jedoch nur 28 Cent von der Molkerei. Inklusive Ausgleichs- und anderer Zulagen hat er einen Liquiditätsverlust von 5,6 Cent je Liter. Sein monatliches Minus beläuft sich bei einem Milchpreis von 30 Cent auf 9.000, bei einem von 28 Cent auf 14.000 und bei 26 Cent auf 19.000 Euro. Nur Biogas und Ackerbau verzögern den Ruin.

Es darf nichtsmehr passieren
Die Familienbetriebe sind in der Regel stärker an Eigenkapital, sagt Meenke. Die großen Betriebe haben in der Vergangenheit investiert und aus dem Lohnansatz für den Unternehmer wird eine Lohnzahlung für die Angestellten. Aus dem Pachtansatz wird eine reale Pachtzahlung. Aus einem Zinsansatz wird in den Büchern eine Zinszahlung: Aus den Planungsansätzen der Betriebe sind reale Rechnungen auf den Schreibtischen geworden. Meenke weist darauf hin, dass den Betrieben nichts mehr passieren darf. Wird der Betriebsleiter krank, fallen Tiere einer Seuche zum Opfer oder sind Reparaturen notwendig, dann ist das Ende der Liquidität schnell erreicht.
In der Schweiz sieht es nicht anders aus, wie Martin Haab von der BIG-M berichtet. Das ist die Bäuerliche Interessensgruppe für Marktkampf. Im Alpenland läuft die Quotenregelung im Mai 2009 aus und die Schweizer Milchbauern stehen vor der Alternative, viel Milch zu Tiefpreisen zu produzieren oder als Produzentenvereinigung ihre Marktmacht zu stärken. Das allerdings habe in der Vergangenheit nicht geholfen, denn es gebe bereits mehr als 40 solcher Vereinigungen, die untereinander im Wettbewerb um die Milch stehen. Es gebe noch einen dritten Weg, der aber bis zum Sommer nicht vorgezeichnet ist: Einen nationalen Milchpool, bei dem nicht mehr die Verarbeiter, sondern die Erzeuger die Mengenregelung übernehmen. Vorbild Kanada. Dort orientiert sich die Quotenmenge am internen Markt, abzüglich der Importmenge. Eine nationale Kommission verteilt auf die zehn kanadischen Provinzen eine Tagesquote, deren Menge bis zu 20 Tage über- und bis zu 30 Tagen unterschritten werden darf.

BDM will kanadisches Modell
Das Symposium machte klar, dass der BDM im Jahr 2009 konzentriert auf ein vergleichbares Modell eines Milkboards zielt. Kritische Stimmen sagen dem Modell nach, dass die hohen Preise sowohl ein betriebliches Wachstum als auch Innovationen verhindern würden. Dem widerspricht der niederländische Ökonom Nick Koning von der Universität Wageningen. Zum einen sei das in Kanada nicht nachvollziehbar, zum andern werden Betriebswachstum und Innovationen bei den europäischen Milchbauern durch einen „Verarmungsprozeß“ verhindert.
Martin Haab erinnert, dass die kanadischen Bauern erst zu diesem Modell gestoßen sind, als die Milchwirtschaft an ihrem Tiefpunkt war. Die europäischen Bauern sollten das besser machen und sich vorher für dieses Modell entscheiden.
Fair MilkEine andere Kritik an dem kanadischen Modell zielt auf die Unvereinbarkeit mit den WTO-Verhandlungen, weil das Modell keinen freien Markt darstellt. Der kanadische Milchbauer Georg Heinzle jedoch sieht das kanadische Parlament geschlossen hinter dem Modell. Man versuche die Milch als sensibles Produkt in eine Ausnahmeregelung zu bringen – was aber nicht leicht ist, so Heinzle, denn mit Eier und Legehennen sei die Ausnahmeregelung bereits mit Wünschen gut gefüllt.
Wenn der Milchboard als nationales oder europäisches Steuerungsmodell funktionieren soll, müssten mindestens 80 Prozent der Quote darin erfasst sein, heißt es. Meenke allerdings fordert erst einmal mit dem Board anzufangen. Wie sich das dann entwickelt werde die Zeit bringen. Daher sei eine Bündelung der bäuerlichen Interessen im BDM, den Meenke als „Fachverband für Milchviehhalter“ verstanden haben will, zwingend notwendig. Meenke wies darauf hin, dass die Mitgliedschaft im Milkboard nicht veröffentlicht werde.
Liefen BDM und der Deutsche Bauernverband (DBV) während des Lieferstreiks 2008 mit der Zielsetzung eines gerechten Preises noch einigermaßen gemeinsame Wege, würden sich zwischen BDM und DBV im Falle eines erneuten Streiks 2009 keine Parallelen mehr finden. Die Lösung des DBV arbeitet an den Molkereistrukturen, die Lösung des BDM an der Übertragung der Verantwortung auf die Erzeuger. Meenken will jedoch „keine Emotionen in Richtung Bauernverband raushauen. Wir machen unser Ding, dann springen die auf uns zu“, gibt Meenken sich optimistisch. Er forderte die Bauern auf: „Zeigt mehr Leidenschaft, Dinge zu verändern.“

Exportsubventionen
Die EU legt große Hoffnungen in die Stabilität des Milchmarkts durch die Wiedereinführung der Exportsubventionen. Koning sagt, dass das nur eine allgemeine Hoffnung sei. „Generell sei es eine Schande, dass man so ein Instrument zur Stabilisierung überhaupt brauche.“ Auch der schweizer Ökonom Prof. Dr. Binswanger sieht mehr negative Effekte. Subventionierte Exporte erhöhen die Menge auf dem Weltmarkt und senken die Preise unter das Niveau, wo die afrikanischen Bauern noch produzieren können. Die Exportsubvention sei „ein falsches Marktsignal“.

roRo

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