Beckstein will weiter brennen

Landwirtschaft

Perspektiven für Obstbrennereien

Kaum etwas gehört enger zusammen wie die Streuobstwiese und die kleiner Brennerei. Die Streuobstwiese mit weit auseinander stehenden Bäumen und zum Teil seltenen Obstsorten wirft den Rohstoff ab, den kleine Brennereien für ihre Liköre, Brände und Säfte nutzen. Oft in kleinen Mengen, von denen vor allem die Urlauber zu Hause als Geheimtipp berichten.

Im Bestand gefährdet

Im Oktober des letzten Jahres veranstalteten die Brennereien in Baden-Württemberg einen Tag der offenen Tür, um die Herstellung der Edelbrände und die Bedeutung der Streuobstbestände offen zu legen.
Zum Beispiel unter dem Motto „Beckstein brennt“. Der Winzerort im Taubertal tischt mit manchen flüssigen Delikatessen auf: Holzfassgelagertes Zwetschgenwasser, sortenreiner Apfelsaft aus Goldparmäne, Mirabellenwasser oder Sauerkirschlikör. Das Touristen und Einheimische diesen Gaumenschmaus auch in Zukunft noch genießen können, steht auf der Kippe: Die Brennereien pflegen und erhalten die Streuobstwiesen und das Branntweinmonopol schützt die Brennereien.
Dem hat die EU im letzten Jahr eine Galgenfrist gewährt. Das Branntweinmonopol für Getreide- und Kartoffelbrennereien läuft 2013, das für Obstbrennereien Ende 2017 aus. Dann stehen die lokalen Destillen im Wettbewerb mit den großen Industriebrennereien und sind in ihrem Bestand gefährdet.
Besonderes Interesse an der Zukunft der Brennereien und Streuobstbestände hat Baden-Württemberg. Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle nutzte die Grüne Woche, um auf das „Streuobstländle“ aufmerksam zu machen: Von 28.000 Brennereien in Deutschland befinden sich 23.000 in Baden-Württemberg. Und die Hälfte aller Streuobstwiesen.

Es muss nicht das Ende sein…

Nach Cornelia Behm, Sprecherin für Ländliche Entwicklung von Bündnis 90/Die Grünen muss das Ende des Branntweinmonopols nicht das Ende der Obstbrenner sein. Angesichts einer Antwort von der Bundesregierung zur Zukunft der Brennereien sieht sie eine Aufgabenverteilung. Zum einen müsse der Bund rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, die den Erhalt sicher stellen, zum anderen müssen die Brennereien mit neuer Vermarktung und technischer Innovation auch einen Teil ihrer Zukunft selbst tragen. Wünschenswert wäre eine Sicherung im Rahmen der neuen Agrarpolitik für die Zeit ab 2014, erklärte Behm.

Viele Möglichkeiten offen

Hinter den Kulissen werden Möglichkeiten durchgespielt, was für die Obstbrennereien getan werden kann. Zum einen haben Vertreter der Kleinbrennerverbände im Januar und Februar mit dem baden-württembergischen Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz (MLR) Gespräche geführt, als auch das Ministerium mit dem Bundesagrarministerium (BMELV), das im April nach Prüfung aller Optionen die Bundesländer über die gangbaren Alternativen informieren will.
So könne es, teilt die Bundesregierung mit, im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK), eine Investitionsbeihilfe geben, wenn die Bundesländer zunächst allerdings Fördertatbestände verabschieden.
Es könnten auch für zuerst „Anerkannte Agraralkohol-Erzeugergemeinschaften“ Investitionshilfen für neue Brenngeräte geben – wenn BMELV und das Wirtschaftsministerium Änderungen im Marktstrukturgesetz durchführen.
Zudem wäre ein „Verstromungspotenzial von Bioethanol“ von Biomasse der Streuobstwiesen denkbar und Wirtschaftsförderungen für entweder Marktnischen, wie Brennspiritus für Krankenhäuser oder Erhaltung regionaler Spezialitäten.

Nicht alles ist wirtschaftlich

Nicht alle Ideen erscheinen wirtschaftlich. So teilt das MLR Herd-und-Hof.de mit, dass Bioethanol im großindustriellen Maßstab billiger hergestellt werden kann, als von der Biomasse der Streuobstwiesen. Auch das „Verstromungspotenzial“ werde voraussichtlich keine Rolle spielen. Als einzige energetische Verwertung kämen Reststoffe und Nebenprodukte in Frage. Bei den Klein- und Obstbrennereien fallen bei marktgerechten Produkten, wie dem „Konsumschnaps“, auch nicht vermarktbare Alkoholmengen an. „Unter Umständen könnten diese für die energetische Verwertung interessant sein“, so die Sprecherin weiter.

Förderung über Streuobstwiesen

Gangbarer scheint der Weg zu sein, einen Teil der aktuellen Förderungen, die in das Monopol fließen, der ländlichen Entwicklung zuzuleiten. Hier könnten die Mittel dazu verwendet werden, die Verarbeitung, Vermarktung und Entwicklung neuer Produkte zu fördern. Streuobstwiesen mit besonderem ökologischen Wert könnten auf diese Weise erhalten bleiben.
Skeptisch ist das MLR gegenüber der Schaffung neuer Fördertatbestände. Letztlich müssten hier unterschiedliche Interessen der Länder abgewogen werden. Bevor die Bundesregierung sich dazu aber noch nicht geäußert hat, sei kaum eine Aussage möglich.

Absatzförderung

Die Absatzförderung hingegen scheint die größte Chance zu bekommen. In Baden-Württemberg selbst laufen schon lange entsprechende Aktivitäten. Besonders im Rahmen des 2003 überarbeiteten neuen Qualitätszeichens „Gesicherte Qualität mit Herkunftsangabe“ wurde in Baden-Württemberg die regionale Qualitäts- und Herkunftskennzeichnung neu ausgerichtet. Der Begriff „Gesicherte Qualität“ weist auf eine besondere Prozessqualität und durchgängige Qualitätssicherung hin.
Dann auch bald für das holzfassgelagerte Zwetschgenwasser aus dem Taubertal.

Roland Krieg

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