Befördert Netzausbau den Flächenschutz?
Landwirtschaft
Plattform zum Flächenschutz gegründet
Am Freitag haben unter Leitung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) die Staatssekretäre aus dem Umwelt- und Bauministerium, alle Länder, der Deutsche Bauernverband (DBV), der Deutsche Landkreis- und Städtetag sowie weitere Organisationen dem Thema Flächenverbrauch eine Plattform entgegengestellt.
Laut Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär im BMELV fanden die Gespräche in einem „sehr großen und tiefen Konsens“ statt.
Eile durch Netzausbau
Seit Jahren gibt es kaum Fortschritte zur Reduzierung des Flächenverbrauches, obwohl es zahlreiche Einzelbeispiele gibt1).
Der Landvolk-Pressedienst meldet unter Berufung auf eine neue Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), dass sich der Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 nur auf 50 Hektar reduzieren lässt. Zwar sinke der Bedarf an Wohn- und Erholungsflächen, aber der Straßenbau verbraucht unverändert stabil täglich rund 20 Hektar. In den ländlichen Regionen wird durch den demografischen Wandel der Flächenverbrauch sinken, sich aber auf das Umland der Städte konzentrieren.
Jetzt aber drängt der Ausbau des Energienetzes durch benötigte Kompensationsleistungen zu bundesweiter Eile, weswegen die Plattform beim nächsten Treffen im Oktober 2012 auch bereits Ergebnisse vorlegen will. Bis dahin sind drei Arbeitsgruppen aktiv. Die erste trägt „Best-Practise – Beispiele“ zusammen, die zweite will in einem Konsens konkrete Maßnahmen ausarbeiten und die die Dritte unter der Leitung des BEMLV wird den Regelungsbedarf herausstellen.
Der Ausbau der Energietrassen von rund 4.000 Kilometer dient der Plattform als Hebel für den allgemeinen Ansatz zur Reduzierung des Flächenverbrauches von rund 100 Hektar am Tag. Die Zielmarke liegt bei 30 Hektar bis zum Jahr 2020.
Was neben den Trassen noch für den kommunalen Verbrauchsalltag übrig bleibt, ist offen. Die Ziele sind hoch gesteckt. Laut Bleser geht es auch um die Fehlentwicklung im Energie-Einspeisegesetz, nach dem Photovoltaikanlagen auf Freiflächen kaum noch tolerabel sein werden; es geht um eine Leitlinie zum Flächenausgleich als kommunale Orientierungshilfe und um Wissensdefizite. Nicht alle Planer kennen die Ausgleichsziele im Bundesnaturschutzgesetz, so Bleser. Gefördert werden soll die Innenentwicklung und ein Brachflächenkataster, mit dem ungenutzte Flächen erst sichtbar gemacht werden können. Alles soll sich um die Energietrassenplanung kondensieren. Deren Belastung des Landschaftsbildes soll nicht über Flächen, sondern finanziell ausgeglichen werden.
Bis auf die Änderung im Baugesetz sollen keine neuen Rechtsrahmen geschaffen werden. Bleser gab sich am Freitag optimistisch, dass zur Realisierung der Ziele nur die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssten. Im Juli will das Bundesumweltministerium die Vorlage für die bundeseinheitliche Kompensations-Verordnung vorlegen.
Positionen
Friedhelm Decker, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV) wartet auf diese Verordnung und als Umweltbeauftragter des DBV mahnt er die Bundesregierung an, den Ackerflächen eine Schutzklausel zu geben. Decker warnt auch, dass Trassen-Gelder für den Naturschutzausgleich für den Kauf weiterer landwirtschaftlicher Flächen eingesetzt werden könnte. „Naturschutz lässt sich intelligenter gestalten. Es muss ich immer mehr Fläche sein“, erklärte Decker anlässlich der Plattform-Gründung.
Ärger ist auch schon vorprogrammiert, weil Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler für den schnellen Ausbau der Energietrassen, Naturschutzrechte einschränken will. Eveline Lemke, Wirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz will das nicht akzeptieren: „Philipp Rösler betreibt mit diesem Vorstoß einmal mehr das Geschäft der großen Stromversorger, die immer noch meinen, ihr Geschäftsmodell als quasi staatliche Vorgabe durchsetzen zu können.“ Ohne die Bevölkerung und deren Akzeptanz der Energietrassen lasse sich die Energiewende nicht realisieren, so Lemke weiter.
Auch Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch kritisiert die Wünsche aus dem Wirtschaftsministerium: „Röslers Vorschläge zum Netzausbau schaffen nicht, sondern gefährden Akzeptanz.“ Wer Naturschutz gegen den Netzausbau ausspiele stifte Verwirrung.
Lesestoff:
1) Grundstückspreise gegen Politik
Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden (IOER) hält Werkzeuge für die Umsetzung des politischen Willen bereit: Für ein intelligentes Flächenmanagement muss die Datenbasis möglichst exakt vorliegen. Die Dresdener sind in der Lage Veränderungen der Flächennutzung zu erfassen und zu beschreiben, um eine zielgerechte Stadt- und Regionalentwicklung voranzutreiben: www.ioer.de
Roland Krieg