Berlin und sein Wasser

Landwirtschaft

Vorschläge des Ökowerk Berlin zur Wasserwirtschaft

> Entlang eines Flusses müssen mehrere Nutzer ihren Wasserbedarf kooperativ klären, bevor es in einer ?Rambo?-Situation zu Konflikten kommt. So lautete das Fazit von Dr. Waltina Scheumann auf einem Kongress der TU Berlin im Februar (Herd-und-Hof.de vom 10.02.2005). Das Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin lud am Freitag Nachmittag zu einer Regionalveranstaltung zum Thema Wasser in Berlin ein. Die Naturschützer vom Grunewalder Teufelssee begehen in diesem Jahr ihr 20jähriges Bestehen in Berlins ältestem Wasserwerk, das sie zu ihrer Heimat und einem Ausstellungszentrum gemacht haben.

Hauptstadtwasser
Berlin ist in punkto Wasserversorgung Selbstversorger. Keine Fernleitungen mit denen beispielsweise die Mainmetropole Frankfurt den Vogelsberg trocken legt. Die Trinkwasserversorgung wird ausschließlich durch das Grundwasser gewährleistet, dass weitestgehend ohne Aufbereitung genutzt werden kann. Unter der Stadt gibt es einen 100 bis 300 Meter mächtigen Süßwasserstock. Die Anreicherung des Grundwassers geschieht über Uferfiltrate aus Oberflächengewässern. Eines davon ist Berlins Lieblingsfluss: die Spree, die aus der Lausitz kommt und schon von den Tagebauern der Braunkohlereviere und den Spreewäldern in Anspruch genommen wird.
Die Tagebauer haben das Grundwasser auf etwa 2.500 qkm abgesenkt und wollen ihre geschlossenen Gruben mit rund 10 Milliarden Kubikmeter Wasser wieder auffüllen. Die Spree hat einen Jahresabfluss am Pegel Cottbus von etwa 0,5 Milliarden Kubikmeter, so dass die Berliner 20 Jahre auf ihre Spree verzichten müssten, würde zuerst nur der Lausitzer Grundwasserspiegel wieder erhöht. Die Internationale Bewässerungskonferenz in Frankfurt/Oder (Herd-und-Hof.de vom 18.05.2005) zeigte jedoch auch, dass Meliorationsgräben in Brandenburg und negative Niederschlagsbilanzen durchaus zum allgemeinen Wassersparen auffordern.

Wasser: Sparen...
Für Dr. Hartwig Berger, Vorsitzender des Ökowerks, sind neben des problematischen Spreezulaufs und der Klimadaten auch die Altlastenproblematik in Berlin und der Rückgang der Feuchtgebiete Grund genug, die Berliner zu sparsameren Wasserverbrauch aufzufordern. Auch der Teufelsberg ist eine stillgelegte Deponie mit ?organischem Material und einer Vielfalt von Schadstoffen, die die Wasserqualität ernsthaft gefährden. Das Grundwasser in diesem Gebiet hat teilweise eine Fließgeschwindigkeit von 20 cm pro Tag und bewegt sich in Richtung des Havelufers. Dort aber befinden sich die Brunnen von Beelitzhof und Tiefwerder, zweier wichtiger Wasserwerke in Berlin.? So steht es in den Vorschlägen zur Wasserwirtschaft in Berlin.
Die Uferfiltrate stammen überwiegend aus den stadtnahen Waldgebieten, weswegen die Feuchtgebiete, wie Moore und Waldseen unter sinkenden Wasserständen leiden.
Als ?verbesserungs- und reformbedürftig? bezeichnete Dr. Berger die Abwasserentsorgung, die in Berlin für die Blaualgenblüte mit verantwortlich ist. Schon auf einem Symposium 1998 zur nachhaltigen Wasserwirtschaft in Berlin wurde für die Stadt und Brandenburg überwiegend das Cyanobakterium Planktothrix agardhii als Hauptverursacher ausgemacht. Als ?einzig langfristig wirkungsvoller Weg? gilt die Reduzierung ?der Phosphateinträge aus Landwirtschaft und Abwasser?. Die Fliessgeschwindigkeit der Berliner Flüsse hilft der Algenblüte. ?Ein Wasserteilchen, dass die Müggelspree erreicht, verlässt die Stadt an der Glienicker Brücke erst nach mehreren Wochen. ?Damit haben im Wasser angereicherte Stoffe viel Zeit, um im Gewässer biochemische Wirkungen zu entfalten?, wie es im Positionspapier der Ökowerker heißt. Die niedrige Fliessgeschwindigkeit ergibt sich aus den geringen Gefällen von Spree und Havel. Auf einen Spreekilometer beträgt das mittlere Flussgefälle 0,99 Meter. Die Havel erreicht einen Mittelwert von 12 Zentimeter.

... oder mehr verbrauchen?
Gegen das Wassersparen legte Prof. Dr. Dietrich Jahn, Fachbereichsleiter für Wasser im Berliner Senat für Stadtentwicklung deutliche Zahlen auf. In der Zeit zwischen 1988 und 2000 wurden in Berlin 153 Millionen Kubikmeter Wasser weniger verbraucht. Von jährlich 378 Millionen ging der Verbrauch 2000 auf 225 Millionen zurück und hat 2004 bei 215 Millionen Kubikmeter gelegen. Zwei Drittel von dem Rückgang wurde in den Ostbezirken beobachtet. Bei einem Wasserpreis von damals 10 DM pro Kubikmeter müssten die Berliner Wasserbetriebe einen betriebswirtschaftlichen Umsatzrückgang von rund 1,5 Milliarden verkraften. In den östlichen Bezirken haben die industriellen Verbraucher durch ihren wirtschaftlichen Niedergang den Rückgang mit verursacht.
Trotzdem verzeichnet die Industrie nur 15 Prozent Anteil am Wasserverbrauch. 60 Prozent des Wassers nutzen private Haushalte, bei denen der Appell, Wasser zu sparen den Pro-Kopf Verbrauch um 10 auf 117 Liter je Tag reduziert hat. Den Rest teilen sich Büros und Dienstleistungsbetriebe.
Für Berlin stellt sich dabei ein ganz besonderes Problem dar: Nach Angaben Prof. Jahns steigt der Grundwasserspiegel im innerstädtischen Gebiet um einen halben Meter an. Vereinzelt sogar bis zu einem Meter, was bei vielen Eigenheimbesitzern zu nassen Kellern führt. Berlin hat mittlerweile wieder den gleichen Grundwasserspiegel wie 1890 erreicht und ist bei der ?Erzeugung einer Sumpflandschaft? wie 1870, so Prof. Jahn. Das Wassersparen zwinge die Wasserbetriebe, wieder über eine Entwässerungswirtschaft nachzudenken.
Der oft sehr bissig aufgetretene Wasserwirtschaftler (?Jetzt rede ich!?) gibt den Naturschützern bei globaler Betrachtung der Ressource Wasser Recht; aber regional fordere die Berliner Situation nicht zum Sparen auf.
Der Blick auf die Landkarte zeige, dass Berlins Gewässer so großflächig sind, weil die niedrige Fliessgeschwindigkeit traditionell zur Stauhaltung von Havel und Spree geführt hat. Von Mai bis September laufe wegen der negativen Wasserführungsbilanz die Spree von Köpenick zum Müggelsee rückwärts. Daher müssen die Abwässer Berlins schon zur Aufrechterhaltung des Staulevels wieder in Berlin zurückgeführt werden und nicht, wie vom Ökowerk vorgeschlagen, zum Ausgleich der Wasserentnahme an Berlins Stadtrand.

Nutzungskonflikte ? Wertekonflikte
Wasser hat nicht nur keine Balken, sondern kennt auch keine Grenzen. Die Eingrenzung auf regionale Betrachtungen erleichtert zwar manche Diskussion, erschwert sie jedoch auch wieder, denn hohes Grundwasser in der Innenstadt und dürstende Berliner Forsten lassen keine eindimensionalen Lösungen zu. Mehr Wasser zu verbrauchen ist der Gegenslogan. Prof. Jahn zeigte, dass Spree und Havel in dem Koordinierungsraum Elbe durch das Land Brandenburg vertreten werden. Mit Sachsen und Mecklenburg Vorpommern sollen Nutzungskonflikte bereinigt werden, weswegen die Forderung des Ökowerks nach einer übergeordneten Wasserbehörde von Berlin und Brandenburg nicht notwendig sei. Der Wasserwirtschaftler fasste zusammen, dass Erfordernisse des Naturschutzes und Erfordernisse der Trinkwasserversorgung im Rahmen der Trinkwasserrahmenrichtlinie der EU sowieso noch harmonisiert werden müssen. Das geschähe nicht auf der wasserbetrieblichen oder Naturschutzebene, sondern auf politischer, so Jahn.

Luxuskonsum - Luxuspreise
Die Berliner Wasserbetriebe stehen zur Zeit unter heftiger Kritik. Der 1999 geschlossene Privatisierungsvertrag beinhaltet eine ungleichmäßige Gewinnverteilung. Die Wasserbetriebe konnten in ihrem aktuellen Geschäftsbericht einen Gewinn von 230 Millionen Euro verzeichnen, jedoch erhält das Land Berlin, das mit 50,1 Prozent die Mehrheitsanteile hält, nur 35,8 Millionen Euro.
In der Ökonomie gibt es den Grundsatz, dass die Knappheit eines Gutes seinen Preis bestimmt. Der hohe Grundwasserstand kann also nicht die Preissteigerungen von 20 Prozent in den letzten Jahren begründen. Ein Kubikmeter kostet in Berlin 2,07 Euro ? in München 1,27 Euro. Am Samstag wusste der Berliner Tagesspiegel zu berichten, dass der Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU) den Senat verklagen will. BBU-Chef Ludwig Burkhardt sieht in der ?Teilprivatisierung der Wasserbetriebe eine verdeckte Kreditaufnahme des Landes Berlin? und will Einsicht in den Kaufvertrag erlangen.
Getrübt wird das Berliner Wasser nicht nur durch die überregionalen unterschiedlichen Nutzungsansprüche, sondern auch durch die politischen Konflikte.

Die Berliner Wasserbetriebe finden sie im Netz unter www.bwb.de
Das aktuelle Forschungsprojekt gegen Arzneimittelrückstände im Berliner Wasser finden sie unter www.kompetenz-wasser.de
Einen Veranstaltungskalender sowie die Öffnungszeiten und Eintrittspreise der seit September 2004 im www.oekowerk.de laufenden Wasserausstellung finden Sie ebenfalls im Internet.

Roland Krieg

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