Bestäubung bei jedem Wetter
Landwirtschaft
Insektenvielfalt stabilisiert das Ökosystem
Biodiversität erzeugt Stabilität – zum Beispiel über eine höhere Temperaturtoleranz. Eine These, die Sara Kühsel und Nico Blüthgen, Biologen der TU Darmstadt eindrucksvoll belegt haben.
Ökologische Redundanz
Biologen bezeichnen mit dem Begriff Redundanz das Vorhandensein vieler unterschiedlicher Arten in einem Ökosystem, deren Aufgaben sich teilweise überlappen. Arten mit gleicher Funktion sind funktionell „redundant“. Diese Redundanz erscheint auf den ersten Blick „überflüssig“ oder „doppelt“ und daher verzichtbar. So können auf einer Wiese beispielsweise Dutzende von Fliegen, Bienen und Schmetterlingsarten zur Bestäubung von Pflanzen beitragen. Theoretisch soll die Redundanz dem Ökosystem zu einer höheren Stabilität verhelfen.
Jedem sein Wetter
Den Beleg haben Kühsel und Blüthgen in einer aufwendigen Arbeit nun erbracht. Sie haben die Temperaturpräferenz von mehr als 500 Arten auf Grünland bestimmt. Ganz genau haben sie auf 40 Grünlandflächen 511 Insektenarten während ihrer Blütenbesuche an 104 Pflanzenarten gesammelt. Mit Hilfe von Experten haben sie die Arten identifiziert und ihnen ein Temperaturprofil zugeteilt. So sind viele Fliegenarten beispielsweise an kühleren Sommertagen an Blüten aktiv, einige Bienen hingegen fliegen erst auf Nektarsuche, wenn es etwas wärmer wird.
So ergänzen sich alle Arten auf der Wiese und Weide und sind in der Gesamtheit während eines breiten Wetterspektrums aktiv. Eine einzelne Art kommt da nicht mehr mit.
Bewirtschaftungsart
Die Biologen haben die Grünlandflächen auch noch nach Art der Bewirtschaftung eingeteilt. Auf Flächen, die intensiv gemäht, gedüngt oder beweidet werden war die Diversität von Insekten ähnlich hoch wie bei naturbelassenen Grünflächen. Besonders überraschend: Bei gleichbleibender Vielfalt nehmen die Unterschiedlichkeit, also die Nischen-Komplementarität der Insekten, und die Nischen-Breite, also die Temperatur-Toleranz der Bestäuber mit steigender Intensivierung der Landnutzung sogar noch zu. Von der Landnutzung können vor allem die Fliegenarten profitieren.
Die Arbeit der Biologen zeigt, dass die Insektenvielfalt für gleichmäßige Blütenbesuche und kontinuierliche Bestäubung sorgen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels ein Effekt, der an Bedeutung gewinnt.
Lesestoff:
Kühsel, S. & Blüthgen, N. (2015) High diversity stabilizes the thermal resilience of pollinator communities in intensively managed grasslands. Nature Communications 6: 7989. Doi: 10.1038/ncomms8989
roRo