BfR und Monsanto vor Gericht

Landwirtschaft

Umweltschützer klagen für neues PSM-Zulassungsverfahren

Vordergründig geht es um Glyphosat. Aber es steht viel mehr auf dem Spiel. Aus dem Streit um Glyphosat, der Wirkstoff, den das Europaparlament in einem Kompromiss für sieben Jahre zulassen will, ist ein Kampf geworden, bei dem es mitnichten um den Wirkstoff geht [1].

Am 03. März hat die österreichische Umweltorganisation Global 2000 über die Anwaltskanzlei von Josef Unterweger Anzeige gegen Monsanto, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eingereicht. Die Klage wurde zugelassen und die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits.

Am 20. April wurde bei der Staatsanwaltschaft Berlin eine Nachtragsanzeige eingereicht, die von mehreren europäischen Netzwerken gegen Pflanzenschutzmittel und dem Umweltinstitut München mitgetragen wird. Diese Klage wurde eingereicht, weil sich „weitere Verdachtsmomente gegen die Angezeigten ergeben“ haben.

Glyphosat und die Institute

Das BfR durfte sich schon bei der Anhörung zum Thema im Agrarausschuss des Bundestages wie auf der Anklagebank fühlen [2]. Ging es damals noch hauptsächlich um ein Verwirrspiel in einem Methodenstreit zur Bewertung, ob Glyphosat bei Menschen wahrscheinlich krebserregend ist oder nicht, geht es jetzt vielmehr um die Prüfung, ob das BfR fahrlässig oder bewusst Tatsachen verfälscht hat.

Die Kläger werfen dem BfR einen falschen Methodenstreit vor. Es gehe nicht darum, ob die Internationale Krebsforschungsagentur IARC der WHO nur die Gefahr und das BfR das Risiko anhand der tatsächlichen Exposition bewertet. Daher geht es bei dem künftigen Gerichtsstreit auch nicht um Glyphosat. Es geht um methodische Fehler seitens der Pestizidhersteller und die unkritische Übernahme, also der Nichtprüfung, seitens des BfR als Berichterstatter für die EFSA. Und damit um eine falsche Basis für den Wiederzulassungsantrag. Der Methodenstreit sei nur vorgeschoben, um die enge Verbindung zwischen Hersteller und Risikobewerter zu verschleiern, erläuterte Sophia Guttenberger vom Umweltinstitut.

Rechtsanwalt Unterweger spricht vom Verdacht einer „verbotenen Beihilfe für Firmen“. Die Herstellerstudien könnten das Zeug für einen Betrug an 500 Millionen EU-Bürger haben, bei dem das BfR sich mindestens der Mittäterschaft schuldig gemacht habe. Helmut Burtscher, der sich bei Global 2000 im vorigen Jahr durch „Unregelmäßigkeiten“ mit den Bewertungen des BfR auseinander gesetzt hat gibt zu, dass die Klage einen Positivbescheid der Kommission für Glyphosat wieder rückgängig machen kann. Die Klage könnte den Kreislauf von erstmaliger Zulassung und unkritischer Zulassungserneuerung durchbrechen. Es sei schwierig für eine Behörde zu einem anderen Ergebnis zu kommen, weil das ein Eingeständnis eines Fehlers sei, ergänzte Rechtsanwalt Unterweger. Es könnte daraus auch eine Wettbewerbsverzerrung resultieren, weil alternative Mittel keine Chance gegen so eine Marktmacht hätten, die auf diese Weise zementiert werde.

Fünf Mäusestudien

Im Kern geht es um Ergebnisse aus fünf Mäusestudien der Pflanzenschutzmittelhersteller. Daraus wurden zwischen 1983 und 2009 insgesamt acht Tumor-Frequenzkurve erstellt, denen eines gemeinsam ist: Ausgehend von einer Kontrollgruppe ohne wurden den Tieren eine niedrige, eine mittlere und eine hohe Dosis Glyphosat verabreicht. Die Erkrankungsrate nahm zu, war also dosisabhängig, beschreibt Prof. Dr. med. Eberhard Greiser, der auch bei der Bundestagsanhörung dabei war. Die Hersteller haben die Tests nach dem Cochrane Armitage Verfahren durchgeführt [3]. Damit hätte Glyphosat nicht zugelassen werden dürfen.

Doch die Studienergebnisse waren im Monsanto-Papier an die Glyphosat Task Force (GTF) für das Renewal Assessment Report (RAR) so gut versteckt, sagte Burtscher, dass sie weder an der vom Zusammenhang vermuteten Stelle aufgeführt waren, noch an ihrem Ort wirklich erkennbar abgebildet wurden. Nur die Zahlenfolge der Steigerung (0-1-2-5) steckte im Text von mehreren Tausend Seiten.

Das BfR fasste Anfang 2014 den Befund so zusammen, dass keine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat festzustellen sei. Da war noch nicht bekannt, dass die WHO über das IARC eine Gefahrenabschätzung durchführte.

Elf Tage nach der IARC-Bekanntgabe formulierte das BfR im Endtext „einen schwachen Anstieg der Inzidenz maligner Lymphone“ und empfahl eine Klärung des Sachverhaltes. Im August 2015 fügte das BfR dem RAR ein Addendum hinzu, in dem „ein statistischer Anstieg von malignen Lymphonen“ angesehen werden kann.

Was wie eine Lernkurve wirkt, deuten die Kläger als erzwungenen Rückzug. Am Donnerstag hat das BfR nachgelegt und den Unterschied zwischen IARC und BfR komplett nivelliert. Als Reaktion auf die Klage und die zugrunde liegende Studie schreibt das BfR am 21. April in seiner Stellungnahme zu dem Gutachten: „Das Ergebnis des RAR entspricht im Übrigen der fachlichen Bewertung der epidemiologischen Studien durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), die Hinweise für die Kanzerogenität von Glyphosat beim Menschen auf Basis der epidemiologischen Studien auch als lediglich begrenzt („limited evidence in humans“) eingestuft hat.“

Kein Studien-Bashing

Prof. Greiser weist darauf hin, dass die Basis der Klage kein Hinweis auf unwissenschaftlichen Studien ist. Die seien alle professionell durchgeführt worden. Die Vertuschung und mediale Verdrehung der Ergebnisse zugunsten der Hersteller sei das Problem. Das hat das BfR noch nicht erkannt. Es bezeichnet das Gutachten als „so genannte Studie“, die keine neuen Erkenntnisse zu Glyphosat hervorgebracht haben.

Die Nachtragsanzeige in Berlin verdeutlicht den Fokus: Demnach muss sich der BfR-Präsident mit dem Hinweis, dass die tödliche Dosis von Glyphosat in der gleichen Dimension wie bei Kochsalz liege, verantworten, den Wirkstoff mit den gleichen Worten einer Monsanto-Werbung für Glyphosat bedient zu haben. Monsanto musste im Jahr 1996 diese Irreführung auf Grundlage eines Gerichtsbeschlusses einstellen. Vor Gericht gelten andere Regeln als im Labor.

Neben Verbreitung von Herstellereinschätzungen sollen die vom BfR ausgeschlossenen Studien fachlich unbegründet ausgeschlossen worden sein. Beispielsweise sei das Rauchverhalten als Vorerkrankung nicht berücksichtigt, während die entsprechende Studie das selbst in ihrer Zusammenfassung mit berücksichtigt habe. Dem allerdings widerspricht das BfR deutlich.

„Torschlusspanik“

Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (AGG) der Pestizidhersteller bescheinigte den Klägern Torschlusspanik, weil die Verlängerung des Wirkstoffs unmittelbar bevorstehe. In immer neuen Variationen werde die „Anti-Glyphosat-Kampagne völlig überdreht“. „In einer sachlichen Debatte haben Panikmache, die Verbreitung von Falschinformationen und unbegründete Behauptungen keinen Platz“, kritisierte Ursula Lüttmer-Ouazane, Sprecherin der AGG.

Erwartungen

„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Am Ende sind Ausgang und Ankunft ungewiss. Anwalt Unterweger wagte auch keine Prognose, wie lange sich der Streit vor Gericht hinziehen kann. Inklusive Berufung und Einbezug höherer Instanzen wird der Gerichtsprozess länger dauern können, als die vom Europaparlament avisierte Zulassungsverlängerung des Wirkstoffes.

Das Gericht wird kein Urteil darüber fällen, wie gefährlich Glyphosat ist. Das ist nicht Sinn der Klage. Doch wird am Ende ein Urteilsspruch stehen, der in Brüssel die Forderung nach Neuordnung des Zulassungsverfahrens beschleunigen wird. Rechtsanwalt Unterweger sagte gegenüber Herd-und-Hof.de, dass die Hersteller nicht mehr entscheiden werden dürfen, welches Institut über eine Zulassung ihrer Produkte zuständig sein solle. Über eine von den Herstellern finanzierte Fondslösung sollen unabhängige Institute nach Qualitätskriterien frei und ohne Studienvorgaben der Hersteller zu ihren Schlüssen kommen. Das Verfahren soll durch externe Kontrollen abgesichert werden. Angesichts von noch immer vorhandenen nicht veröffentlichten Studien ergänzte Helmut Burtscher: „Geheimhaltung ist bei toxikologischen Daten keine gute Idee.“

Lesestoff:

Anzeige, Gutachten und Hintergründe finden Sie auf www.umweltinstitut.org

Die Stellungnahme des BfR unter www.bfr.bund.de

[1] Glyphosat: Alles halb so wild

[2] Der kleine Mann gegen das „Netzwerk des Bösen“?

[3] Von der OECD als Auswertung von Langzeit-Kanzerogenitätsstudien empfohlen.

Roland Krieg

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