BIC 2005

Landwirtschaft

Tiermediziner konferieren über die Influenza – Gefahr

>Die meisten kennen nur das Brandenburger Tor als Bauwerk Carl Gotthard Langhans`. 1790 baute der Klassizist jedoch neben dem Gelände der Charité ebenso das heute denkmalgeschützte „Anatomische Theater“, das die Tiermediziner, die zur gleichen Zeit ihre Institute bezogen, liebevoll „Trichinentempel“ nennen. Vom 26. bis 28. Mai fand in dem steil aufsteigenden Lehrsaal die internationale „Berlin Influenza Conference“ BIC 2005 statt, den die Veterinäre der FU Berlin organisiert haben.

Ein Virus mit globalem Auftritt
Eigentlich hat das pilzähnliche Virus mit einem nicht ausladenden Kopf eine äußerst fragile Gestalt. Es gibt 15 unterschiedliche Hämagglutinine und 9 unterschiedliche Neuraminidasen, die zur Unterscheidung der Subtypen einfach durchnummeriert sind: H1N1, H2N2, H3N2 bezeichnen beispielsweise die Erreger der menschlichen Grippe, während die H5- und H7 – Typen die Geflügelpest beschreiben.
Die Subtypen des Virus sind „bemerkenswert ähnlich“, wie es Sir John Skehel, vom National Institut for Medical Research, London, formulierte. So reicht eine winzige Verschiebung des Glutinin 226 aus, die reaktive Oberfläche zu vergrößern. Bindungswinkelveränderungen machen aus einem H7-Subtyp einen H3-Virus bei 6 Grad oder zu einem H9-Virus bei 19 Grad. Aber die Wirkung ist riesig:
Die spanische Influenza, die 1918 bis zu 100 Millionen Tote gefordert hatte ist der Virus H1N1 gewesen. Die asiatische Influenza 1957 wurde durch H2N2 verantwortet, der H3N2-Subtyp ging als Hongkong-Grippe 1968 in das Zeitgeschehen ein und bei der Russischen Influenza 1977 schlug wieder der H1N1 zu.
H5N1 macht als Vogelgrippe 1997 und vor allem 2004 Schlagzeilen (Herd-und-Hof.de vom 03.05.2005). Generell wird die Zoonose, Krankheiten in Mensch und Tier, durch eine Übertragung des Influenza A Virus aus Wildvögeln, bei denen er in einem harmonischen Status existiert, auf Haustiere oder Menschen zur Gefahr. Prof. Robert Webster vom St. Jude Children´s Research Institut in Memphis, USA, wusste sogar noch von älteren Seuchenzügen zu berichten: Die erste glaubhafte Beschreibung einer Influenza stammt aus den Jahren 1173/74. Zwischen 1200 und 1500 wurden sieben Ausbrüche dokumentiert und 1510 die erste weltweite Pandemie.
Insgesamt haben sich die H1-3 – Subtypen als höchstgefährlich gezeigt. Das sind die H5 und H7 – Typen zwar auch, jedoch konnten sie sich im Menschen nicht als Pandemie verbreiten. Prof. Webster sieht in dem Typ H9N2 „die stille Bedrohung“ der heutigen Zeit. Auf den Märkten Hongkongs ist das Geflügel mit zwei Genotypen dieses Virus durchsetzt.

Japans Kampf gegen die Geflügelpest
Im Jahr 2004 hat das Virus H5N1 rund 36.000 Hühner in Japan getötet. Zur Bekämpfung geschlachtet wurden 210.000 Tiere. In Asien insgesamt haben drei wellenartige Seuchenzüge zwischen 2003 und 2004 rund 180 Millionen Hühner hingerafft. Menschenleben sind zu beklagen und es bestand die Gefahr einer Pandemie, sagte Prof. Masato Tashiro. Er ist Direktor des WHO Collaborating Center for Reference and Research on Influenza am National Institut of Infectious Diseases in Tokio. Fälle von Übertragungen von Mensch zu Mensch seien angestiegen und vereinzelt sind Todesfälle bei Farmarbeitern und Gesundheitsdiensten bekannt. Prof. Tashiro sieht die nationale und internationale Gemeinschaft in der Verantwortung. Beobachtung und Kontrolle von Krankheitsausbrüchen, Kontaktschutz und Impfpolitik sind die wichtigsten Maßnahmen.
Herd-und-Hof.de hatte am Rande der Konferenz Gelegenheit mit Prof. Tashiro zu sprechen:

HuH: Welche Bekämpfungsstrategien gibt es auf den landwirtschaftlichen Betrieben in Asien?
Prof. Tashiro: Die Farmer haben kein Verantwortungsgefühl für die möglichen Auswirkungen. Erkrankte Tiere werden alle geschlachtet und in Japan erhalten die Farmer für die Tiere eine Entschädigung.
HuH: Macht es Sinn die Hinterhof-Haltung in eine andere Struktur zu überführen?
Prof. Tashiro: Geflügelfleisch hat in Asien einen sehr starken und traditionellen Markt und vor allem für die Muslime ist es eine Alternative zu Schweinefleisch. Um größere Ställe zu bauen, müssen die Farmer informiert und ausgebildet werden. Große Investitionen würden gebraucht. Das können die meisten asiatischen Länder nicht umsetzen.

In seinem Vortrag fuhr der WHO-Experte fort, dass die Japaner dabei sind, ein Diagnosewerkzeug für die Früherkennung zu entwickeln: Das „Loop-mediated isothermal gene amplification“ (LAMP). Damit kennzeichnet ein bestimmtes Gengemisch in einem einfachen halbstündigen Wasserbad bei 65 °C die hinzugeführte Probe so, dass sie mit bloßem Auge entdeckt werden kann. Die Methode ist sehr spezifisch für die gefährlichen H5-Subtypen und hat einen höheren Wirkungsgrad als herkömmliche Methoden, wie die Polymerase-Kettenreaktion.

Schutz vor der Vogelgrippe
Menschen sind dem Krankheitserreger dann hilflos ausgeliefert, wenn das Immunsystem keinen wirksamen Gegenspieler hat, ihn zu vernichten. Gebildete Antiviren passen praktisch wie ein Schlüssel in das Schloss eines Erregers, um ihn zu zerstören. Ist jener allerdings neu, auch durch schnelle Veränderungen in den Subtypen, dann findet das Immunsystem keinen wirksamen Schlüssel – wie bei der Vogelgrippe. Passend, aber nicht geplant, erschien parallel zum BIC 2005 am Wochenende in „Nature“ (435, 26. Mai 2005) die Warnung von Seuchenexperten über fehlenden Impfschutz bei Grippeviren. In Menschen, die mit einem „normalen Grippevirus“ infiziert sind und sich auch noch die Vogelgrippe einfangen, können neuartige Viren entstehen, die hoch ansteckend an andere Menschen weiter gegeben werden können.
Weiterhin gilt folgende Warnung: Es gibt gegen die Vogelgrippe zur Zeit keinen wirksamen Impf- oder Vorbeugeschutz. Immerhin konnte Dr. Mikhail Matrosovich aus dem Institut für Virologie der Philipps Universität in Marburg auf der Konferenz berichten, dass in einem ersten Experiment gezeigt werden konnte, die Virusentwicklung im Epithelgewebe der Atemwege zu stoppen. Damit würde eine Pandemie unterbrochen.
Prof. Dr. Reinhard Kurth vom Robert Koch-Institut (RKI) berichtete, dass auf der Grundlage des Pandemieplans der WHO von 1999 das Institut auch einen nationalen Modellplan vorgelegt hat. Zur Zeit beraten die Bundesländer darüber und im letzten Quartal 2005 sollen Beobachtungsmodalitäten, rechtliche Grundlagen, Kommunikationswege und ein konzertiertes Krankenhausmanagement vorliegen. Es wird vor allem deshalb Zeit, weil für die wenigen Mittel, die eine Krankheitsausdehnung eindämmen können, eine Vorbereitungszeit von 12 Monaten gebraucht wird. Traditionell werden Antiviren in Hühnereiern vermehrt. Otfried Kistner von der österreichischen Baxter AG, die Impfstoffe herstellt, sprach von rund 300 Millionen Hühnereiern, die weltweit für die Erstellung von Impfstoffen nötig seien. Um den logistischen Aufwand zu sparen kann die Baxter AG beispielsweise auch in ihrer Fabrik in Tschechien 14 Millionen Impfdosen herstellen. Hier dient Zellgewebe aus der Niere afrikanischer Affen als Vermehrungsgrundlage in speziellen Fermentern. Das sei effektiver als die traditionelle Methode.

Roland Krieg

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