Bienen, Beize und Bekämpfung
Landwirtschaft
Imker: Pflanzenschutz muss bienenfreundlich sein
Seit mehr als einem Monat gibt es keine Ausflüchte mehr: Das amtliche Untersuchungsergebnis hat dem Wirkstoff Clothianidin im Saatgutbeizmittel die Hauptursache des badischen Bienensterbens zugeordnet. Gestern hat in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin der Deutsche Berufs- und Erwerbsimker-Bund (DBIB) zusammen mit dem Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) und dem Bund für Umwelt- und Naturschutzschutz Deutschland (BUND) die politische Aufarbeitung in Forderungen zusammengefasst: Pflanzenschutzmittel (PSM), die bienengefährlich sind, sollen generell verboten werden. Bienengefährliche Wirkstoffe dürfen auch in der EU nicht mehr zugelassen werden, sowie alle zugelassenen Wirkstoffe müssten auf ihre Bienengefährlichkeit hin untersucht werden. Die Wiederzulassung des Beizmittels für die kommende Rapsaussaat müsse widerrufen werden. Insgesamt müsse der Einsatz von PSM im Rahmen des Nationalen Aktionsplan zur Reduzierung von PSM deutlich verringert werden. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll der Einsatz um 30 Prozent verringert werden, spezifiziert Hubert Weiger, Präsident des BUND (re. im Bild).
Der Bien
Wer sich auf die kleinsten landwirtschaftlichen Nutztiere, die Bienen, einlässt, der taucht in eine andere Welt. Tankstellen- und Heizerbienen in der organischen Lebensgemeinschaft entführen in Geheimnisse der direkten Nachbarschaft. So sammeln die Bienen Maispollen in den Waben, um mit diesem „Bienenbrot“ die Brut im nächsten Jahr zu ernähren. Für Manfred Hederer, Präsident des DBIB, zeigen solche Beispiele, dass die Bienenwelt den meisten immer noch unbekannt ist. Er kritisierte, dass die Zulassungskriterien für PSM diesen komplexen Sachverhalten nicht Rechung tragen.
Der Industrieverband Agrar (IVA) wehrte sich nach der Pressekonferenz gegen diese Vorwürfe: „Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschalnd gilt als einer der strengsten der Welt“, so Hauptgeschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler. „Wer die unglückliche Verkettung von Umständen, die zu Bienenschäden in Südwestdeutschland geführt haben, zum Anlass nimmt, bestimmte Insektizidwirkstoffe verbieten zu wollen, argumentiert an den Fakten vorbei.“
Allerdings kritisiert Hederer vielmehr, dass die Methode der Verträglichkeitsprüfung, die mit drei bis fünf Tagen auf die Sterblichkeit abzielt, viel zu kurz greift. Alleine das Beispiel des Bienenbrots zeige, dass langfristige Prüfungen formuliert werden müssen, denn „die negativen Auswirkungen kommen erst später, wenn innerhalb des Bienenvolks verfüttert wird.“ Zudem reichere sich das Nervengift Clothianidin im Boden an. Bis zu über 900 Tage kann das PSM im Boden noch nachgewiesen werden.
Den Bienen geht es schon länger nicht gut. Seit den hohen Winterverlusten 2002/03 sind die Begriffe „Bienensterben“ und „Völkerverluste“ auch außerhalb der Imkerschaft ein Begriff. Beim Expertenhearing zum badischen Bienensterben am 20. Juni in Karlsruhe spezifizierten die Staatlichen Fachberater der Universität Hohenheim, Dr. Rosenkranz und Dr. Liebig, dass neben akuten Vergiftungen auch die periodisch auftretenden Winterverlusten und die schleichende Schwächung der Bienenvölker während der Saison die Bienen in Not bringen. Gerade in der badischen Rheinebene sind die Trachtbedingungen für die Bienen besonders gut. Bereits im Frühjahr stehen umfangreiche Obst und Rapsflächen in Blüte. In den Tälern und Hochlagen wird danach noch Wald- und Tannenhonig geerntet. Die guten Bedingungen locken zahlreiche Wanderimker aus anderen Bundesländern ins „Ländle“, so dass im Oberrheintal die höchste Bienenkonzentration Deutschlands zu finden ist. Das leiste beispielsweise der Verbreitung der Varroa-Milbe Vorschub und schwäche die Bienenvölker. Der vorangegangene Winter habe den Völkern überdurchschnittlich hohe Verluste beigebracht und die überwinterten Tiere geschwächt: „Hauptursache hierfür war ein hoher Befallsdruck und unzureichende Bekämpfungsmaßnahmen.“ Die Vergiftungen trafen gerade auf die Völker, die sich in der Aufwärtsentwicklung befunden haben, so die Berater. Der aktuelle Vergiftungsfall mit 11.500 betroffenen Bienenvölkern hebe sich von den in den letzten Jahren abnehmenden Vergiftungsfällen deutlich ab.
Hederer will Krankheiten wie den Milbenbefall allerdings nicht als Generalausrede gelten lassen. Auch Weiger will keine Bagatellisierung der Schäden herbeigeredet wissen.
Cornelia Behm, agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag hatte am Morgen gefordert, die Zulassung für Clothianidin neu zu bewerten: „Die Zulassung des Wirkstoffs Clothianidin als Saatgutbeizmittel gehört angesichts des dramatischen Bienensterbens grundlegend auf den Prüfstand und muss neu bewertet werden.“
Teil II am 19.07.: Beize, Diabrotica und Bioenergiedörfer
Roland Krieg; Fotos: roRo