Bienen lesen Blütenmuster
Landwirtschaft
Wie die Biene zur Blume kommt
Bienen können lesen - nein, keine Romane, sondern Blütenmuster: Im Experiment mit Honigbienen fanden der Evolutionsbiologe Johannes Spaethe und sein Team an der Universität Wien heraus, dass die Insekten komplexe Formen unterscheiden und wiedererkennen können. Warum sie das im „Bienenalltag“ überhaupt brauchen, und was für eine Rolle optische Signale in der Pflanze-Bestäuber-Interaktion sonst noch spielen, untersuchen die Forscher in einem aktuellen Projekt.
Die Farbe kommt später
Für welche Blüte entscheidet sich eine Biene im Pflanzenmeer der Blumenwiese? „Um das zu verstehen, muss man die Welt durch die Augen der Biene betrachten“, sagt Johannes Spaethe vom Department für Evolutionsbiologie. Beim Anflug auf die Wiese nimmt die Biene zunächst einmal nur Hell-Dunkel-Kontraste wahr. Dadurch macht sie die Blütenköpfe im grünen Pflanzendschungel aus - für die Biene eine Landschaft aus verschiedenen Grautönen. Erst in der Nähe, etwa ab einem halben Meter Entfernung, nutzt sie auch Farbinformationen zur Orientierung. Was aber, wenn die Biene zwei Blumen derselben Art vor sich hat? „Im Falle der Orchideengattung Ragwurz entscheidet bei zwei identischen Blüten die Farbsättigung, welche Blüte das Insekt schlussendlich bevorzugt“, fand Spaethe mit Hilfe von „Orchideen-Dummies“ - künstlichen Plastikblüten mit austauschbaren Blütenblättern, aber Originalduft - heraus.
In Sachen Reproduktion ...
Originalduft deshalb, weil die Ragwurz (Ophrys), die als Vorbild für die „Dummies“ diente, beim Anlocken der Bestäuberbienen mehr auf deren „feine Nasen“ setzt als auf ihr Sehvermögen. Als „Sexualtäuschpflanzen“ verführen Ophrysorchideen die Insektenmännchen zur Bestäubung, indem sie den Geruch eines paarungsbereiten Weibchens imitieren. Nicht einmal einen Schluck Nektar bekommen die geneppten Männchen für ihren unfreiwilligen Einsatz in Sachen Reproduktion. Trotzdem fallen sie immer wieder auf die Täuschung herein - sehen sie so schlecht, dass sie ein „falsches Weibchen“ nicht vom echten unterscheiden können?
Unscheinbare Orchideen?
Nun sind Ragwurze für gewöhnlich äußerlich unauffällig und farblos. „Weil die Sexualtäuschung mittels Duft so gut funktioniert, brauchen sie keine leuchtenden Farben“, erklärt der Evolutionsbiologe. Aber es gibt einige wenige Ausnahmen, deren Untersuchung neue Erkenntnisse über das Bienensehvermögen und die Rolle von optischen Signalen in der Pflanze-Bestäuber-Interaktion versprechen: „Einige Ophrysarten wie z.B. die Heldreichs Ragwurz besitzen eine auffällige rosa Blütenhülle. Eine andere, die Spiegelragwurz, hat einen schillernd blauen Spiegel auf der Lippe. Wir wollen wissen: Warum haben diese Gruppen im Unterschied zu den anderen Farbsignale evolviert - und hat das etwas mit ihren jeweiligen Bestäubern zu tun?“
Interaktive Evolution
Heldreichs Ragwurz zum Beispiel wird von einer Langhornbiene bestäubt. „Deren Männchen haben nicht nur sehr lange Antennen - daher der Name -, auch ihre Augen sind überdimensional groß. Daher sehen sie besonders gut“, sagt der Forscher, der neben den Farbvorlieben der Langhornbienen außerdem herausfinden will, was es mit den sonderbaren Mustern auf sich hat, die viele Ragwurz-Blüten - auch die farblosen - auf ihren Lippen aufweisen. „So wie jede Ragwurzart einen anderen Bestäuber anlockt, hat auch jede ihr spezifisches Blütenmuster.“
Falls die Bienen diese Muster wahrnehmen und sich vielleicht sogar merken können - warum werden sie dann immer wieder „Opfer“ der Sexualtäuschung? „Vermutlich, weil die Orchideen noch ein bisschen 'schlauer' sind“, meint Spaethe: „Es ist nämlich so, dass auch innerhalb einer Ophrysart keine zwei Blüten das exakt gleiche Muster haben.“
Experimente im Freiland und am Balkon
Im Projekt soll untersucht werden, ob diese Mustervariationen „evolutionäre Absicht“ sind und bei der Pflanze-Bestäuber-Interaktion eine Rolle spielen. Neben Freilandexperimenten in Kreta und Mallorca, wo viele Ragwurzarten und ihre Bestäuberinsekten zu Hause sind, führt der Forscher dafür auch visuelle Experimente mit Honigbienen durch - unter anderem direkt am Balkon des Biozentrums Althanstraße. Für diese Versuche haben die Evolutionsbiologen in einem ersten Schritt verschiedene Orchideenblütenmuster abfotografiert, am PC vergrößert und Ausdrucke davon an kleinen Tafeln angebracht. Mit Zuckerwasser und Bitterstoffen wurden die Bienen darauf trainiert, nur bestimmte Tafeln anzufliegen.
„Es hat sich jetzt schon klar gezeigt, dass die Insekten in der Lage sind, komplexe Muster zu erkennen“, so Spaethe: „Nun wollen wir u.a. herausfinden, welche sensorischen Mechanismen die Biene nutzen um sich die Bilder zu merken und wie sie dieses Wissen im 'Bienenalltag' einsetzt.“
Alexandra Frey; Foto: Universität Wien