Bienenbäume
Landwirtschaft
Im Wald nistende Wildbienenvölker
Der Nationalpark Hainich in Thüringen ist einer der größten zusammenhängenden Laubwälder in Mitteleuropa. Neben Buchen gibt es dort verschiedene Ahorn- und Lindenarten, die reiche Nektar- und Pollenquellen für Honigbienen und andere bestäubende Insekten darstellen. Die Wälder des Biosphärengebiets Schwäbische Alb haben ein detailliertes Verzeichnis von Bäumen mit Schwarzspechthöhlen. Verlassene Schwarzspechthöhlen können für Wildbienen geeigneten Unterschlupf bieten. Beide Wälder wurden bisher noch nie systematisch auf die Besiedlung durch Honigbienen untersucht.
Zudem sind bisher „Bienenbäume“, die natürlichen Wohnungen von Bienen, kaum erforscht, und es gibt keine wissenschaftlichen Daten aus Europa über wild lebende Bienenkolonien, die ohne menschliches Eingreifen in Wäldern leben. Benjamin Rutschmann und Patrick Kohl, Wissenschaftler von HOneyBee Online Studies (HOBOS), ein Honigbienenprojekt an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie an der JMU wollen das ändern und haben sich im Wald auf die Suche nach wild lebenden Honigbienen gemacht.
Buchenwälder als Zuhause für wild lebende Honigbienen
Im Nationalpark Hainich und im Biosphärengebiet Schwäbische Alb, haben sie die Bienen gezählt und die Koloniedichte erfasst. Eine für Honigbienen geeignete Höhle benötigt ein Volumen von mindestens 20 Liter, damit die Bienen genug Honig zum Überwintern horten können. Schwarzspechte können Baumhöhlen solcher Größe schaffen, sodass deren verlassene Wohnungen eine wichtige Ressource für Honigbienen in bewirtschafteten Wäldern darstellen könnten.
In den Buchenwäldern des Biosphärengebiets Schwäbische Alb untersuchten die Wissenschaftler deshalb knapp 100 Habitatbäume mit alten Schwarzspechthöhlen auf das Vorkommen von Honigbienenvölkern. Sieben Prozent dieser Buchen waren von Honigbienen besetzt. „Wenn Habitatbäume mit Schwarzspechthöhlen in bewirtschafteten Wäldern geschützt werden, hilft das womöglich auch den wild lebenden Honigbienen, welche bis zum jetzigen Zeitpunkt komplett ohne Schutz dastehen“, sagt Benjamin Rutschmann.
Im Hainich verfolgten Kohl und Rutschmann die Heimflugrouten von Bienen, welche an künstlichen Futterstellen sammelten. Auf diese Weise entdeckten sie zahlreiche Bienenbäume im Nationalpark.
Bienenkolonien leben nicht nur am Waldrand
Benjamin Rutschmann und Patrick Kohl fanden heraus, dass wild lebende Honigbienenvölker regelmäßig in Baumhöhlen in naturnahen Buchenwäldern mit Dichten von mindestens 0,11 bis 0,14 Kolonien pro Quadratkilometer leben. Die Dichte von natürlich nistenden Kolonien in abgelegenen Wäldern ist also gering, und Kolonien nisten einzeln, in weit voneinander getrennten Baumhöhlen. Allerdings ist die Verteilung der Bienenkolonien nicht auf die Waldränder beschränkt. Die Tiere leben auch tief im Wald, im Hainich auch mehrere Kilometer vom nächsten Bienenstand entfernt.
Um zu testen, wie weit Bienenschwärme von „Imkervölkern“ am Waldrand in das Waldgebiet eindringen, simulierten Kohl und Rutschmann solche Ereignisse und beobachteten am Waldrand aufgestellte Schwärme. Die Bienentänze der Spurbienen zeigten ihnen, dass die Bienen vor allem in einem Umkreis von maximal 500 Metern Höhlen suchen. Diese Höhlen befinden sich größtenteils außerhalb des Waldes oder am Waldrand. Dieses Ergebnis legt nahe, dass tiefer im Wald befindliche Bienenbäume nicht direkt von entflohenen Schwärmen besiedelt wurden. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass Schwärme das Innerste des Waldes in mehreren Schritten, über mehrere Jahre hinweg besiedelt haben.
Die Studie liefert den Startpunkt für eine genaue Erforschung der Populationsdynamik und Ökologie dieser wild lebenden Honigbienen in Europäischen Waldgebieten. „Schon jetzt deutet unsere Studie an, dass immer eine gewisse Anzahl von Bienenvölkern wild in Waldgebieten leben. Das heißt: Egal wie lange das einzelne Bienenvolk im Wald überdauert, ständig werden wild lebende Honigbienen mit anderen Waldbewohnern interagieren. Dieser Aspekt der Honigbienenbiologie ist weitgehend unerforscht“, sagt Patrick Kohl.
Gunnar Bartsch (Uni Würzburg)