Bienenstich

Landwirtschaft

Gentechnik: Kleine Biene und große Politik

Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass gentechnisch veränderte Pollen im Honig, diesen zu einem zulassungspflichtigen Lebensmittel machen. Daraus folgt, dass Imker Anspruch auf Entschädigung haben, da die Spuren gentechnisch veränderter Pollen unabsichtlich in den Honig gelangen.

Imker-Klage erfolgreich

Die Biene unterscheidet nicht zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Pflanzen. In der Regel sammelt sie innerhalb eines Radius von drei Kilometern, oftmals auch weiter, Pollen und Nektar. So können unbeabsichtigt gentechnisch veränderte Spuren in den Honig gelangen. Das passierte Imker Karl Heinz Bablok aus Augsburg im Jahr 2009. Seine Bienen brachten Mon 810-Pollen heim in den Bienenstock, Bablok musste seine Honigernte in der Müllverbrennungsanlage vernichten. Denn Mon 810 hat keine Zulassung, Bestandteil von Honig zu sein und selbst das Verschenken des Honigs wäre ein strafbarer Akt geworden.

Urteil gegen die Kommission

Imker Bablok fand schnell ein breites Unterstützerbündnis, denn seine Berufskollegen fanden in der Gesetzgebung zur grünen Gentechnik keine wirkliche Berücksichtigung. Die Berliner Anwaltskanzlei Gaßner vertrat das Augsburger Anliegen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dort landete die Klage des Imkers gegen den Freistaat Bayern, der auf einem Versuchsfeld den gentechnisch veränderten Mais anbaute. Das Bayerische Verwaltungsgericht hatte die Angelegenheit grundsätzlich regeln lassen wollen.
Demnach sind nach EuGH-Spruch C-442-09 Honige jetzt nach der EU-Verordnung über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (VO 1829/2003) zulassungspflichtig. Die Europäische Kommission vertrat die Auffassung, dass GVO-Spuren im Honig diesen nicht zulassungspflichtig mache, da die Bestandteile unbeabsichtigt in den Honig kommen. Nun hat der Gerichtshof eine Entscheidung gegen die Kommission gefällt – mit weitreichenden Auswirkungen auf alle Lebensmittel und Importwaren. Knackpunkt ist die Entschädigung, die im Falle kaum einer tragen will und damit eine Zulassung für gentechnisch veränderte Pflanzen in weite Ferne rückt.

Breite Zustimmung

Thomas Radetzki, Vorstand des ökologischen Imkerverbandes Mellifera, kommentiert das Urteil: „Die kleine Biene hat gezeigt, dass sie im Ernstfall stechen kann – auch einen Giganten der Agrogentechnik.“ Die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung von 2008 muss nun um wirksame Schutzvorkehrungen für Imker erweitert werden. Die Bundesländer müssen den Honig nach Auffassung Radetzkis effektiver überwachen und der Handel bei Vorfällen den Honig aus dem Regal entfernen.
Bislang hätten nur die gentechnikfreien Regionen für eine Sicherheit beim Honig gesorgt, teilte Martin Häusler, Mitglied im europäischen Agrarausschuss für die Grünen, mit.
Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes,
begrüßte die Entscheidung. „Mit dem heutigen Urteil wurde endlich die von der Imkerschaft seit langem geforderte Rechtssicherheit geschaffen. Ein Sicherheitsabstand von 300 Metern ist hierbei wohl keineswegs ausreichend. Der Sicherheitsabstand (zwischen Anbau und Bienenstock, roRo) muss zehn Kilometer betragen. Diese Anbautechnik dürfte für die Landwirte dann nicht mehr interessant und umsetzbar sein.“
Jan Plagge, Präsident von Bioland
, sieht in dem Urteil eine Stärkung der Position von Imkern und Verbrauchern gegen internationale Saatgutkonzerne. Plagge forderte die Bundesländer auf, Importhonige auf nicht zugelassene GVO zu untersuchen.

Keine Anbauempfehlung

Der Deutsche Bauernverband (DBV) erneuerte angesichts des Urteils seine Empfehlung, auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wegen der „nicht kalkulierbaren und nicht versicherbaren verschuldensunabhängigen Haftung“ zu verzichten. Das Urteil mache deutlich, dass es klare wissenschaftliche Koexistenz- und Haftungsregeln bedürfe.

Keine kurzfristigen Konsequenzen

Der Hamburger Honig-Verband erwartet keine kurzfristigen Konsequenzen nach dem Urteil. Der Verband will das Urteil zunächst prüfen, geht aber davon aus, dass die Produkte seiner Mitglieder verkehrsfähig sind. „In Einzelfällen können Polleneinträge von genveränderten Pflanzen nicht ausgeschlossen werden.“ Die genveränderten Pollen würden aber von in Europa zugelassenen Pflanzen stammen und dürfen daher einen Anteil von 0,9 Prozent aufweisen. Für Pollen von nicht zugelassenen Pflanzen dürfen jedoch nicht vorkommen. Da gilt die Nulltoleranz.
Der Verband fürchtet aber, dass bei Anpassung der nationalen Rechtsprechung an das europäische Urteil, einem Teil der Imker die Existenzgrundlage entzogen würde. Das würde die „durch das weltweite Bienensterben bereits stark dezimierten Populationen weiter reduzieren“.

Lesestoff:

www.bienen-gentechnik.de

VLE

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