Bilanz der „New Aliance for Food Security and Nutrition”

Landwirtschaft

Neue Allianz zur Ernährungssicherung schnell gealtert

Erst nach 30 Jahre rückten Landwirtschaft und Ernährungssicherung wieder in den Fokus einer weltweiten Afrikapolitik.  Die 1980er Jahre galten als Entwicklungsjahrzehnt, ohne dass sich vor allem in Afrika viel bewegt hat. Die G8-Länder hatten 2012 mit der „New Alliance for Food Security and Nutrition” (NAFSN) zusammen mit zehn afrikanischen Regierungen, dem privaten Sektor und Hilfsorganisationen zu einer neuen konzertierten Aktion gegen Hunger und Armut entschlossen.  Ein neuer Entwicklungsansatz sollte zusammen mit privatem Investment und nationalen politischen Rahmenbedingungen den Fokus der Comprehensive Africa Agricultural Development Programme (CAADP) mit 35 Länderbeteiligungen aus Afrika mit Fortschritten in der Landbewirtschaftung und der Ernährungssicherung unterstützen.

Für die Umsetzung der CAADP wurden National Agricultural Investment Plans in den Bereichen Land, Arbeit, Wasser, Infrastruktur und Technologie entwickelt. Die „Neue Allianz“ sollte das beschleunigen und die defizitären Investitionen seit den 1980er Jahren ausgleichen. Der Start der New Alliance war hoffnungsfroh, berichtete Valentine Brochard von der französischen Initiative „Action contre La Faim“.

Sechs Jahre nach dem Start liegt der Internetauftritt im „Koma“, wie die EU-Kommission am Mittwoch mitteilte. Als letzte Aktivität wird der Jahresbericht 2014/2015 gefunden. Auch sonst blättert die Farbe ab, wie Maria Heubuch (Bündnis 90/Die Grünen) im Entwicklungsausschuss des Europaparlaments feststellte. Die „New Alliance“ sei eher eine Fortführung des Üblichen geworden, als zu einer tiefgreifenden Reform des Agrar- und Ernährungsbereiches, der in Afrika vor allem aus Kleinbauern und handwerklichen Verarbeitern besteht. Für deren Stärkung sei die Idee der New Alliance gar nicht geeignet. Mit Blick auf den sinkenden EU-Haushalt müsse zudem weniger Geld mit größerer Effektivität ausgegeben werden.

Anlass für die Sitzung war die Vorstellung eines Zwischenberichtes des International Food Policy Research Institute (IFPRI) über die NAFSN. Basis sind vier Länderstudien in Benin, Ghana, Nigeria und Burkina Faso. Die G8 hatten ein Zahlungsversprechen der vier Geldgeber USA, Deutschland, Frankreich und Japan in Höhe von 173,5 Millionen US-Dollar gegeben, von denen 32 Prozent ausbezahlt wurden. Die afrikanischen Länder hatten 45,7 Millionen US-Dollar finanziert. Ousmane Badiane vom IFPRI fasst die Ergebnisse der Evaluierung zusammen: Ein Drittel der Ziele wurde voll, ein Drittel zum Teil, aber ein Drittel auch überhaupt nicht erreicht.

IFPRI Benin
Umgesetzte Politikfelder der "New Alliance" in Benin

Beispiel Benin

Die Regierung in Benin hat 24 Politikprogramme für sechs NAFSN-Programme gestartet, aber lediglich bei der Stärkung von Frauen im landwirtschaftlichen Sektor  auch alle umgesetzt.

Eine Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors habe nicht statt gefunden, heißt es im Bericht. Von den eingeplanten Geldern für die Zeit zwischen 2011 und 2015 wurden lediglich 48,5 Prozent tatsächlich investiert.

Die Analyse für private Investitionen in Benin zeigen deutliche Lücken in den vorher als sensibel definierten Bereichen Saatgut, Düngemittel und Mechanisierung. Die NAFSN hat durchaus einige Unternehmen näher an die Kleinbauern, vor allem Frauen, und Lohnarbeiter gebracht, aber im Sinne von steigenden Einkommen und Nahrungssicherheit nur begrenzte Erfolge erzielt. In Benin kam die Hilfe 161.337 Kleinbauern zugute und schuf 1.861 Arbeitsplätze. Davon konnten 67 Prozent von Frauen besetzt werden. Indirekt konnten die Kleinbauern auch von Vertragsproduktionen und Ausbau der vorgelagerten Dienstleistungen profitieren.

Aufgeben, Reformieren oder weiter machen?

Die Franzosen haben im Februar 2018 aufgegeben und die NAFSN verlassen. Die Ziele decken sich nicht mehr mit den französischen Aufgaben für die Entwicklung von Landwirtschaft und Ernährungssicherung. Der Schritt folgte nach einer Evaluierung der New Alliance in Burkina Faso. Das Centre for the International Cooperation in Agricultural Research for Development (CIRAD)  kam bei einem Projekt 200 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Ouagadougou zu dem Ergebnis, dass Land von Kleinbauern für ausländische Investoren frei gestellt wurde und zu Ernährungsunsicherheit führe. Für die Nichtregierungsorganisationen war das Wasser auf die Mühlen. Für Ousmane Badiane ein Zeichen, das Ehrgeiz auf Realität trifft.  

Die Europäische Kommission will die NAFSN mit sozialen und Umweltaspekten verknüpft als Gegenmodell zur chinesischen Investmentpolitik in Afrika verstanden wissen. Die IFPRI-Studie kommt auch zu dem Schluss, dass die New Alliance innerhalb sehr kurzer Zeit viele Engpässe in der nationalen Politik für mehr Investitionen in die Landwirtschaft beseitigt habe. Allerdings sind vielen beteiligten Institutionen die Ziele der NAFSN nicht bekannt. Ein Zuwachs an behördlichen Kapazitäten sei für einen flächigen Ansatz notwendig. Eine der größeren Herausforderungen ist die Kombination der NAFSN-Politik mit bisherigen Programmen. Badiane erhofft sich zusätzliche Effekte bei der Umsetzung.

Die New Alliance ist global vom Ursprung her und definiert sich als kontinentaler Plan für nationale Regierungen. Es sei schwer, die Ziele auf lokale Bedürfnisse einzelner Regionen herunter zu brechen. Hier seien die nationalen Regierungen gefragt, erklärt Badiane.

Das Klima für private Investitionen im ländlichen Afrika sei noch immer ungünstig. Firmen investieren lieber in Städten und in erneuerbare Energien. Die Politiken müssen daher auf die Einbindung privaten Kapitals ausgerichtet werden.

Der Zwischenbericht zeigt, dass Daten und Indikatoren für eine umfangreiche Evaluierung fehlen. Dieses Manko limitiere jede Form der Entwicklungshilfe.

Deutschland wartet mit Blick auf Frankreich die neuesten Länderberichte ab, wie der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Thomas Silberhorn, im Februar auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen sagte. Aussteigen oder nicht, werde eine Frage sein, „die wir uns aber erst stellen wollen, wenn die Evaluierungsergebnisse vorliegen“. Das werde nicht vor April der Fall sein. Grundsätzlich müsse dann überlegt werden, ob die „New Alliance“ weitergeführt werden könne, oder ob die Arbeit in den Strukturen der bilateralen Zusammenarbeit integriert werden sollte.

Roland Krieg

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